Weltwirtschaft So entwickeln sich die wichtigsten Volkswirtschaften

Die globale Geldschwemme zeigt Wirkung: In den großen Volkswirtschaften zeichnet sich Wachstum ab. Wer mit neuer Dynamik glänzt und wo es auch für uns kritisch werden kann.

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Fahne der USA Quelle: dpa

Von A. Hennersdorf, P. Mattheis, M. Fritz, A. Busch, F. Willershausen, K. Finkenzeller, A. Grüttner, Y. Esterházy, U. Sauer und G. Höhler

USA

Die USA glänzen zum Ende des Jahres mit neuer Dynamik. Im November stiegen in der größten Volkswirtschaft der Welt die Einzelhandelsumsätze, die Arbeitslosenquote sank auf sieben Prozent. Der Immobilienmarkt erholt sich stetig, die Energiekosten bleiben günstig, die Inflation niedrig. Das ist positiv, aber noch kein Grund zum Aufatmen. Denn auf das Gesamtjahr 2013 gerechnet, bleibt ein mageres Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent.

Doch die jüngsten konjunkturellen Entwicklungen geben Hoffnung, dass es 2014 stärker aufwärts geht. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat ihren Ausblick von 2,6 auf 2,8 Prozent Wachstum nach oben korrigiert. Vor allem Unternehmen haben sich in diesem Jahr trotz guter Gewinne, niedriger Zinsen und massiver Geldspritzen der US-Zentralbank mit Investitionen zurückgehalten. Im dritten Quartal lag die Investitionsquote gerade einmal um 1,6 Prozent über dem Wert des Vorjahresquartals. Grund dafür waren die chaotische fiskalpolitische Lage in Washington und die Unsicherheit darüber, wie es mit der Geldpolitik der Notenbank weitergehen wird.

Bei den Konsumenten, wichtigste Stütze der US-Konjunktur, drückten steuerliche Belastungen auf die Stimmung. US-Verbraucher mussten in diesem Jahr im Rahmen der Einsparungen im Haushalt Steuererhöhungen von insgesamt 200 Milliarden Dollar und Kürzungen bei den Sozialleistungen hinnehmen. Um magere 1,9 Prozent legte der Konsum in den ersten drei Quartalen zu.

USA

Anfang Oktober belastete der 16 Tage dauernde Shutdown der Regierung die Konjunktur. Tausende Angestellte in Bundesbehörden mussten in den Zwangsurlaub, weil sich Demokraten und Republikaner weder auf einen Haushalt noch auf die Erhöhung des gesetzlichen Schuldenlimits einigen konnten. Im Februar könnte der Streit um die Erhöhung des Schuldenlimits im US-Kongress erneut losgehen. Immerhin überraschte Washington im Dezember mit einer Einigung für einen zweijährigen Haushaltsplan. So sind Zwangskürzungen in Höhe von 65 Milliarden Dollar abgewendet, die vor allem das US-Militär getroffen hätten. Stattdessen laufen nun Hilfen für rund 1,3 Millionen Langzeitarbeitslose aus, staatliche Bedienstete müssen mehr für ihre Altersvorsorge zahlen, und die Sicherheitsgebühren auf Flugtickets steigen.

Mit der Einigung im Haushaltsstreit und der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt rückte die Geldpolitik der US-Notenbank in den Fokus. Am 18. Dezember hat Notenbankchef Ben Bernanke angekündigt, den Kauf von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren von bislang monatlich 85 Milliarden Dollar ab Januar auf 75 Milliarden Dollar zurückzufahren. Dieser Schritt war an den Märkten lange erwartet worden. Den Leitzins, kündigte der noch bis Ende Januar amtierende Fed-Chef weiter an, werde die Fed weiterhin bei nahezu null Prozent halten, bis die Arbeitslosenquote auf 6,5 Prozent gesunken sei. Aber auch diese Zielmarke rückt in greifbare Nähe. Im Juni war für kurze Zeit Panik an den Märkten ausgebrochen, nachdem der noch amtierende US-Zentralbankchef Ben Bernanke den Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik nur angekündigt hatte. Nachfolgerin Janet Yellen muss es jetzt gelingen, den Fuß so langsam vom Gaspedal zu nehmen, dass Schockwellen an den Börsen ausbleiben und die sich erholende Konjunktur keinen Schaden nimmt.

