Die Folge des steigenden Ölpreises ist eine steigende Inflation. Bis Ende 2016 wird die Inflation im Euroraum voraussichtlich um rund 1 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen und im ersten Quartal 2017 dürfte die Preissteigerungsrate dann sogar bei etwa 1,5 Prozent liegen. Im Laufe des Jahres 2017 wird sie sich dann um diesen Wert einpendeln. Damit wäre dann das Inflationsziel der EZB von zwei Prozent fast erreicht.
Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen
Verbraucher sparen bei Darlehen, ob für den neuen Fernseher oder für die eigenen vier Wände. Hausbauer können sich zu historisch günstigen Konditionen Geld leihen. Nach Angaben des Bankenverbandes BdB sind Hypothekendarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung derzeit zu Effektivzinsen von durchschnittlich etwa 1,4 Prozent zu haben. 2007 lagen sie noch bei mehr als fünf Prozent.
Billiger ist es auch geworden, das eigene Konto zu überziehen. Vor fünf Jahren lagen die Dispozinsen nach Angaben der Finanzberatung FMH im Schnitt noch bei 11,26 Prozent. Mittlerweile sind es demnach durchschnittlich 9,51 Prozent.
Seit Jahren ist günstiges Notenbankgeld der zentrale Treibstoff für die Börsen. Aktionäre können von steigenden Kursen profitieren. Zuletzt wagten sich die eher börsenscheuen Deutschen wieder stärker an den Aktienmarkt. Knapp 9,01 Millionen Menschen besaßen nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts im vergangenen Jahr Aktien und/oder Anteile an Aktienfonds - das ist der höchste Stand seit 2012.
Mit der Ausgabe von Anleihen finanziert die öffentliche Hand - neben Steuereinkünften - einen Großteil ihrer Ausgaben. Am Montag fiel die sogenannte Umlaufrendite, die ein durchschnittliches Maß für die „Verzinsung“ von Staatspapieren mit einer Laufzeit von drei bis 30 Jahren ist, in Deutschland erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik in den negativen Bereich. Der Bund „verdient“ in einer solchen Situation somit an seiner eigenen Schuldenaufnahme, anstatt den Gläubigern - den Käufern der Anleihen - einen Zins zu zahlen.
Stand: 7. Juni 2016
Mit dem Anstieg der Inflation ändert sich dann auch das fundamentale Umfeld für den Rentenmarkt. Die massive Überbewertung im Rentenmarkt wird für alle deutlich sichtbar. Denn die Realrenditen liegen Ende des Jahres bei voraussichtlich minus ein Prozent, bei einem erwarteten Wirtschaftswachstum von rund 1,5 Prozent. Es dürfte also zu einer massiven Preisanpassung am Rentenmarkt kommen und das unabhängig davon, ob die EZB weiter Staatsanleihen kauft oder das Kaufprogramm im Verlauf von 2017 tatsächlich beendet.
Mit dem Anstieg der Inflation wird eine Neubewertung des Rentenmarktes sehr wahrscheinlich. Daher wird die Verkaufsbereitschaft der Investoren mit der steigenden Inflation merklich zunehmen, um die Gewinne auf Rentenpapiere, vor einem dann erwarteten Preisrutsch nach unten, zu sichern.
Angesichts der Überbewertung der europäischen Rentenmärkte und der sehr dünnen Marktliquidität, kann diese Neubewertung auch in einer Panik an den Rentenmärkten enden - dem Platzen der Renten-Blase. Eine solche Entwicklung würde dann innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen zu einem deutlichen Anstieg der Renditen führen.
Ein solch sehr schnelles Ansteigen der Renditen könnte sich dann auch wieder negativ auf das Wachstum und die Staatshaushalte der südlichen Euroländer auswirken. Denn die dann höheren Renditen könnten die Investitionsentscheidungen der Unternehmen ungünstig beeinflussen. Bei den Staatshaushalten würde die höheren Zinsen die Finanzierung deutlich teurer machen und die Staatshaushalte entsprechend belasten.
Die wichtigsten Fakten zur niedrigen Inflation
Autofahrer können sich ebenso freuen wie alle, die Haus oder Wohnung heizen müssen: Die Sprit- und Energiepreise liegen seit Monaten unter dem Vorjahresniveau. Auch der starke Euro trägt dazu bei, dass Tanken und Heizen günstiger wird: Die Euro-Stärke verbilligt die in Dollar abgerechneten Rohölimporte. Niedrige Inflation ist also in diesem Fall gut fürs Portemonnaie: Verbraucher bekommen mehr für ihr Geld. Allerdings liegt selbst die derzeit sehr niedrige Inflationsrate in Deutschland noch über den Zinsen, die aktuell auf den meisten Sparbüchern oder Tagesgeldkonten zu verdienen sind. Ersparnisse verlieren also unter dem Strich an Wert. Allerdings wären die Einbußen für Sparer noch größer, wenn die Inflation höher läge.
