Wenn man Gutachten „plural“ macht, bekommt die Politik fünf Papiere, wo jeweils etwas anderes drinsteht. Kann man es dann nicht gleich lassen?
Großmann: Wieso? Das ist doch eine Frage der Demokratie. Wollen wir tatsächlich eine Theorie und ein Ergebnis, weil wir es nicht verkraften, verschiedene Optionen zu haben? Wir brauchen den Diskurs über Handlungsalternativen. Ich glaube nicht, dass dies die Politik überfordert.
Göhner: Das scheint mir arg optimistisch gedacht. In der Praxis hört die Politik den Volkswirten doch nur zu, wenn die ihr genau jene Ergebnisse liefern, die sie gerne haben möchte.
Normann: Vorsicht. Wir müssen akzeptieren, wenn die Politik unsere Empfehlungen nicht implementiert. Den Mindestlohn lehnt die Mehrheit der Ökonomen ab – eingeführt wurde er trotzdem. Es bringt nichts, darüber zu lamentieren; Politiker haben ihren Auftrag nun mal vom Wähler bekommen. Demokratischer Willensbildungsprozess und Wissenschaft, das sind zwei verschiedene Kisten.
Hat sich die Wirtschaftswissenschaft durch die Finanzkrise verändert?
Normann: Die Krise hat die Makroökonomie sicher nicht revolutioniert. Klar, man erweitert nun die Modelle und bezieht die Finanzmärkte mit ein. Doch es gibt keinen großen neuen Entwurf wie in den Dreißiger- und Siebzigerjahren. Nach der Depression der Dreißigerjahre entstand die interventionistische Makroökonomie von Keynes, die theoretische Grundlage für antizyklisches Ausgabeverhalten des Staates. Nach der Hochinflation der Siebzigerjahre wurde die Theorie der rationalen Erwartungen populär, die die Grenzen des keynesianischen „deficit spending“ aufzeigte. Was nun in der Makroökonomie passiert, ist moderater – und wird nur bescheidene Änderungen des Lehrstoffes bewirken.