China

China macht sich bereit für den großen Umbau seiner Wirtschaft. Die chinesischen Medien sprechen bereits von „historischen Reformen“. Gemeint sind die Beschlüsse der Dritten Plenarsitzung Mitte November, die selbst die Hoffnungen liberaler Reformer übertroffen haben. Eine Änderung des wirtschaftspolitischen Kurses ist auch dringend notwendig: 7,7 Prozent, schätzt die OECD, ist Chinas Wirtschaft 2013 gewachsen, 0,2 Prozentpunkte mehr als die Zielvorgabe aus Peking. Doch nach wie vor generiert China zu viel Wachstum aus Investitionen und zu wenig aus dem Konsum der Haushalte. Die mächtigen Staatsbetriebe, die für rund ein Drittel der Wirtschaftsleistung verantwortlich sind, hemmen Innovationen und fördern Korruption und Ineffizienz. Um die Wirtschaft zu transformieren, will Peking bis 2020 unter anderem die Macht der staatlichen Riesen beschränken und die Zinsen sowie den Handel mit dem Yuan freigeben. Das soll den Konsum antreiben, der bisher nur rund ein Drittel zum Wirtschaftswachstum beiträgt.

„Wir treten in eine Periode geringeren, dafür aber ausgewogeneren Wachstums ein“, sagt Raymond Ma, Manager beim Investmentfonds Fidelity. Davon profitieren Unternehmen, die sich an die immer kaufkräftigeren Konsumenten wenden. Der HSBC-Einkaufsmanagerindex signalisiert mit einem Wert von 50,9 im Oktober Optimismus. Die Analysten von IHS Global Insight rechnen im kommenden Jahr mit acht Prozent Wachstum. Zugleich macht der Immobilienboom dem Land zu schaffen. Da Chinesen kaum Anlagemöglichkeiten haben, fließt immer mehr Geld in den Wohnungsbau. Zuletzt stiegen die Preise in Shanghai, Peking und Guangzhou um bis zu 20 Prozent. „Ein Einbruch in diesem Markt würde die verschuldeten Lokalregierungen in noch größere Probleme bringen und eine Finanzkrise auslösen“, sagt IHS-Experte Brian Jackson.

China

Denn die Verschuldung der Lokalregierungen hat in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Wie hoch sie ist, weiß niemand genau. Die jüngste offizielle Zahl stammt aus dem Jahr 2010: Damals standen die Provinzen mit rund 1,3 Billionen Euro in der Kreide. Wie viel Geld sich die Provinzfürsten auf dem grauen Kreditmarkt geliehen haben, ist ebenfalls ungewiss. Mittlerweile ist in China ein gigantischer Schattenbankensektor herangewachsen. Schätzungen über die Umlaufhöhe reichen von 1,7 bis 4,5 Billionen Euro. Die Sucht nach frischen Krediten hat zu einem ungesunden Kreislauf geführt. Immer mehr Geld ist notwendig, um dasselbe Wachstum zu erreichen. Sorgen bereitet auch die Kapazitätsauslastung. Zwar stieg die Industrieproduktion im ersten Halbjahr um 9,3 Prozent. Im November aber lag die Auslastung bei 78 Prozent – der niedrigste Wert seit 2009.

All das sind Spätfolgen des Konjunkturpakets von 2009. Ein neues Konjunkturpaket steht daher nicht zur Debatte. Zumindest die als Ursache für Unruhen gefürchtete Inflation scheint gebannt: Um 2,7 Prozent stiegen die Verbraucherpreise 2013. Gleichzeitig dürften Pekings neue Machthaber alles daransetzen, eine harte Landung der Wirtschaft zu vermeiden. Chinas Wirtschaftswachstum wird also in kleinen Schritten schrumpfen, wenn alles nach Plan verläuft. Denn ob Xi Jinping und Premierminister Li Keqiang alle Reformen umsetzen können, ist fraglich: Zu eng sind Staatsunternehmen und politische Führungselite verflochten.

Japan

Japans Konjunkturparty dürfte 2014 mit einem Wachstum von knapp zwei Prozent weitergehen. Allerdings wird die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal relativ stark schrumpfen, da die Mehrwertsteuer ab Anfang April um drei Punkte auf acht Prozent steigt. Daher haben viele Konsumenten große Anschaffungen wie Autos, Möbel und Häuser vorgezogen. „Dies trübt die Zukunftsaussichten leicht ein“, warnt Nord/LB-Analyst Stefan Große. Jedoch sollte ein Konjunkturpaket von 39 Milliarden Euro den negativen Konsumeffekt der Steuererhöhung abfedern.

