Wichtige Themen bei der EZB-Ratssitzung Die Angst vor dem T-Wort

Zieht Draghi die Zügel an? Auf seiner heutigen Pressekonferenz muss sich der EZB-Chef auf Fragen zum Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik gefasst machen. Einige Händler fühlen sich an das US-Börsenbeben 2013 erinnert.

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Was verrät der Zentralbankchef über die weiteren Pläne der Notenbank? Quelle: Reuters

Frankfurt Mario Draghi kann derzeit etwas durchatmen. Die heftige Kritik am Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) nach den kontroversen Entscheidungen der Notenbank im März ist abgeflaut – dazu hat auch sein Besuch im deutschen Bundestag beigetragen. Lange aber dürfte die Ruhe nicht anhalten.

Denn Draghi kommt nicht um konfliktträchtige Entscheidungen herum. Dabei dreht sich alles um die Frage: Wie geht es mit den billionenschweren Anleihekäufen der EZB weiter? Dies wird auch die Ratsmitglieder der Notenbank auf ihrer heutigen Sitzung. Aktuell kauft die EZB für monatlich 80 Milliarden Euro vor allem Staatsanleihen der Euro-Länder. Die Käufe sind jedoch bis März 2017 terminiert. Damit verbunden sind jedoch wichtige Fragen über die Modalitäten und den weiteren geldpolitischen Kurs.

Auf der heutigen EZB-Ratssitzung kommt es vor allem auf drei Dinge an:

1. Die Länge der Anleihekäufe

Die meisten Ökonomen rechnen mit einer Verlängerung der Käufe um sechs bis neun Monate. Im September hat die Notenbank bereits Komitees eingesetzt, die eine Verlängerung und Anpassung der Anleihekäufe prüfen sollen. Ein solcher Schritt dürfte allerdings umstritten sein. Als Kritiker des Kaufprogramms gelten Bundesbank-Chef Jens Weidmann und das das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger.

An diesem Donnerstag wird vermutlich zwar noch keine Entscheidung fallen, aber es könnte zumindest ein Signal geben. „Das Treffen sollte für einen großen Durchbruch noch zu früh sein“, sagt ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. „Dennoch rechnen wir damit, dass EZB-Präsident Draghi den Schleier etwas lüftet und die Tür für eine Verlängerung der Anleihenkäufe über den März 2017 hinaus öffnet.“ Die meisten Experten halten im Dezember einen Beschluss für möglich. Denn dann werden dem EZB-Rat auch neue Wachstums- und Inflationsprognosen der hauseigenen Volkswirte vorliegen. Die italienische Großbank Unicredit hält eine sechs- bis neunmonatige Verlängerung für ein realistisches Szenario, die Schweizer UBS spricht von sechs Monaten.


Das gefürchtete T-Wort

2. Die Kaufmodalitäten

Doch nicht nur die Länge der Käufe ist entscheidend, auch die Modalitäten. Der EZB könnten bald Bundesanleihen ausgehen, die ihre Kaufkriterien erfüllen. Die Notenbank hat sich selbst für die Käufe Grenzen gesetzt, um sich nicht dem Vorwurf der Staatsfinanzierung auszusetzen. So darf sie zum Beispiel bisher keine Papiere kaufen, deren Zinsen unter dem Einlagensatz von minus 0,4 Prozent liegen. Bei vielen Bundesanleihen notiert der Zins inzwischen unter dieser Marke. Papiere, die die EZB kaufen darf, werden deshalb knapp. Daher könnte sie künftig auch Anleihen unterhalb des Einlagensatzes kaufen.

Zu den möglichen Optionen bei den Käufen gehört auch eine zeitweilige Aufweichung vom Kapitalschlüssel. Dieses Grundgerüst sorgt dafür, dass mehr Anleihen jener Länder erworben werden, die der EZB mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen. So kauft sie mehr deutsche Bundesanleihen als Staatspapiere aus Italien. Ein Abweichen von diesem Prinzip wäre aber vor allem in Deutschland höchst umstritten.

3. Das T-Wort

Auch um ein anderes gefürchtetes Thema wird Draghi nicht herumkommen: Das „Tapering“. So wurde vor einigen Jahren das Herunterfahren der Anleihekäufe durch die US-Notenbank Fed genannt. Als im Mai 2013 der damalige Fed-Chef Ben Bernanke verkündete, die Bondkäufe auslaufen zu lassen, löste er ein mittleres Beben an den Börsen aus. Jetzt geht an den Märkten erneut die Furcht vor dem Tapering um – und zwar dieses Mal in Europa.

Anfang des Monats hatte ein Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg die Börsen erschaudern lassen, wonach die Notenbank ein Zurückfahren ihrer Anleihekäufe erwäge. Einige Händler fühlten sich an das Jahr 2013 zurückerinnert. Eine Panik wie damals will die EZB unbedingt vermeiden.


Höherer Ölpreis treibt die Inflation

„Interessant wird vor allem, wie sich Mario Draghi zu den Tapering-Gerüchten positioniert“, sagt Sylvain Broyer, Chefvolkswirt der französischen Investmentbank Natixis in Deutschland. Er geht davon aus, dass sich der EZB-Chef noch zurückhalten wird. „Es ist für die EZB zu früh, um offiziell über Tapering zu diskutieren.“ Zunächst werde sie abwarten, ob die Inflation weiter steigt.

Im September waren die Preise im Euro-Raum im Vergleich zum Vorjahr um 0,4 Prozent gestiegen – der höchste Zuwachs seit knapp zwei Jahren. Diese Entwicklung dürfte sich in den nächsten Monaten fortsetzen. Das liegt vor allem am sogenannten Basiseffekt beim Ölpreis. Zu Jahresbeginn war der Ölpreis unter 30 Dollar pro Barrel gerutscht – inzwischen notiert er bei über 50 US-Dollar. Da der Ölpreis zu Jahresbeginn 2016 so niedrig war, könnten die Preise im Vergleich dazu wieder stärker zulegen. Broyer erwartet, dass die Inflation bis März 2017 auf etwa 1,7 Prozent steigt.

Dennoch rechnet er damit, dass die EZB im Dezember ihr Anleihekaufprogramm noch einmal im bisherigen Volumen um sechs Monate verlängert. Aktuell kauft die EZB für monatlich 80 Milliarden Euro vor allem Staatsanleihen der Euro-Länder. „Wenn nichts dazwischenkommt, kann sie dann zwischen Frühling und September das Tapering ankündigen.“ Um eine Panik wie 2013 in den USA zu vermeiden, sei jedoch schon jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um die Märkte behutsam auf den Ausstieg vorzubereiten.

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