Wirtschaft im Weitwinkel
Europäische Zentralbank, EZB Quelle: imago images

Für einen Zinsschritt der EZB wird es eng

Noch im Jahr 2017 war die Industrie ein wichtiger Treiber des konjunkturellen Aufschwungs im Euro-Raum. Im Laufe dieses Jahres hat diese Kraft aber nun erheblich an Dynamik verloren. Welche Möglichkeiten haben die Regierungen und die Europäische Zentralbank (EZB) dieser Entwicklung entgegen zu wirken?

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Der verhaltenen Entwicklung bei den Auftragseingängen folgend verzeichnet die Industrieproduktion in diesem Jahr kaum noch Zuwächse. Mehr noch: die gängigen Stimmungsindikatoren haben sich im Laufe des Jahres deutlich eingetrübt. Sowohl die Einkaufsmanagerindizes als auch das Industrieklima befinden sich auf dem Rückzug.

Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Ein Grund ist die Unsicherheit der Märkte aufgrund der gestiegenen Risiken, wie etwa dem von den USA ausgehenden Handelskonflikt und der Gefahr einer Zollausweitung auf europäische Produkte. Darüber hinaus spüren die Unternehmen generell eine nachlassende Nachfrage und geringere Auftragseingänge aus dem Ausland. Dazu kommt noch der Budgetstreit mit Italien, der erneut die Sorgen um die Finanzstabilität und den Zusammenhalt im Euroraum entfacht hat.

Die Konjunkturdaten sind noch auf einem guten Niveau. Die Kapazitäten in der Industrie sind zwar weniger stark ausgelastet als zuvor, aber insgesamt gesehen ist der Auslastungsgrad immer noch hoch. Doch die vorhandenen Auftragspolster schmelzen allmählich ab. Die Perspektiven von Produktion, Exportgeschäft und der Beschäftigungsausweitung werden zunehmend skeptischer eingeschätzt.

In der Summe deuten die Indikatoren- und die Stimmungslage der Industrie darauf hin, dass in den kommenden Monaten kaum mit spürbaren Impulsen für das Wirtschaftswachstum in den Ländern der Euro-Zone zu rechnen ist. Von einem drastischen Rückgang oder einer Rezession in der Industrie kann aber noch nicht die Rede sein. Eine positive Trendwende ist aber auch nicht zu erkennen.

Die Perspektiven der europäischen Industrie passen zu unserem gesamten Prognosebild für den Euro-Raum, der im kommenden Jahr schwächer wachsen dürfte. Nachdem die Industrieproduktion 2017 ein kräftiges Wachstum von 2,9 Prozent erzielen konnte, dürfte es 2018 nur noch bei rund 1,5 Prozent liegen. Für das nächste Jahr erwarten wir ein Wachstum von nur noch 1,2 Prozent.

EZB bleibt zunächst noch optimistisch

Die Europäische Zentralbank sieht trotz dieser schwächeren Wirtschaftsdaten weiterhin die Konjunktur in einem breit angelegten Expansionspfad. Zwar sieht die EZB auch, dass Unsicherheit und Fragilität die wirtschaftliche Entwicklung zunehmend beeinflussen. Insgesamt sind die Wachstumsrisiken aus Sicht der EZB jedoch weiterhin ausgeglichen. Trotz dieses Ausblicks wurde im Rahmen der September-Ratssitzung insbesondere auf die Gefahr von Protektionismus, auf die Schwäche von einigen Schwellenländern und die Volatilität an den Finanzmärkten hingewiesen.

Unbeirrt bleibt die EZB auch weiter bei der Einschätzung, dass sich die Inflationsrate in Richtung des Zielwertes der Notenbank entwickele. Die enttäuschende Entwicklung bei der Kernrate sei hauptsächlich auf die Dienstleistungspreise zurückzuführen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das Lohnwachstum zugenommen habe, wenngleich die Notenbank nun einen nicht mehr ganz so engen Zusammenhang zwischen Löhnen und Inflation sieht.

Was bedeutet dies alles? Für die europäische Notenbank beginnt damit ein Wettlauf gegen die Zeit. Verlangsamt sich das Wachstum so moderat, dass die EZB zumindest noch in 2019 die angekündigten Zinsanhebungen umsetzten kann? Aus meiner Sicht könnte dies noch funktionieren. Aber es sollten keine neuen Risikofaktoren hinzukommen. Der Wille und die Motivation, zumindest noch den Einlagesatz auf 0,0 Prozent anzuheben, sind hoch. Dies würde mit einem Refinanzierungssatz von 0,25 Prozent korrespondieren. Damit wäre zumindest die Sonderbelastung für das europäische Bankensystem verschwunden.

Mehr Wachstum geht nur mit höheren Schulden

Starke Wachstumsimpulse sollte man von diesen geldpolitischen Maßnahmen aber nicht erwarten. Die Möglichkeiten das QE-Programm wieder aufleben zu lassen sind ebenfalls beschränkt. Damit bleibt am Ende noch die Fiskalpolitik für positive Wachstumsimpulse. Zwar ist die Verschuldung weltweit in den vergangenen Jahren (mit der Ausnahme von wenigen Ländern) deutlich angestiegen, sowohl bei den Staaten, wie auch bei den Unternehmen. Aber darauf wird man bei diesem Umfeld wohl keine Rücksicht nehmen können.

Am Ende des Konjunkturzyklus angelangt, haben wir ein gefühltes Rekordniveau an geopolitischen Krisen, nur wenig geldpolitischen Spielraum und eine deutlich gestiegene Verschuldung. Dabei ist die einzige Maßnahme, die zur Wachstumsstimulation bleibt, die Verschuldung weiter anzuheben. Man wird in den kommenden Jahren eine kluge Politik brauchen, um durch dieses schwierige Umfeld gut durchzukommen.

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