Daher dürfte Japan neben den USA 2014 zu den globalen Konjunkturlokomotiven zählen. Zum einen sollten japanische Exporteure von der global anziehenden Nachfrage, insbesondere auch auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt USA, profitieren. Zum anderen setzt die Regierung ihre Wirtschaftsstrategie der Abenomics fort – eine Mixtur aus extrem lockerer Geldpolitik und höheren Staatsausgaben. Das Wachstum stimulierende Reformen sollen diesen Kurs absichern.

Japan-Stratege Nathan Gibbs vom britischen Fondsmanager Schroders hält dagegen die Überwindung der Deflation für den wichtigsten Faktor. Die Bank of Japan wird wohl spätestens in der zweiten Jahreshälfte die Geldschleusen noch weiter öffnen, um ihr Inflationsziel von zwei Prozent bis 2015 zu erreichen. In der Folge sollte der Yen weiter abwerten und den Exportfirmen steigende Gewinne bescheren.

Japan

Dazu passt, dass Japans Arbeitgeber und Gewerkschaften im Frühjahr über die ersten Lohnerhöhungen seit der Finanzkrise verhandeln wollen. Einige Konzerne wie Hitachi und Toyota wollen die Basislöhne als Inflationsausgleich um ein Prozent anheben.

An der Reformfront dagegen sind keine spektakulären Durchbrüche zu erwarten. Der erwartete Abschluss der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen der Pazifik-Anrainerstaaten wird Japans Wirtschaft mittelfristig am meisten stärken. In mehreren Sonderwirtschaftszonen will die Regierung zudem die Deregulierung erproben. Doch in der Ministerialbürokratie sitzen viele Bremser.

Das größte Risiko 2014 ist eine Eskalation des Inselstreits mit China. Die japanische Wirtschaft ist inzwischen so eng mit dem einstigen Erzfeind verzahnt, dass erneute Unruhen in China die Konjunktur ziemlich beschädigen dürften.

Martin Fritz

Brasilien und Russland

China, Brasilien, Russland und Indien waren lange Zeit die Shootingstars der Weltwirtschaft. Doch nun schwächeln die erfolgsverwöhnten Schwellenländer. Das hat auch Folgen für Deutschland.

Brasilien

Brasiliens Konjunkturaussichten trüben sich ein. Nachdem das Statistische Amt im dritten Quartal schrumpfende Konjunkturzahlen registrierte, korrigierten mehrere Institute ihre ohnehin mageren Wachstumsprognosen weiter herunter. Problematisch ist, dass vor allem die Investitionen in Maschinen und Anlagen nachlassen. Auch der aktuelle Investitionszyklus in der Infrastruktur geht möglicherweise seinem Ende entgegen; in der Landwirtschaft lassen die Investitionen ebenfalls nach.

Der starke Konsum kann dies alles nicht ausgleichen. Für die Unternehmen sind gestiegene Finanzierungskosten sowie die hohe Inflation Gründe, sich zurückzuhalten. Auch der schwache Real treibt die Preise. Seit April hat die Zentralbank deshalb begonnen, den Leitzins zu erhöhen.

Brasilien

Das grundlegende Problem der brasilianischen Wirtschaft: Sie scheint nicht in der Lage zu sein, mehr als zwei Prozent im Jahr zu wachsen, ohne dass die Inflation schlagartig zulegt. Denn trotz der stagnierenden Wirtschaft bewegt sich die Arbeitslosigkeit auf einem historisch niedrigen Niveau. Daher erhöht jeder Wachstumsschub sofort die Faktorkosten für Kapital wie Arbeit.

Positiv auf das Wachstum könnten sich die erfolgten Ausschreibungen bei Ölfeldern und Flughäfen sowie die Fußballweltmeisterschaft auswirken.

Russland

Optimismus in großen Portionen hatte die russische Regierung verteilt, ehe sie sich vor einem Jahr in ihren ausgedehnten Neujahrsurlaub abmeldete: Um 3,7 Prozent werde die Wirtschaft in 2013 wachsen. Weniger zwar als vor der Krise 2008 – damals legte das russische BIP im Schnitt um sieben Prozent pro Jahr zu –, aber eben doch ein deutliches Plus. Im Jahresverlauf allerdings musste das Wirtschaftsministerium die Prognosen mehrfach nach unten korrigieren; zuletzt ging man im November von 1,4 Prozent Wachstum aus. Für ein Land, das wie China oder Indien einen gewaltigen Investitions- und Modernisierungsbedarf aufweist, ist das zu wenig – und es gibt nicht wenige Stimmen in Moskau, die Russland in eine dauerhafte Rezession schlittern sehen.

