Solange die Aussicht gut ist, dass Italien seine Schulden in der Kneipe, also seine Verpflichtungen im Eurosystem, künftig wieder abtragen wird, kann der deutsche Steuerzahler, der entsprechende Forderungen an das Eurosystem hat, beruhigt sein. Jedoch sind in Italien eurokritische Parteien auf dem Vormarsch und es ist keineswegs sicher, dass das Land nicht aus der Europäischen Währungsunion austreten wird. Es ist denkbar, dass der italienische Staat dann eher den Bankrott der Banca d‘Italia hinnimmt, die als eigenständige Aktiengesellschaft mit erheblicher privater Beteiligung aufgestellt ist, als deren Verbindlichkeiten gegenüber dem Eurosystem zu honorieren.
Die italienischen Verpflichtungen innerhalb des europäischen Target2-Zahlungsverkehrssystems betrugen im Oktober rund 360 Milliarden Euro. Der Anteil Deutschlands am Kapital der EZB beträgt ohne Italien rund 31 Prozent. Bei einem Ausfall der italienischen Schulden an das Eurosystem käme also ein Verlustanteil von rund 112 Milliarden Euro auf den deutschen Steuerzahler zu.
Die Target2-Kredite der Bundesbank an das Eurosystem werden bisher mit dem Leitzins der EZB verzinst, also derzeit mit null. Wäre es angesichts des nicht nur mit Italien verbundenen Verlustrisikos nicht gerechtfertigt, wenn diese Kredite auskömmlich verzinst würden? Bei zwei Prozent, ähnlich dem Zins auf länger laufende italienische Staatsanleihen, läge das jährliche Zinseinkommen der Bundesbank auf die gesamten Target2-Kredite von 754 Milliarden Euro immerhin bei 15 Milliarden Euro.
Und sollten für die Target2-Kredite an die Defizitländer nicht auch Sicherheiten in Form von Gold, Devisenreserven und anderem Staatsbesitz verlangt werden? Auch für Bankkunden ist die Stellung von Sicherheiten bei der Aufnahme von Krediten schließlich Gang und Gäbe. Denkbar wäre, dass die Bundesbank hier größeren Druck ausübt, indem sie beispielsweise ihre Mitgliedschaft bei Target2 einfriert und den Interbankzahlungsverkehr separat in einem System abwickelt, das zum Ausgleich der Salden zwingt.
Das neue Motto der EWU
Man könnte meinen, dass „verkehrte Finanzwelt“ zum Motto der EWU geworden ist. Entgegen der ursprünglich erklärten Absicht und entsprechender Rechtsverordnungen entwickelt die EZB die Währungsunion unter dem Deckmantel der Geldpolitik zur Haftungsgemeinschaft. Hilfestellung erhielt sie 2015 vom Europäischen Gerichtshof, der in seinem Urteil über das OMT (Outright Monetary Transactions)-Programm befand, dass Geldpolitik ist, was die EZB als Geldpolitik deklariert. Es scheint als stünden Euro-Finanzwelt und Europarecht gleichermaßen Kopf.