Das Problem ist, wie Verbraucher und Unternehmen die künftige Entwicklung des Preisniveaus einschätzen. Wer weiter sinkende Preise erwartet, verschiebt vielleicht den Kauf der neuen Waschmaschine oder die Investition in die neue Fabrikhalle - denn es kann ja eigentlich nur günstiger werden. Das könnte eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang setzen: Unternehmen machen weniger Gewinn, Mitarbeiter werden entlassen. Diese können sich dann weniger leisten und der Druck, Preise weiter zu senken, nimmt zu. Diese Verkettung lähmt die Konjunktur. In der Folge sinken auch die Steuereinnahmen und die Belastungen durch Schulden und Sozialleistungen nehmen zu.
70 Prozent des Inflationsrückgangs im Euroraum, so hat es kürzlich EZB-Präsident Mario Draghi vorgerechnet, gehen auf das Konto gesunkener Energie- und Lebensmittelpreise. Dass das Preisniveau in Deutschland noch höher ist als in vielen anderen Eurostaaten liegt daran, dass in Ländern wie Griechenland, Spanien und Co. Unternehmen Preise senken müssen, um wettbewerbsfähiger zu werden. Zudem müssen Regierungen sparen, um hohe Schuldenberge abzutragen. In Deutschland ist die Konjunktur hingegen relativ robust. Das schafft Raum für Investitionen und Lohnerhöhungen.
Darüber gehen die Meinungen auseinander. So warnt das DIW vor der Gefahr „einer sich selbst verstärkenden Deflationsspirale“ bei langanhaltend niedrigen Inflationsraten. DIW-Präsident Marcel Fratzscher fordert ein Eingreifen der Europäischen Zentralbank. Im „Focus“ schreibt er: „Ohne ein beherztes Eingreifen der EZB sehe ich schwarz.“ Europas Währungshüter rechnen zwar mit einer niedrigen Inflationsrate in diesem und im kommenden Jahr, Deflationsrisiken sehen sie aber nicht.
Draghi hat klargestellt, dass die EZB bereit ist, alles zu tun, sollte die Teuerungsrate überraschenderweise weiter sinken. Die Notenbank prüfe auch weitere unkonventionelle Maßnahmen, darunter ein Programm zum Anleihekauf („Quantitative Lockerung/QE). „Ob die EZB noch einmal die Zinsen senkt, oder gleich ein breit angelegtes Anleihenkaufprogramm beschließt, würde wohl davon abhängen, wie stark sie ihren mittelfristigen Inflationsausblick nach unten korrigiert“, glaubt Commerzbank-Ökonom Christoph Weil.
Die EZB erwartet, dass die Inflationsrate schon im April wieder etwas anziehen wird. Volkswirt Weil erklärt, warum: Der übliche Anstieg der Preise für Reisen und Hotelübernachtungen rund um Ostern fällt in diesem Jahr in den April und nicht wie 2013 in den März. Zudem dürften die Energiepreise im April anders als im Vorjahr nicht sinken. Hierfür sprechen nach Weils Einschätzung etwa die tendenziell höheren Benzinpreise während der Osterferien. Insgesamt erwartet die Commerzbank, dass die Inflation im Euroraum in den kommenden Monaten um 0,8 Prozent pendeln wird.
Vorerst ja, allerdings stiegen die Preise für Nahrungsmittel in Deutschland zuletzt nicht mehr so rasant wie in den vergangenen Monaten. Da wegen des milden Wetters früher frisches Obst und Gemüse zu haben ist, dürfte der saisonübliche Preisrückgang für diese Waren in diesem Jahr früher einsetzen. 2013 hatte das kalte Frühjahr die Ernte verzögert. Sinkende Preise für Lebensmittel freuen die Verbraucher, sie können allerdings die Inflation insgesamt wieder etwas drücken.
Das Risiko an den Rentenmärkten ist also erheblich. Sobald sich die ersten Anzeichen der Inflation zeigen werden, dürften sich die Investoren entsprechend neu orientieren. Die Folgen für die reale Wirtschaft könnten in einem solchen Falle negativ ausfallen. Gegen eine solche Entwicklung könnte dann auch die EZB nichts tun. Letztendlich wäre dies die Folge ihrer Politik in den vergangenen Jahren. Falls es zu einem Brexit kommt, dürfte sich die Normalisierung der Bewertung an den Rentenmärkten allenfalls zeitlich verschieben, dabei dürfte das Problem aber nur noch größer werden.