Jedenfalls wächst das Land kaum noch. Die Daten zur Industrieproduktion bewegten sich in den Statistiken von Januar bis einschließlich Oktober praktisch nicht vom Fleck, der Außenhandel Russlands schrumpfte sogar um 0,7 Prozent zum Vorjahreszeitraum. In der Ausfuhrbilanz spielen wie eh und je die Rohstoffe eine Hauptrolle, wogegen nur 3,4 Prozent der exportierten Produkte Maschinen oder Anlagen sind. Die Abhängigkeit von den Schwankungen der Rohstoffpreise hat die russische Regierung nicht reduzieren können.

Russland

Im Herbst schlug Premierminister Dmitri Medwedew Alarm. Er kritisierte die überzogene Rolle des Staates in der heimischen Wirtschaft, die die Entwicklung eines leistungsfähigen Privatsektors jenseits der Öl- und Gasindustrie verhindert. „Ich meine, dass der Schutz des Privateigentums und der Wettbewerb ohne Zweifel unsere politischen Prioritäten bleiben sollten“, so der Liberale im Team von Kremlchef Wladimir Putin. Der Regierungschef kündigte umfangreiche finanzielle Unterstützung für kleinere und mittlere Unternehmen an.

Ob dies reicht, um Russland auf Wachstumskurs zu bringen, ist zu bezweifeln. Im Kern leidet das Land an einem miserablen Investitionsklima: Trotz eines attraktiven Markts fließt das meiste verdiente Geld ab, statt reinvestiert zu werden. Enteignungen und Prozesse gegen Manager lassen kein Vertrauen in die Rechtssicherheit aufkommen. Die Rechtsprechung müsste verbessert, Korruption und Bürokratie bekämpft werden – aber da traut sich die russische Elite nicht heran. Wohl auch, weil der Status quo viel zu lukrativ für die bequemliche Führung des Landes ist.

Frankreich

Nun hat auch EZB-Chef Mario Draghi den mangelnden Reformeifer in Frankreich kritisiert, doch dieser dürfte sich 2014 auf ein Minimum beschränken. Belehrungen aus Brüssel, Berlin oder Frankfurt könnten zudem dazu führen, dass bei den Kommunalwahlen im März und bei den Wahlen zum europäischen Parlament im Mai extreme Parteien am rechten und linken Rand profitieren.

Nach Einschätzung der EU-Kommission wird Frankreichs Wirtschaft 2014 zwar um 0,9 Prozent wachsen, die Neuverschuldung jedoch 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Im Jahr darauf rechnet Brüssel ebenfalls mit einer Defizitquote von 3,8 Prozent – wenn die derzeitige Politik beibehalten wird. Zur Erinnerung: Brüssel hatte Frankreich im Mai zwei Jahre mehr Zeit eingeräumt, um das Haushaltsdefizit wieder unter die für die Euro-Länder obligatorische Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken.

Weitere Sparmaßnahmen im öffentlichen Haushalt und Steuererhöhungen haben jedoch einen politischen Preis. Das haben die jüngsten Unruhen in der Bretagne gezeigt. Eine Abkehr von der 35-Stunden-Woche und eine – gerade in der Tourismusmetropole Paris vielversprechende – Ausweitung der Öffnungszeiten im Handel auf den Sonntag wären zwar nach Einschätzung von Experten Maßnahmen, um das Wachstum anzukurbeln. Beides gilt allerdings als Anschlag auf „droits acquis“, also auf einmal errungene Rechte, die in Frankreich denselben Stellenwert wie die UN-Menschenrechte zu haben scheinen.

