Wachstum Das Rätsel der Produktivitätsschwäche

Die Innovationen zur Zeit der Industriellen Revolution steigerten die Produktivität enorm. Heute nimmt unsere Leistungsfähigkeit trotz Internet und Industrie 4.0 nur noch langsam zu. Was steckt dahinter?

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Je innovativer die Ideen, desto effizienter die Arbeitsabläufe, desto produktiver die Wirtschaft. Dieser Zusammenhang hört sich logisch an. Unsere hochtechnisierten Industriegesellschaften, in denen es von Smartphones, Computern und Präzisionsmaschinen nur so wimmelt, müssten durch hohe Produktivität glänzen, sollte man meinen. Tun sie aber nicht.

Statt immer schneller zu wachsen, hat sich der Output je Arbeitsstunde in den USA, der führenden Volkswirtschaft der Welt, in den vergangenen Jahrzehnen drastisch verlangsamt. Das zeigen Studien des US-Ökonomen Robert Gordon, einem der bedeutendsten Wachstumsforscher der Welt.

Gordons Berechnungen zufolge waren die Produktivitätsschübe zur Zeit der Zweiten Industriellen Revolution (Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts) weitaus größer als die des Internetzeitalters.

Gordon führt dies darauf zurück, dass die damaligen Basisinnovationen wie die Elektrifizierung, die Ausstattung der Häuser und Wohnungen mit fließendem Wasser und die Erfindung des Verbrennungsmotors, eine deutlich größere Tragweite für die Arbeitsorganisation und das Leben der Menschen hatten als die Erfindung von Computern und Internet.

Produktivität wächst immer langsamer

Für die Zukunft ist Gordon ziemlich pessimistisch. Die Produktivitätszuwächse aus der Zeit der Zweiten Industriellen Revolution seien nicht wiederholbar, meint der US-Forscher. Neue Technologien wie 3D-Drucker, Roboter oder selbstfahrende Autos seien nicht annähernd so bahnbrechend wie die damaligen Erfindungen.

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von Claudia Tödtmann

Die Einführung von Scannerkassen im Einzelhandel zum Beispiel oder die Büroausstattung mit elektronischer Datenverarbeitung (EDV) waren zunächst zwar innovativ und produktivitätsfördernd. In den vergangenen zehn Jahren aber haben sich diese Technologien kaum noch verändert.

Zudem bremsen Gegenwinde die Produktivitätsentwicklung.  Dazu zählt Gordon die Alterung der Gesellschaft, die Mängel im Bildungssystem, die Einkommensungleichheit, die wachsende Verschuldung sowie die steigenden Umweltbelastungen.

Zuwachsraten werden kleiner

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf hat nun in einer aktuellen Studie untersucht, ob die von Gordon behaupteten Zusammenhänge auch für Deutschland gelten*. Gemeinsam mit Forschern der Universität Koblenz-Landau haben die IMK-Ökonomen dazu Daten des Statistischen Bundesamtes und der OECD Productivity Database ausgewertet.

Sie fanden heraus, dass das Produktivitätswachstum auch in Deutschland im Zeitverlauf deutlich nachgelassen hat. In den Jahren des Wirtschaftswunders von 1951 bis 1959 lag die durchschnittliche Zuwachsrate der Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen hierzulande noch bei  5,7 Prozent.

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Zwischen 2010 und 2015 betrug sie nur noch  0,7 Prozent. Zwar steigt die Arbeitsleistung der Deutschen je Kopf noch, doch die Zuwachsraten werden kleiner. „Die Verlangsamung des Produktivitätsfortschritts ist kein allein deutsches Phänomen“, schreiben die IMK-Forscher. Auch in anderen Industrieländern fiel das Wachstum der Arbeitsproduktivität mit weniger als einem Prozent in jüngeren Jahren deutlich schwächer aus als früher.

Deutschland punktet mit Bildungssystem

Die IMK-Forscher haben zudem untersucht, ob die Gegenwinde, die Gordon für die USA identifiziert, auch in Deutschland wehen und den Produktivitätszuwachs bremsen. Das Ergebnis: Die Überalterung der Bevölkerung, die mangelnde soziale Mobilität und die niedrigen öffentlichen Investitionen machen auch hierzulande der Produktivität zu schaffen.

Dagegen wirkt sich das deutsche Bildungssystem – anders als das amerikanische – positiv auf den Produktivitätsfortschritt aus. Die Einkommens- und Chancenungleichheit dämpft den IMK-Forschern zufolge in beiden Staaten gleichermaßen den Produktivitätszuwachs.

Bleibt nur zu hoffen, dass den führenden Köpfen dieser Zeit in den nächsten Jahren vielleicht doch noch große Durchbrüche bei den Innovationen gelingen. Eines jedenfalls hat die Vergangenheit auch gezeigt: Den technischen Fortschritt haben die Ökonomen meist unterschätzt.

* Herzog-Stein, A./Friedrich, B./Sesselmeier, W./Stein, U.: Wachstum und Produktivität im Gegenwind. Eine Analyse der Argumente Robert Gordons im Spiegel der deutschen Produktivitätsschwäche. In: IMK Report. Düsseldorf, März 2017.

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