




In dieser Woche sind die Renditen deutscher Bundesanleihen mit einer 10-jährigen Laufzeit das erste Mal unter null Prozent gefallen. Auslöser für den erneuten Renditerückgang war diesmal nicht die Europäische Zentralbank (EZB) mit einem neuen Kaufprogramm für Staatsanleihen, sondern die immer größer werdende Sorge vor einem Brexit.
In den letzten Umfragen haben die Befürworter eines Austritts von Großbritannien aus der Europäischen Union deutlich zugelegt. Sie liegen jetzt vorne. Somit ist ein Brexit nicht auszuschließen. Alle Anlageformen haben auf diese Entwicklung negativ reagiert. Bei den Bundesanleihen war das Renditeniveau allerdings auch schon vorher sehr niedrig. Da lag es bei nur 0,05 Prozent.
Es wäre denn auch unfair, dem immer wahrscheinlicheren Brexit allein die Schuld an dem aktuell absurd niedrigen Renditeniveau zu geben. Für dieses Niveau ist hauptsächlich die EZB verantwortlich. Mit ihrem riesigen Kaufprogramm für Staatsanleihen aus dem Euroraum hat sie die Renditen auf dieses niedrige Niveau gedrückt.
Realwirtschaftlich machen diese niedrigen Renditen wenig Sinn. Eigentlich wollte die EZB mit dem Kaufprogramm die Inflationserwartungen anheben und das Kreditwachstum stärken. Doch ein solches Wachstum hat es allenfalls bei Immobilienkrediten gegeben. Die Kreditnachfrage bei Unternehmen ist dagegen kaum über die Nulllinie gestiegen. Bei den Unternehmen scheinen die Kapitalkosten keine Rolle zu spielen. Das fundamentale Umfeld ist bislang zu schwach, um einen spürbaren Anstieg der Kreditnachfrage anzuregen.
Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen
In Deutschland beliebte Sparformen wie Tages- und Festgeld werfen kaum noch etwas ab. Die niedrige Inflation gleiche die negativen Effekte der niedrigen Zinsen allerdings aus, betont EZB-Präsident Mario Draghi. Derzeit liege die Verzinsung minus Inflation höher als im Durchschnitt der 1990er Jahre. „Zu der Zeit hatten Sie höhere Zinsen auf dem Sparbuch, aber zugleich meist Inflation, die weit darüber lag und alles auffraß“, sagte Draghi jüngst in einem Interview. Im Mai lagen die Verbraucherpreise in Deutschland nach vorläufigen Berechnungen gerade einmal um 0,1 Prozent über dem Vorjahresniveau.
Stand: 07.06.2016
Finanzinstitute müssen Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Für den durchschnittlichen Privatkunden sind Strafzinsen bislang kein Thema. Man werde „alles tun, um die privaten Sparer vor Negativzinsen zu schützen - in Teilen auch zu Lasten der eigenen Ertragslage“, sagte jüngst der Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon. Wenn die aktuelle Niedrigzinsphase aber lange andauere, würden die Sparkassen die Kunden letztlich nicht davor bewahren können. Zudem könnten Geldhäuser nach Angaben des Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich, gezwungen sein, an der Gebührenschraube zu drehen: „Jeder muss in seiner Bank überlegen, wie er über Konditionen-Gestaltung gegen die Ertragsverluste anarbeitet, die ohne Zweifel da sind.“
Lebensversicherern fällt es immer schwerer, die hohen Zusagen der Vergangenheit zu erwirtschaften. Die Folge: Die Verzinsung des Altersvorsorge-Klassikers sinkt seit geraumer Zeit. Auch Betriebsrenten leiden, Firmen müssen wegen der Zinsschmelze immer mehr Geld für die Pensionsverbindlichkeiten zurücklegen. Viele Unternehmen versprechen bei Neueinstellungen daher keine konkreten Leistungen mehr, sondern sagen lediglich zu, einen bestimmten Betrag pro Monat in Vorsorgekassen einzuzahlen. Das Zinsrisiko tragen die künftigen Pensionäre.
Das derzeitige Renditenniveau bei den Bundesanleihen geht einher mit einer sehr niedrigen Inflation. Diese liegt im Euroraum zurzeit bei -0,1 Prozent, vor allem wegen des kräftigen Falls des Ölpreises im vergangenen Jahr. Allerdings scheinen die Tage der sehr niedrigen Inflation im Euroraum gezählt zu sein. Der Ölpreis ist in den vergangenen Wochen kräftig gestiegen und liegt jetzt bei rund 50 Dollar je Barrel. Das hier erreichte Preisniveau beim Öl sollte gehalten werden.
Das Überschussangebot auf dem Weltmarkt für Rohöl wird vor allem durch ungeplante Förderausfälle in mehreren Ländern offensichtlich schneller abgebaut, als es noch vor einigen Wochen den Anschein hatte. Gleichzeitig werden die Schätzungen für die globale Nachfrage leicht nach oben korrigiert. Jedoch sollte der Ölpreis nicht ungebremst weiter steigen, denn der steigende Preis wird nun wiederum die geförderten Mengen in die Höhe treiben.
Beispielsweise dürften in den Vereinigten Staaten die Explorationsaktivitäten im Fracking-Bereich wieder anziehen, aber auch einige Schwellenländer, die teilweise erheblich unter dem Preisverfall gelitten hatten, dürften ihre Fördertätigkeit nun wieder erhöhen.