Frankreich

Wenig überraschend ist daher der unter französischen Unternehmern verbreitete Pessimismus. 82 Prozent der Befragten geben an, sie hätten kein Vertrauen in die französische Wirtschaft. 44 Prozent erwarten, dass 2014 ein schlechteres Jahr wird als 2013. Entsprechend niedrig ist die Investitionsbereitschaft. Nach einem Rückgang der Ausgaben um sieben Prozent in diesem Jahr werden Industrieunternehmen laut einer Untersuchung des staatlichen französischen Statistikamtes Insee 2014 ihre Investitionen um weitere zwei Prozent reduzieren. Während die Industrie in der Euro-Zone insgesamt nach der Krise allmählich wieder Fahrt aufnimmt, kann Frankreich nicht mithalten: Die Industrie dort schrumpft schneller als die in Spanien oder Griechenland und erwirtschaftet nur noch elf Prozent des BIPs. Steuergutschriften, mit denen die sozialistische Regierung die Last der hohen Arbeitskosten abfedern wollte, fördern eher den öffentlichen Dienst als private Unternehmen. Da die Höhe der Gutschriften sich nach der Zahl der Mitarbeiter bemisst, die weniger als das 2,5-Fache des Mindestlohns verdienen, gehen Mittelständler mit hoch qualifizierten – und gut bezahlten – Fachkräften meist leer aus. Kaum Entspannung gibt es deshalb auch für den Arbeitsmarkt. 46 Prozent der Kleinunternehmen planen 2014 keine Neueinstellungen. Dabei stellen diese – Landwirtschaft und Finanzinstitute ausgenommen – 96,8 Prozent aller Unternehmen und 52 Prozent der Arbeitsplätze.

Nach der Bekanntgabe der vorläufigen Arbeitslosenzahlen für Oktober jubelten Staatschef François Hollande und seine Regierung, die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt sei erreicht. Das stimmte allerdings nur, sofern das Kleingedruckte ignoriert wurde. Der Rückgang um 20 500 Arbeitssuchende im Vergleich zum Vormonat war vor allem auf die Vermittlung von Jugendlichen in sogenannte „Zukunftsverträge“ zurückzuführen. Dabei zahlt der Staat drei Viertel des Bruttolohns. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen und insbesondere derer im Alter von über 50 stieg dagegen weiter an. Davon sind inzwischen mehr als zwei Millionen Menschen betroffen. Brüssel, die Industrieländerorganisation OECD und der Internationale Währungsfonds (IWF) gehen in ihren Prognosen deshalb davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in Frankreich auch 2014 weiter steigen wird. Es gäbe viel zu tun, aber die Regierung von Premier Hollande wartet lieber ab.

Spanien und Portugal

Spanien

Spaniens Wirtschaft ist im dritten Quartal mit 0,1 Prozent erstmals seit Anfang 2011 wieder leicht gewachsen. Die Chancen stehen gut, dass sich das Wachstum über die kommenden Monate langsam steigert. Die große Frage ist, wie langsam?

Hauptmotor des Wachstums ist der Export. Spanien führte dieses Jahr Güter und Dienstleistungen im Wert von rund 350 Milliarden Euro aus, eine „wirklich historische Zahl“, weiß Handelsstaatssekretär Jaime García-Legaz. Das entspricht 34 Prozent des BIPs. Doch der Außenhandel allein kann die Wirtschaft und vor allem die Beschäftigung nicht ausreichend ankurbeln.

Immerhin schrumpfte auch die Binnennachfrage im dritten Quartal weniger als zuvor. Der Konsum der privaten Haushalte wies von Juli bis September sogar ein Plus auf. Die Arbeitslosenquote sank minimal, jedoch auf ein weiterhin sehr hohes Niveau von 26 Prozent. Die Analysten von Barclays erwarten „nicht, dass die Nettobeschäftigung vor Ende 2014 signifikant wachsen wird“.

Noch ist die Binnennachfrage labil, wie zuletzt der Einkaufsmanagerindex zeigte: Der vom Institut Markit erhobene Index sank im November wieder auf 48,6 gegenüber 50,9 im Oktober. Die Bestellungen für Exporte seien zwar im November erneut gestiegen, „aber das reichte nicht, um die gesamten Bestellungen ins Positive zu heben“, weiß Andrew Harker von Markit.

