Willkommen in der Planwirtschaft! Die dramatischen Folgen von Negativzinsen

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Weg in die Planwirtschaft

Wenn Banken Kredite mit einem Negativzins anbieten, wird die Kreditnachfrage vermutlich durch die Decke schießen: Bei einem Zins von, sagen wird, minus einem Prozent kann man sich 100 Euro leihen, sie im einfachsten Fall auf dem Konto liegen lassen, und nach einem Jahr zahlt man 99 Euro zurück – und wer möchte an diesem risikolosen Bereicherungsspiel nicht gern teilhaben? Damit also die Kredit- und Geldschöpfung nicht aus dem Ruder läuft und den Währungswert unkontrolliert herabsetzt, werden die Zentralbank-Räte zu einer Kreditrationierung greifen müssen: Sie legen vorab fest, wie groß die Kreditmenge sein soll und teilen sie dann zu.

Nach welchen Kriterien aber sollen die neuen Kredite ausgegeben werden? Sollen alle den gleichen Anteil erhalten? Oder sollen beschäftigungsintensive Branchen bevorzugt werden? Oder sollen nur Zukunftsbranchen an die neuen Kredite kommen? Soll der Süden Europas mehr als der Norden bekommen? Die EZB wäre die Instanz, die verfügt, wer wann wieviel Kredit erhält. Damit bestimmt sie ganz maßgeblich, welche Industrien gefördert oder zurückgedrängt werden; welche Volkswirtschaften stärker und welche schwächer wachsen dürfen; welche Banken überleben dürfen und welche nicht. Mehr denn je befindet die EZB über die Geschicke der Volkswirtschaften. Willkommen in der Planwirtschaft!

Die EZB steht dabei, wie jede planwirtschaftliche Institution auch, vor einer unlösbaren Aufgabe: Ohne dass man auf den Markt und die Knappheitspreise, die er hervorbringt, zurückgreift, kann man bekanntlich nicht wissen, wie knappe Mittel am besten einzusetzen sind, um die drängenden Bedürfnisse zu bedienen. Fehlentscheidungen, Verschwendung, Korruption und Vetternwirtschaft sind die absehbaren Begleiterscheinungen solch einer Zuteilungspolitik. Eine „Zombiewirtschaft“ wird befördert, in der unprofitable Unternehmen und Banken nicht mehr durch bessere Anbieter ersetzt, sondern künstlich am Leben gehalten werden. Die Effizienz schwindet, und Wachstum und Beschäftigung leiden.

Ende der Arbeitsteilung

Wenn die Zentralbank die Marktzinsen (immer tiefer) in den Negativbereich herunterdrückt, blähen sich die Preise für die Bestandsgüter – hierzu zählen Aktien, Häuser und Grundstücke – auf, beziehungsweise die Preise fallen höher aus im Vergleich zu einer Situation, in der die Marktzinsen nicht künstlich abgesenkt worden wären. Denn je niedriger der Zins ist, desto höher sind auch die Barwerte der künftigen Zahlungen und damit auch die Marktpreise der Vermögensgüter. Das beschert den Investoren zunächst hohe Renditen. Doch gleichzeitig verschlechtern sich dadurch die künftigen Renditeaussichten für die Investitionen.

Das erklärt sich wie folgt: Die Null- und Negativzinsen lassen die Preise von beispielsweise Aktien und Häusern so weit ansteigen, bis die erwartete Rendite, die diese Anlageklassen versprechen, sich dem Niedrig- beziehungsweise Negativzins, den die Zentralbank setzt, angenähert hat. Im Extremfall fallen die erwarteten Marktrenditen sogar auf oder gar unter die Nulllinie. Wenn aber die Zentralbank alle Renditen auf oder unter die Nulllinie gedrückt hat, ist das, was von der freien Marktwirtschaft noch übrig ist, am Ende. Ohne einen positiven Marktzins, ohne eine positive Rendite in Aussicht zu haben, hört das Sparen und Investieren auf – schließlich hat ja jeder Konsument, jeder Unternehmer einen positiven Urzins, das heißt er verlangt einen positiven Ausgleich für seinen Konsumverzicht.

Die arbeitsteilige Volkswirtschaft kommt zum Erliegen. Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen bleiben aus. Maschinen, Werkshallen, Häuser – alles verrottet. Kapitalaufzehrung setzt ein. Die moderne Volkswirtschaft fällt zurück in eine primitive Subsistenzwirtschaft. Das ist – konsequent zu Ende gedacht – das Ergebnis einer Negativzinspolitik: Sie zerstört das Wirtschaften, wie es in der westlichen Welt im Zuge der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert entstanden ist und den Menschen wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt gebracht hat.

Die Lösung: Freies Marktgeld

Die Aussicht auf Negativzinsen ist daher eine Schreckensvision. Es ist der Versuch, die Gesetze der (Handlungs-)Logik außer Kraft zu setzen. Das aber ist unmöglich, ein Negativzins ist vernunftwidrig. Ob die „neue“ Theorie des Negativzinses Ergebnis eines großen Irrtums ist, oder aber ihre Befürworter sich absichtlich irren (das ist ja auch möglich): Die Macht der EZB wird zusehends zur Ohnmacht für die Bevölkerung. Wie schon so oft in der Geschichte zeigt sich: Eine politisch gewährte Monopolstellung lässt sich nicht wirksam kontrollieren.

Es ist eine relativ kleine Gruppe, bestehend aus einigen Zentralbankräten und einflussreichen akademischen Hexenmeistern, die im Euroraum den Weg in die Negativzinswelt ebnet. Zuspruch erhält sie von überschuldeten Regierungen und Finanzmarktprofis, die die Umbewertung aller Werte, die sich auf dem Weg in die Negativzinswelt einstellen, für ihre Zwecke zu nutzen wissen. Der Schlachtplan, mit einem Negativzins die Schulden zu entwerten, die Volkswirtschaften dabei trotzdem weiter wachsen zu lassen und den Euro vor dem Untergang zu bewahren, entspringt der Anmaßung von Wissen. Die Umsetzung dieses Plans lässt Schlimmes befürchten.

Sie führt auf außerparlamentarischem Wege eine sozialistische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft herbei. Dass die EZB-Räte und die auf sie Einfluss nehmenden Interessengruppen eine beängstigende Machtfülle und gewaltige Missbrauchsmöglichkeiten haben, steht außer Frage. Die Sympathisanten der sozialistischen Revolution werden das begrüßen. Aber alle, die Freiheit, Wohlstand und Frieden in Europa wollen, müssen fordern, die EZB zu entmachten, ihre Monopolstellung zu brechen. Aber wie? Nun, indem ein freier Markt für Geld geschaffen wird. Er lässt sich aus dem Selbstbestimmungsrecht der Menschen ableiten. Dieses beinhaltet die Freiheit der Menschen, das Geld wählen zu dürfen, das sie verwenden möchten, das ihren Wünschen am besten entspricht. Es gibt keine überzeugenden Gründe – weder ökonomische noch ethische – warum die Staaten oder ihr Agent, die EZB, ein Geldmonopol innehaben sollten. Wenn die Menschen das verstanden haben und ihr Recht auf die freie Wahl des Geldes aktiv einfordern, sind die Schrecken – EZB-Monopolmacht, Negativzins und Sozialismus – gebannt.

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