Wirtschaft im Weitwinkel

Globale Konjunktur mit mehr Tempo und einigen Risiken

2016 erlebte die Weltwirtschaft mit nur 2,9 Prozent Wachstum das schwächste Jahr seit der Krise 2009. Doch es geht endlich wieder aufwärts. Wie sich Wachstum und Inflation in der Welt entwickeln, welche Risiken stören.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Nach dem schwächsten Jahr seit der Krise 2009, geht es mit dem Wachstum der Weltwirtschaft endlich wieder aufwärts. Quelle: REUTERS

Die Erholung, die sich derzeit in fast allen Weltregionen beobachten lässt, kommt für viele Beobachter überraschend. Denn im vergangenen Jahr sorgten die unerwarteten Ergebnisse bei der Brexit-Abstimmung in Großbritannien und den US-Präsidentschaftswahlen für erhebliche Verunsicherung. Und auch in diesem Jahr stehen vor allem in Europa weitere wichtige politische Entscheidungen an, denen durchaus mit Sorge entgegengesehen wird.

Wissenswertes zum internationalen Handel

Ganz oben auf der Liste der Unwägbarkeiten stehen die Parlamentswahl in den Niederlanden und die Präsidentschaftswahl in Frankreich. In beiden Ländern erreichen europafeindliche Kräfte derzeit hohe Zustimmungswerte. Das Risiko, dass diese Kräfte die Regierung übernehmen, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch in Italien könnte es 2017 zu Neuwahlen kommen und auch dort genießt eine europakritische Bewegung („5 Sterne“) hohe Popularität. Und schließlich wird im September auch in Deutschland gewählt. Hierzulande ist jedoch das Risiko eines Vormarschs der Anti-EU-Populisten am geringsten.

Alle diese Unsicherheiten haben jedoch bislang keinerlei Auswirkung auf die globale Konjunktur. Im Gegenteil: Seit etwa einem halben Jahr signalisieren die weltweiten Frühindikatoren einschließlich wichtiger Rohstoffpreise, dass sich eine Erholung abzeichnet. So haben sich die Preise für Nicht-Eisen-Metalle und Öl erheblich gefestigt. Gerade die Preise für Metalle stehen traditionell in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der weltweiten Industrieproduktion.

Deutsches Trauma - die Hyperinflation von 1923
Ein Mann vor Geldbündeln Quelle: AKG
Derzeit liegt die Inflationsrate unter der EZB-Zielmarke von zwei Prozent, eine Hyperinflation rückt damit in weite Ferne. Aber die massive Geldmengenausweitung der Europäischen Zentralbank schürt die Sorgen vor einer deutlichen Abwertung des Euro - und damit realen Wertverlusten für Sparer und Anleger. Quelle: zwehren - Fotolia
Heute kurios - damals die harte Realität: Inflationsbriefmarken zu 2 Millionen Mark das Stück. Quelle: pit24
Spielende Kinder: Nach der Hyperinflation war die damalige Reichsmark nicht mehr als Altpapier - und damit auch Spielzeug für Kinder. Quelle: dpa
Geldscheine wurden damals für alles mögliche benutzt, nur bezahlen ging damit nicht mehr. Die Kinder gingen kreativ mit den Geldbündeln um, und bauten Skulpturen aus Geldscheinen. Quelle: dpa
Die Geldscheine wurden in dicken Bündeln gelagert. Quelle: dpa
Kinder und ein Geldturm Quelle: dpa

Die wichtigsten Beiträge zur globalen Konjunkturerholung kommen in diesem Jahr aus Nord- und Südamerika. Allein die erwartete Wachstumsbeschleunigung in den USA trägt knapp ein Drittel zur globalen Konjunkturverbesserung bei. Auch der Wachstumsbeitrag Lateinamerikas, das im vergangenen Jahr noch in einer tiefen Rezession steckte, dürfte 2017 größer sein. Für Brasilien erwarten wir ein Ende des wirtschaftlichen Schrumpfungsprozesses und für Argentinien eine Rückkehr zu positiven Wachstumsraten.

Europa und China gehören dagegen nicht zu den Weltregionen, in denen in diesem Jahr mit einer Wachstumsbeschleunigung zu rechnen ist. Die Wachstumsverlangsamung im Reich der Mitte bleibt wohl auch in diesem und im nächsten Jahr ein Bremsschuh der globalen Konjunktur. Aus der Gruppe der Schwellenländer dürfte sich jedoch die Stabilisierung der russischen Wirtschaft sehr positiv bemerkbar machen.

Aufhellung des konjunkturellen Ausblicks

Eine expansivere Ausrichtung der Fiskalpolitik spielt in vielen Ländern derzeit eine wichtige Rolle für die Aufhellung des konjunkturellen Ausblicks. So sind in den Vereinigten Staaten die zu erwartenden Fiskalimpulse ein wichtiges Argument für die optimistischeren Konjunkturprognosen. In Europa verhindert eine etwas expansivere Ausrichtung der Finanzpolitik in den meisten Ländern lediglich, dass sich das Wachstum in diesem Jahr noch stärker abschwächt. Und auch in China würden die Wachstumsraten wohl noch deutlich stärker zurückgehen, wenn die Regierung nicht bereits seit Monaten auf einen expansiveren Ausgabenkurs umgeschaltet hätte.