Wie es weitergeht, hängt vor allem von den öffentlichen Finanzen und den Banken ab. Das Haushaltsdefizit muss dieses Jahr 6,5 Prozent des BIPs erreichen, 2014 stehen nach Schätzung von Barclays Capital strukturelle Einsparungen um 0,8 Prozent des BIPs an. Das wird nicht einfach, meint Xavier Mena, Ökonom an der Managementschule ESADE: „Die Steuereinnahmen sind weiterhin gering.“

Spanien

Die Banken haben zwar 2012 die Krise der Immobilienkredite weitgehend verdaut. Doch steigen die faulen Kredite vor allem im Segment der mittelständischen Unternehmen weiter an. 2014 stehen die Stresstests und Bilanzprüfungen der EZB an. Spanische Banken, deren Bilanzen gerade unter der Ägide der Troika gründlich durchleuchtet wurden, sollten dabei grundsätzlich keine Probleme haben. Doch die Kreditinstitute scheuen das Risiko. Unter knappen und teuren Krediten leiden daher auch solvente Kleinunternehmen und Mittelständler.

Die Kreditklemme könnte teilweise durch Direktinvestitionen ausgeglichen werden. „Über die letzten zwölf Monate haben die Zuflüsse fast 0,7 Prozent des BIPs erreicht, was zwar nur die Hälfte des Vorkrisenniveaus ist, aber das zweithöchste Niveau in der Euro-Zone – nach Irland“, wissen die Experten von Barclays Capital.

Die Wachstumsprognosen für 2014 schwanken zwischen 0,7 Prozent (spanische Regierung) und 0,2 Prozent (IWF). Die internationalen Investmenthäuser sind teilweise deutlich optimistischer. Einig sind sich alle: Es geht aufwärts.

Portugal

Für die Portugiesen steht in den ersten Monaten des Jahres 2014 viel auf dem Spiel. Portugals dreijähriges EU-Kreditprogramm läuft Mitte 2014 aus, und Anfang des Jahres muss die Kreditgeber-Troika aus EU, IWF und EZB zusammen mit der Regierung in Lissabon entscheiden, ob das Land weitere Hilfen braucht.

Portugal

Portugal hat durch die politische Krise im Sommer Vertrauen verloren. Nach dem Rücktritt des von den Euro-Kollegen geschätzten Finanzministers Vítor Gaspar im Juni hatten sich Premierminister Pedro Passos Coelho und sein liberaler Junior-Koalitionspartner beinahe entzweit. Zwar zeigt sich die Koalition mittlerweile wieder demonstrativ vereint hinter dem Anpassungsprogramm der Troika. Doch eine gewisse Skepsis der Märkte ist geblieben. Die Ratingagentur Moody’s verbesserte unlängst immerhin den Ausblick für Portugals Bonität von negativ auf stabil. Die Ratingagentur geht davon aus, dass Portugal als vertrauensbildende Maßnahme eine vorbeugende Kreditlinie vom ESM beantragen wird. Die hätte ein oder zwei Jahre Laufzeit, wäre erneut an Bedingungen geknüpft und würde nur im Notfall aktiviert.

Viel hängt davon ab, ob Portugals Wirtschaft sich so entwickelt wie prognostiziert. Im dritten Quartal gab es zum zweiten Mal in Folge ein Wachstum, wenn auch nur von zarten 0,2 Prozent. Die Troika verbesserte ihre Prognose für das Gesamtjahr gerade auf minus 1,8 Prozent. Für das kommende Jahr sind sich die Ökonomen der Notenbank einig mit der Troika und der Regierung: 2014 soll die portugiesische Wirtschaft wieder um 0,8 Prozent wachsen.

Italien

Der Abschwung ist gestoppt. Italiens Rezession neigt sich nach acht Quartalen endlich dem Ende zu. Das ist aber nur ein schwacher Trost kurz vor Jahresschluss. Denn sowohl die Lage am Arbeitsmarkt als auch bei der Kreditvergabe verschlechtert sich von Monat zu Monat. Die Rate der Jobsuchenden erreichte im Oktober den Rekordstand von 12,5 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit sprang auf 41 Prozent. Eine Million Italiener unter 30 Jahren suchen vergeblich eine Beschäftigung. Das Land leide unter „einer tiefen sozialen Krise und den schrecklichen Nachwirkungen der Rezession“, sagte Regierungschef Enrico Letta kürzlich. Was er nicht erwähnte: Besserung ist vorerst nicht in Sicht.

Immerhin, als letztes europäisches Krisenland lässt nun auch Italien die Talsohle hinter sich. Im dritten Quartal wurde der Rückgang gestoppt, die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone gratuliert sich zum Nullwachstum. „Import, Export und Industrieproduktion ziehen an. Der Weg ist noch lang, aber die Richtung stimmt“, twitterte Finanzminister Fabrizio Saccomanni. Gegenüber dem Vorkrisenstand 2008 hat Italien 9,1 Prozent seiner Wirtschaftskraft eingebüßt.

