Wechselkurse Mr. Inflation und der weiche Dollar

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Privater Kapitalzufluss in die Schwellenländer

Mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze seien dadurch in den USA in den vergangenen zehn Jahren verloren gegangen. Kürzlich verabschiedete das US-Repräsentantenhaus daher ein Gesetz, dass es Präsident Barack Obama erlaubt, Strafzölle auf chinesische Importe zu erheben.

Bisher aber zeigen sich die Chinesen wenig beeindruckt. Statt den Yuan aufzuwerten, keilte Chinas Regierungschef Wen Jiabao vergangene Woche auf seiner Europareise zurück. Zwinge der Westen China, den Yuan aufzuwerten, seien „soziale und wirtschaftliche Turbulenzen in China“ programmiert. Das habe Ausstrahleffekte auf andere Länder und sei „ein Desaster für die ganze Welt“.

Doch das wahre Desaster ist eher, dass China und andere Länder in Asien und Lateinamerika ihre Währungen an den Dollar gebunden haben. Dadurch haben sie ein informelles Festkurssystem etabliert, das Ökonomen in Anlehnung an das 1971 gescheiterte System fester Wechselkurse Bretton Woods II getauft haben. Im krampfhaften Bemühen, den Wechselkurs des Yuan stabil zu halten, hat Peking riesige Devisenreserven von 2,5 Billionen Dollar angehäuft. Das Geld investiert Peking in amerikanische Staatsanleihen. In den vergangenen Jahren hat das Recycling der Interventionsdollar dazu beigetragen, die Zinsen am amerikanischen Kapitalmarkt nach unten zu drücken, und befeuerte so den Kreditboom.

Halten die Schwellenländer nun an dem Bretton-Woods-II-System fest, könnte dies zu einem globalen Inflationsschub führen. Um ihre Wechselkurse zu verteidigen, müssen die Staaten entweder die Zinsen senken oder die eigene Währung auf den Markt werfen. „Dadurch übernehmen die Schwellenländer die für sie viel zu expansive Geldpolitik der Fed, was zu Spekulationsblasen und Inflation führen wird“, warnt Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Langhammer empfiehlt den Schwellenländern daher, die Wechselkurse allmählich freizugeben.

Comeback des Euro

Das würde auch den Euro entlasten. Im Zuge der Griechenlandkrise war die Gemeinschaftswährung schon tot gesagt worden. Nun erlebt sie, obgleich durch den milliardenschweren Rettungsschirm und die Abkehr vom Stabilitätspakt strukturell geschwächt, ein fast schon skurriles Comeback. Ihr Anteil an den weltweiten Währungsreserven lag zuletzt bei 27,2 Prozent, Tendenz steigend. Vergangene Woche übersprang der Wechselkurs kurzzeitig wieder die Marke von 1,40 zum Dollar. Berechnungen der französischen Bank Société Générale zeigen: Wertet der Euro dauerhaft um zehn Prozent auf, schmälert dies das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone im ersten Jahr nach der Aufwertung um 0,5 bis 1,0 Prozent.

Daher kann es nicht verwundern, dass Jean-Claude Trichet, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), nervös wird. Überzogene Kursschwankungen und ungeordnete Kursbewegungen wirkten sich negativ auf die Wirtschafts- und Finanzstabilität aus, mahnte er vergangene Woche. Ein starker Dollar sei im Interesse der USA. Zugleich ermahnte er China, sich an die im Juni zugesagte Reform der Währungspolitik zu halten, die eine allmähliche Aufwertung des Yuan vorsieht.

Trichets Sorgen sind berechtigt: Schicken die USA den Dollar auf Talfahrt, indem sie die Notenpresse anwerfen, und stemmen sich andere Länder gegen den Aufwertungsdruck, entlädt dieser sich voll auf den Euro. Die Société-Générale-Ökonomen halten es daher für möglich, dass der Euro gegenüber anderen Währungen demnächst um rund 20 Prozent aufwertet, sollten diese am Devisenmarkt intervenieren und die EZB darauf verzichten, Euro gegen Dollar auf den Markt zu werfen. Zum Dollar würde der Euro dann auf 1,65 steigen – ein Horrorszenario für die exportlastige deutsche Wirtschaft, die sich bisher noch mit dem moderat steigenden Euro arrangieren kann.

Spätestens dann dürfte der Druck auf die EZB wachsen, sich an der internationalen Interventionsparty zu beteiligen – ein Freibrief für Inflation.

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