Saudi-Arabien muss vom Ölthron weichen
Rang 10: NorwegenAls einziger europäischer Vertreter schafft es Norwegen in die Rangliste der zehn größten Ölproduzenten der Welt. 1,66 Millionen Barrel (à 159 Liter) förderten die Skandinavier im Dezember 2016 täglich zutage, wie aus Daten der Joint Organisations Data Initiative (Jodi) hervorgeht. Damit stieg die Produktion zuletzt zwar wieder. Gegenüber seinem Höhepunkt im Jahr 2000 hat sie sich dennoch halbiert. Quelle: dpa
Rang 9: MexikoIm Dezember 2016 hat Mexiko 2,04 Millionen Barrel pro Tag gefördert. Das reicht zwar für Rang neun. Doch ähnlich wie Norwegen hat sich die Produktion Mexikos in den vergangenen Jahren drastisch reduziert. Vor zehn Jahren förderten die Mittelamerikaner noch knapp 3,5 Millionen Barrel pro Tag. Das Monopol des Staatskonzerns Pemex für die Ölförderung wurde vor wenigen Jahren aufgehoben. Quelle: REUTERS
Rang 8: VenezuelaWie kaum ein anderes Land hängt der Haushalt des lateinamerikanischen Lands vom Ölpreis ab. Nachdem die Ölpreise sich seit Mitte 2014 mehr als halbiert haben, befindet sich Venezuela am Rande eines Staatsbankrotts. Nach Daten von Jodi förderte der Staat im Dezember 2016 täglich 2,27 Millionen Barrel Öl. Anfang des Jahrtausends war es noch eine Million mehr. Quelle: dpa
Rang 7: KuwaitDas Emirat am Persischen Golf zählt gehört zur Organisation erdölexportierender Staaten – kurz Opec. Es gehört dort zu den größten Mitgliedern und ist ein wichtiger Verbündeter von Saudi-Arabien, dem bedeutendsten Opec-Mitglied. Kuwait hat im Dezember 2016 täglich 2,84 Millionen Fässer Öl aus dem Boden gepumpt. Das macht Essam Al-Marzouk, den kuwaitischen Ölminister, zu einem der reinflussreichsten Männer in der Opec. Quelle: dpa
Rang 6: KanadaMit 3,18 Millionen Barrel pro Tag landet Kanada auf Rang fünf von Jodis Rangliste der größten Ölproduzenten der Welt. Anfang des Jahrtausends hat das Land nur die Hälfte dessen gefördert. Den Öl-Boom machen nicht zuletzt die Vorkommen aus den Öl-Sanden möglich. Allerdings sind dies aufgrund ihrer Zerstörung der Landschaft und giftigen Rückständen in den Böden ist diese Fördermethode allerdings stark umstritten. Quelle: REUTERS
Rang 5: ChinaDas Land in Fernost ist mittlerweile zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen und die will auch mit Öl versorgt werden. 3,88 Millionen Barrel Öl hat China im Dezember 2016 selbst gefördert. Das sind erstens zehn Prozent weniger als noch 2015. Und zweitens reicht das bei weitem nicht, um den Öl-Durst Chinas zu stillen. Das Land konsumiert täglich zwölf Millionen Fass. 2005 war es gerade einmal die Hälfte. Zu den größten Ölkonzernen des Landes gehört beispielsweise Petro-China. Quelle: REUTERS
Rang 4: IrakDer zweitgrößte Produzent des Ölkartells kam laut Daten von Jodi im Dezember 2016 auf 4,83 Millionen Barrel pro Tag. Damit konnte das Land seine Förderung innerhalb von nur zehn Jahren mehr als verdreifachen – und landet in der Rangliste auf Platz vier. Quelle: REUTERS

Die Erholung der Rohstoffpreise spielt für viele Schwellenländer eine wichtige stabilisierende Rolle. Russland profitiert von dem gestiegenen Ölpreis ebenso wie viele andere ölexportierende Länder. Auch die großen Volkswirtschaften Lateinamerikas weisen eine hohe Abhängigkeit von den globalen Rohstoffpreisen auf. Für sie haben die wieder gestiegenen Preise für Agrarrohstoffe eine sehr wichtige Bedeutung.

Die globalen Konjunkturaussichten bessern sich derzeit also. Doch mit einer parallelen Beschleunigung des Preisauftriebs ist jedoch nicht zu rechnen. Lediglich ölpreisbedingt sind in den Industrieländern in diesem Jahr wieder merklich höhere Inflationsraten zu erwarten als 2015 und 2016. Diese erreichen jedoch in der Regel noch nicht die vielzitierten Warnmarken der Zentralbanken. Im Durchschnitt wird die Teuerungsrate der Industrieländer 2017 bei 1,8 Prozent liegen.

Konjunkturindikatoren

Weitere Inflationstreiber sind derzeit kaum auszumachen. Auch von der Lohnseite kommt in den wichtigen Ländern derzeit kein Druck auf die Preise. Die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten sind vielerorts zwar mittlerweile recht gut ausgelastet, doch in kaum einem Land ist eine Überauslastung zu erkennen, die zu einer Lohn-Preis-Spirale führen könnte. Selbst in den USA liegt die Produktionslücke derzeit nur ganz leicht im Plus Mit einem deutlich anziehenden, knappheitsbedingtem Lohndruck ist also auch dort in diesem Jahr nicht zu rechnen.

In den Schwellenländern bewegt sich die durchschnittliche Inflationsrate zwar mit rund fünf Prozent deutlich über dem Wert in den Industrieländern. Doch ist hier bereits seit einigen Jahren eher ein Abwärtstrend als ein Anstieg bei den Teuerungsraten zu beobachten

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%