Eigentlich hätte 2013 die Wende bringen sollen. Nach dem harten Sanierungskurs unter Notstandspremier Mario Monti, der einen Staatsbankrott abwenden half und das EU-Strafverfahren wegen des übermäßigen Defizits beendete, waren Reformen angesagt. Doch die große Koalition Lettas, eine Verlegenheitslösung zur Überwindung der Pattsituation nach den Parlamentswahlen im Februar, erwies sich als nicht handlungsfähig. Die Blockade hat dafür gesorgt, dass Italien bei der wirtschaftlichen Wende sogar gegenüber anderen Krisenländern wie Spanien ins Hintertreffen geriet. Nun muss Letta nach dem Ausscheiden von Silvio Berlusconis Partei Forza Italia aus der Koalition einen Neustart der Regierung versuchen. Die Hoffnungen liegen dabei auch auf seinem neuen Parteichef Matteo Renzi, der als Reformer gilt. „2014 wird ein Jahr des Übergangs“, sagt Paolo Mameli, Chefökonom der Mailänder Großbank Intesa. Nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,9 Prozent im laufenden Jahr rechnet Mameli im kommenden mit 0,5 Prozent Wachstum. Auch die EU-Kommission und der IWF erwarten mit 0,7 Prozent nur ein wenig mehr von Italien.

Italien

Die Erholung wird in jedem Fall nicht das Ergebnis wirtschaftspolitischer Anstrengungen sein. Sie resultiert aus dem Anziehen der internationalen Nachfrage nach italienischen Gütern. Positiv wirkt sich auch aus, dass der Staat begonnen hat, seit Jahren unbezahlte Rechnungen zu begleichen. Ende November waren 16,3 Milliarden Euro in die Unternehmenskassen geflossen. Bis Ende 2014 sollen insgesamt 50 Milliarden Euro Altschulden bezahlt werden.

Die Euro-Partner im Norden schreckt am meisten der zu erwartende Anstieg der exorbitant hohen italienischen Schuldenquote von 132,7 Prozent. Ohne Haushaltskorrekturen droht sie 2014 auf 133,2 Prozent anzuwachsen. Entscheidend wird deshalb die Frage sein, wie sich das Vertrauen der Märkte in Italien entwickelt. Wenn sich das Land in der Ruhe eines gemächlichen Wachstum neu aufstellen kann, stehen die Chancen gut, dass auch in Europas bedrohlichsten Krisenherd die Hoffnung zurückkehrt.

Ulrike Sauer

Griechenland

Die Talfahrt war lang und steil. Ein Viertel seiner Wirtschaftskraft hat Griechenland seit 2009 eingebüßt. Die fünfjährige Rezession trieb die Arbeitslosenquote auf 28 Prozent und schmälerte die Realeinkommen um 38 Prozent. Aber 2014 soll es endlich wieder aufwärtsgehen, verspricht Premierminister Antonis Samaras seinen geplagten Landsleuten. Die Athener Regierung und die EU-Kommission erwarten im kommenden Jahr ein Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent. Bereits 2013 dürfte die griechische Wirtschaft weniger stark geschrumpft sein als zunächst erwartet. Statt 4,2 Prozent wird das Minus wahrscheinlich knapp unter vier Prozent betragen.

Deutlich übertroffen hat Griechenland die Prognosen bei der Haushaltskonsolidierung. Statt veranschlagter vier Prozent betrug das Defizit im Budget nach vorläufigen Berechnungen nur 2,2 Prozent des BIPs. Damit erfüllte Griechenland erstmals seit dem Beitritt zur Euro-Zone die Drei-Prozent-Defizitvorgabe des EU-Stabilitätspaktes.

Griechenland

Noch 2009 lag Griechenlands Defizitquote bei schwindelerregenden 15,6 Prozent. Den eigentlich erst für das kommende Jahr erwarteten Überschuss in der Primärbilanz, die den Schuldendienst ausklammert, wird Griechenland bereits für 2013 ausweisen. Die Konsolidierungsleistung ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass sie vor dem Hintergrund einer schweren Rezession erzielt wurde.

Angel Gurria, Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), spricht von einer „spektakulären Wende“. Hinter den Vorgaben bleiben die Griechen bei den Strukturreformen: Ob Stellenstreichungen im Staatsdienst, Steuerreform oder Privatisierungen – es hakt fast überall.

