Am 25. Juli des vergangenen Jahres konnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den US-Präsidenten Donald Trump noch von der Einführung von Strafzöllen auf Autos abbringen. Doch jetzt spitzt sich die Situation beinahe täglich zu. Die Sorgen über amerikanische Strafzölle für europäische Autos wachsen. Das US-Handelsministerium könnte den Import von Autos und Autoteilen als Beeinträchtigung der nationalen Sicherheit des Landes einschätzen und damit aus amerikanischer Sicht die Grundlage für die Einführung von Strafzöllen schaffen.
In den vergangenen Jahren entwickelte sich die deutsche Autoindustrie noch überraschend erfreulich. Weder der Dieselskandal noch die drohenden Fahrverbote in einigen deutschen Großstädten schienen dieser Entwicklung etwas anhaben zu können.
Erst in den letzten Monaten hat sich der Himmel über der Autoindustrie immer mehr eingetrübt.
Die Automobilkonjunktur zeigt deutliche Bremsspuren: 2018 haben die Aufträge aus dem Euro-Ausland um mehr als sieben Prozent nachgegeben. Im Inland sieht es mit einem Rückgang von mehr als vier Prozent kaum besser aus. Lediglich aus dem Nicht-Euro-Ausland sind die Auftragseingänge für die deutsche Autoindustrie noch gestiegen (+2,4 Prozent).
Angesichts dieser Entwicklung kämen Strafzölle der Vereinigten Staaten zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Die USA sind ein bedeutender Abnehmer für deutsche Autos. 2017 wurden fast 500.000 deutsche Pkw in die USA exportiert. Damit machten Pkw-Lieferungen in die Vereinigten Staaten einen Anteil von mehr als elf Prozent an den gesamten deutschen Pkw-Ausfuhren aus.
Die Ausfuhren der deutschen Kfz-Industrie in die USA hatten 2018 einen Umfang von mehr als 27 Milliarden Euro, damit waren die Vereinigten Staaten die wichtigste Zielregion. Sollten auf diesen Betrag nun Strafzölle in Höhe von 25 Prozent kommen, entsprächen diese einem Umfang von fast 6,8 Milliarden Euro. Wenn die Strafzölle die US-Nachfrage nach aus Deutschland importierten Erzeugnissen der Autoindustrie um ein Viertel verringern oder die deutschen Hersteller die Zölle aus Angst vor einem Markteinbruch zunächst nicht über Preiserhöhungen weitergeben sollten, wären damit rund 1,6 Prozent des gesamten Branchenumsatzes, 2,1 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhren beziehungsweise 0,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes betroffen.
Dabei ist die deutsche Automobilindustrie das denkbar falsche Ziel für US-Strafzölle. Deutsche Autohersteller und Zulieferer beschäftigten 2018 nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie VDA rund 118.000 Mitarbeiter in ihren US-amerikanischen Werken. Im vergangenen Jahr wurden dort rund 750.000 Fahrzeuge produziert und damit deutlich mehr als aus Deutschland in die USA exportiert wurden. Der Exportanteil der von deutschen Marken in den USA produzierten Fahrzeuge betrug 56 Prozent. Diese Ausfuhren sorgten mit dafür, dass das Handelsdefizit der USA nicht noch bedeutend höher ausgefallen wäre.
Der Handelskonflikt der USA und China zeigte dabei bereits eine deutlich negative Wirkung. Konnten deutsche Marken im Jahr 2017 noch rund 150.000 Fahrzeuge aus den USA nach China ausführen, waren es 2018 nur noch 95.000.
Unter normalen Umständen wären die Auswirkungen US-amerikanischer Strafzölle von der deutschen Autobranche durchaus zu verkraften. Angesichts der schwachen Nachfrage aus dem Inland und dem europäischen Ausland, einem erstmals seit Jahrzehnten schwächelndem chinesischen Absatzmarkt sowie der notwendigen hohen Investitionen in die Zukunftstechnologien Elektromobilität und autonomes Fahren stellt dies jedoch eine beträchtliche zusätzliche Herausforderung für die Branche dar.
