
Zum Jahresbeginn 2016 ist das Klima in der verarbeitenden Industrie zwischen Flensburg und dem Bodensee so stark eingebrochen wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. Vor allem die Geschäftserwartungen der Unternehmen haben sich in den letzten Wochen massiv verschlechtert. Hauptgrund für den dramatischen Einbruch ist die anhaltende Schwäche des Welthandels. Das spürt die deutsche Industrie unmittelbar in ihren Orderbüchern. Immerhin kommen schon seit vielen Jahren mehr als die Hälfte aller Aufträge aus dem Ausland. Daneben dürften aber auch die Turbulenzen der letzten Wochen an den Finanz- und Rohstoffmärkten erheblich zur Verunsicherung beigetragen haben.
Der Welthandel erlebte 2015 mit einem preisbereinigten Wachstum von rund zwei Prozent das schwächste Jahr seit der Krise 2009. Maßgeblich verursacht wurde diese Schwäche durch die einbrechende Importnachfrage aus Asien. So haben die Einfuhren der Industrieländer 2015 real um 3,6 Prozent zugelegt, während die Schwellenländer ihre Importe um 0,9 Prozent zurückgefahren haben.
Dass die Importe der Industrieländer schneller steigen als die der Emerging Markets hat es zuletzt während der Asienkrise Ende der Neunziger Jahre gegeben. Seitdem trieben die Schwellenländer den Welthandel mit ihrer hohen Wachstumsdynamik. Nach Schätzungen der OECD hat der Rückgang der Importe in China und anderen großen Schwellenländern das BIP-Wachstum der OECD-Länder 2015 um rund einen halben Prozentpunkt gedämpft.

Für die deutsche Exportwirtschaft geht damit eine Phase zu Ende, in der die Wachstumsdynamik maßgeblich von den Schwellenländern – allen voran China – bestimmt worden ist. Die hohen Zuwachsraten dort gehören jedoch vorerst der Vergangenheit an. Die Unternehmen müssen sich hierzulande wieder mehr auf die Märkte in den Industrieländern konzentrieren. Dort lassen sich – dank des relativ schwachen Eurokurses und des konjunkturellen Rückenwindes durch den niedrigen Ölpreis – auch 2016 gute Umsatzsteigerungen erzielen.
Konjunkturindikatoren
Der vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) herausgegebene Index beruht auf der Befragung von 350 Analysten und Finanzmarktexperten. Sie geben dabei ihre Einschätzung über die künftige Wirtschaftsentwicklung ab. Der Index zur mittelfristigen Konjunkturentwicklung ergibt sich aus der Differenz der positiven und negativen Erwartungen über die künftige Wirtschaftsentwicklung. Er wird zur Monatsmitte erhoben.
Der international beachtete Index basiert auf einer Befragung von etwa 7000 Unternehmen aus Bau, Einzelhandel und Industrie. In einem Fragebogen beurteilen sie ihre gegenwärtige Geschäftslage sowie die Erwartungen für die Zukunft. Beide werden im Geschäftsklima zusammengefasst. Der Index ergibt sich aus dem Saldo der Antworten „gut“ und „schlecht“.
Wird von der britischen Forschergruppe Markit erhoben. Er beruht für Deutschland auf Umfragen unter Einkaufsmanagern von 500 repräsentativ ausgewählten deutschen Industrieunternehmen. Bestandteile des Index sind Auftragseingänge, Preise und Beschäftigung. Der Index hat einen relativ kurzen Vorlauf gegenüber der Produktion.
Umfasst den Bargeldumlauf und die Sichteineinlagen, wie zum Beispiel Sparbücher. Da die in M1 enthaltenen Bestandteile direkt für Transaktionen zur Verfügung stehen, deutet ein Anstieg darauf hin, dass die Kaufbereitschaft der Konsumenten und Unternehmen steigt. Der Indikator hat einen Vorlauf von zwei bis drei Quartalen.
Der BDI ist ein Preisindex für die Verschiffungskosten wichtiger Rohstoffe wie Stahl, Eisenerz, Kohle und Getreide auf Standardrouten. Er wird durch das Angebot an frei stehendem Schiffsladeraum und die Hafenkapazitäten beeinflusst. Da Rohstoffe als Vorprodukte am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, ist der BDI ein guter Frühindikator für die Weltkonjunktur.
Der Index des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK prognostiziert die Veränderung der monatlichen privaten Konsumausgaben. Hierfür werden 2000 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihren Einkommens- und Konjunkturerwartungen befragt.
Der deutsche Außenhandel leidet schon seit einiger Zeit unter den Problemen wichtiger Abnehmerländer, besonders in den Emerging Markets. Die Wachstumsabschwächung in China und die Krisen in Russland und Brasilien lasten erheblich auf der deutschen Exportkonjunktur, zumal kompensierende Effekte wie das kräftige Wachstum der Nachfrage aus den USA und Großbritannien seit Herbst 2015 etwas an Kraft verlieren.
Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum
Seit Jahren schießen die Immobilienpreise in Chinas Großstädten in ungeahnte Höhen - seit Monaten mehren sich jedoch Zeichen für einen Kollaps.
Neben den trägen Staatsbanken hat sich in China ein großer Markt von nicht-registrierten Geldinstituten etabliert, die der Staat bislang nicht kontrollieren kann.
Banken haben ohne genaue Prüfung Firmen immense Kredite für unproduktive und verschwenderische Investitionen gegeben.
Mit Subventionen der Regierung haben viele Branchen gewaltige Überkapazitäten aufgebaut, beispielsweise die Solarindustrie. Aber sie werden ihre Produkte nicht los.
Chinas Wirtschaft hängt vom Export ab. Geraten wichtige Abnehmerländer in Krisen, hat auch China Probleme.
Über viele Jahre war das starke Wachstum der Nachfrage aus den Schwellenländern einer der Garanten für die gute Exportkonjunktur in Deutschland. Allen voran China, dessen Nachfrage nach deutschen Produkten zwischen 2005 und 2014 rund 15 Prozent pro Jahr zulegte. Andere Schwellenländer erwiesen sich für die deutschen Exporteure ebenfalls als sehr dynamische Absatzmärkte: Auch in Russland, Brasilien, Indien, der Türkei und Polen sind die Umsätze deutlich schneller gestiegen als im Exportgeschäft insgesamt. Die schnell wachsenden Schwellenländer konnten damit die teilweise schleppende Nachfrage aus den Industrieländern – insbesondere aus dem Euro-Raum – kompensieren. Denn die Absatzmärkte in den anderen Euro-Ländern haben sich in den vergangenen zehn Jahren nicht einmal halb so schnell entwickelt wie die deutschen Exportmärkte insgesamt.
Im vergangenen Jahr hat sich diese Entwicklung jedoch umgekehrt. Einige der wichtigsten Schwellenländermärkte sind in die Krise gestürzt, die deutschen Ausfuhren dorthin teils empfindlich zurückgegangen. Am dramatischsten gestaltet sich für deutsche Exporteure das Geschäft in Russland: 2015 war bereits das dritte Jahr in Folge mit beträchtlichen Rückgängen im Russlandgeschäft, die Exportumsätze haben sich seit 2012 mit einem Minus von gut 16 Milliarden Euro annähernd halbiert. Etwas weniger schwer wiegen die Probleme in Brasilien: Zwar sind aufgrund der dortigen Wirtschaftskrise die deutschen Ausfuhren auch schon seit 2012 rückläufig, doch liegen die Umsatzverluste mit insgesamt rund zwei Milliarden Euro in einer anderen Größenordnung als im Russlandgeschäft.