Größtes politisches Problem des Landes bleibt die immense Arbeitslosigkeit, die allenfalls um einen Prozentpunkt sinken dürfte. Auch die Schuldenquote soll nur leicht von 175,5 auf 174,8 Prozent des BIPs sinken. Fazit: Griechenland macht zwar Fortschritte, über den Berg ist das Land aber noch nicht.

Gerd Höhler

Großbritannien und Irland

Großbritannien

Nach fünf schwierigen Jahren geht es in Großbritannien schneller aufwärts als erwartet, aber der Aufschwung könnte eine Scheinblüte sein. 2014 soll die britische Wirtschaft um 2,4 Prozent zulegen, prognostiziert das Haushaltsbüro OBR, das noch im März lediglich ein Plus von 1,8 Prozent vorhergesagt hatte. Großbritannien würde damit stärker wachsen als die restliche Euro-Zone und die anderen G7-Staaten. Sogar den europäischen Musterknaben Deutschland würden die Briten damit in den Schatten stellen.

Das spült der Regierung zusätzliches Geld in die Kassen, sie muss nun weniger Schulden am Markt aufnehmen. Doch es hilft nichts, die Briten werden weiter sparen müssen. Das Haushaltsdefizit dürfte 2013 zwar fallen, liegt mit den erwarteten 6,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aber immer noch viel zu hoch.

Großbritannien

Zudem hat der Konjunkturaufschwung Schönheitsfehler. Die Wirtschaftsleistung ist immer noch geringer, als sie es vor dem Ausbruch der Finanzkrise war. Außerdem wird das Plus bisher vor allem vom privaten Konsum und Immobilienboom rund um London – also den altbekannten Wachstumstreibern – befeuert. Bei Produktivität, Investitionen und Export sieht es weiterhin düster aus. Die Erholung könnte deshalb schon bald verpufft sein.

Die Bank of England will die Leitzinsen deshalb nicht anheben. Dabei befinden sich die bereits seit März 2009 auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent. Auch das Anleiheankaufprogramm im Volumen von insgesamt 375 Milliarden Pfund tasteten die Währungshüter bislang nicht an. Notenbankchef Mark Carney hatte im August verkündet, eine Zinssenkung werde erst erwogen, wenn die Arbeitslosenquote von derzeit 7,6 auf 7,0 Prozent fallen sollte. Denkbar ist nun, dass diese Marke schon 2015 und nicht erst im Herbst 2016 erreicht wird, wie bisher angenommen. Die BoE will die Exzesse am Immobilienmarkt kurzfristig nicht mit Mitteln der Geldpolitik, sondern durch Streichung der öffentlichen Subventionen für Hypothekenkredite bekämpfen.

Irland

Irland

Irland steht die größte Bewährungsprobe seit einem Jahrzehnt bevor. Eisernes Sparen und die Einhaltung der Troika-Vorgaben haben das Land zum Vorbild für die anderen EU-Sorgenkinder gemacht. Die nächsten Monate werden aber zeigen, ob Irland sich zu viel zugemutet hat, als es beschloss, den Rettungsschirm Mitte Dezember ohne eine Notfall-Kreditlinie zu verlassen.

Zwar verfügt das Land über ein Finanzpolster von mehr als 20 Milliarden Euro und kann damit theoretisch ganz 2014 überstehen. Doch Dublin will schon bald testen, ob es sich an den Kapitalmärkten wieder neues Geld besorgen kann.

Kritisch wird der EU-Bankenstresstest werden, denn die irischen Banken stufen derzeit mehr als 26 Prozent ihrer Hypothekenkredite als notleidend ein. Die Ratingagentur Moody’s warnt, Irlands Banken seien gefährdet, beim Stresstest durchzufallen. Mit 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat Irland auch 2014 eines der höchsten Defizite in der Euro-Zone, bis 2015 soll dieser Wert auf 2,9 Prozent sinken, so muss weiter gespart werden

Um den Schuldenstand von rund 123 Prozent des BIPs abzubauen, ist langfristiges Wachstum erforderlich. Für 2014 wurde die offizielle Prognose allerdings bereits von 2,4 Prozent auf 1,8 Prozent revidiert. Die Arbeitslosenquote fiel zwar mittlerweile von knapp 15 Prozent auf 12,8 Prozent, ist damit aber immer noch viel zu hoch.

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