Wachstum Das Rätsel der Produktivitätsschwäche

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Zuwachsraten werden kleiner

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf hat nun in einer aktuellen Studie untersucht, ob die von Gordon behaupteten Zusammenhänge auch für Deutschland gelten*. Gemeinsam mit Forschern der Universität Koblenz-Landau haben die IMK-Ökonomen dazu Daten des Statistischen Bundesamtes und der OECD Productivity Database ausgewertet.

Sie fanden heraus, dass das Produktivitätswachstum auch in Deutschland im Zeitverlauf deutlich nachgelassen hat. In den Jahren des Wirtschaftswunders von 1951 bis 1959 lag die durchschnittliche Zuwachsrate der Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen hierzulande noch bei  5,7 Prozent.

Siemens hat Festnetztelefone abgeschafft. Die Angestellten nutzen jetzt mobile Geräte. Keine große Sache, aber ein Schritt Richtung mobiles und flexibles Arbeiten. Und das macht Firmen erfolgreicher, zeigt eine Studie.

Zwischen 2010 und 2015 betrug sie nur noch  0,7 Prozent. Zwar steigt die Arbeitsleistung der Deutschen je Kopf noch, doch die Zuwachsraten werden kleiner. „Die Verlangsamung des Produktivitätsfortschritts ist kein allein deutsches Phänomen“, schreiben die IMK-Forscher. Auch in anderen Industrieländern fiel das Wachstum der Arbeitsproduktivität mit weniger als einem Prozent in jüngeren Jahren deutlich schwächer aus als früher.

Deutschland punktet mit Bildungssystem

Die IMK-Forscher haben zudem untersucht, ob die Gegenwinde, die Gordon für die USA identifiziert, auch in Deutschland wehen und den Produktivitätszuwachs bremsen. Das Ergebnis: Die Überalterung der Bevölkerung, die mangelnde soziale Mobilität und die niedrigen öffentlichen Investitionen machen auch hierzulande der Produktivität zu schaffen.

Dagegen wirkt sich das deutsche Bildungssystem – anders als das amerikanische – positiv auf den Produktivitätsfortschritt aus. Die Einkommens- und Chancenungleichheit dämpft den IMK-Forschern zufolge in beiden Staaten gleichermaßen den Produktivitätszuwachs.

Bleibt nur zu hoffen, dass den führenden Köpfen dieser Zeit in den nächsten Jahren vielleicht doch noch große Durchbrüche bei den Innovationen gelingen. Eines jedenfalls hat die Vergangenheit auch gezeigt: Den technischen Fortschritt haben die Ökonomen meist unterschätzt.

* Herzog-Stein, A./Friedrich, B./Sesselmeier, W./Stein, U.: Wachstum und Produktivität im Gegenwind. Eine Analyse der Argumente Robert Gordons im Spiegel der deutschen Produktivitätsschwäche. In: IMK Report. Düsseldorf, März 2017.

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