Die Beispiele weisen auf den Kern vieler Krisenerscheinungen der Gegenwart: sie sind systembedingt. Sie erfordern zu ihrer Überwindung Korrekturen, wenn nicht gar gravierende Änderungen des etablierten Wirtschaftssystems. Das ist politisch hochbrisant – und es erfordert Ökonomen als Ideengeber und Berater der Politik, die nicht von Dogmen und Machtinteressen geleitet sind. Dazu müssen die Wirtschaftswissenschaften zu allererst eine Pluralität von Forschungsansätzen innerhalb ihrer eigenen Disziplin zulassen. Die Einseitigkeit, mit der unsere Wirtschaftswissenschaftler zuweilen ihren althergebrachten Paradigmen samt ihrer mathematiklastigen Methodik verhaftet sind, hat in den letzten Jahrzehnten gewiss nicht zur dringend benötigten Öffnung des Denkhorizonts beigetragen.
Wenn Wirtschaftswissenschaft ohne Machtinteressen betrieben wird, darf die politische Anschlussfähigkeit kein ausschlaggebendes Kriterium für die Erarbeitung wirtschaftspolitischer Lösungsansätze sein. Die politische Verwertbarkeit der Wirtschaftswissenschaft im Sinne einer praktikablen Anwendung von Forschungsresultaten ist zuvorderst ein Problem der Politik selbst, nicht eines der Wissenschaft. Das Ideal sollte eine wahrhaftige Wissenschaft sein, die den politischen Entscheidungsträgern, den Medien und der interessierten Öffentlichkeit ihr ganzes Wissen unverblümt zur Verfügung stellt. Was die Adressaten dann damit anfangen, bleibt ihnen überlassen. Es obliegt den Bürgern und deren politischen Repräsentanten, dasjenige aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen und Empfehlungen herauszugreifen, was ihnen beliebt.
Sollten sie dabei wahre Erkenntnisse und wirksame Ratschläge zugunsten politisch opportuner Wirtschaftspolitiken verdrängen, ist das in einer Demokratie ihr gutes Recht. Ein mögliches Scheitern jener Maßnahmen könnten sie dann aber nicht länger den beratenden Ökonomen ankreiden. Das Versagen der Politik läge nunmehr allein in ihrer eigenen Verantwortung. Und hierin liegt der wesentliche und wichtigste Unterschied zur heutigen Situation: Derzeit haben Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger noch nicht einmal die Möglichkeit, sich anders als falsch zu entscheiden, weil die meisten Wirtschaftswissenschaftler ihnen kein klares und kein zutreffendes, sondern ein ideologisch verengtes und verzerrtes Bild der sozialökonomischen Realität liefern. In diesem Sinne bleibt nur zu hoffen, dass die kommende Ökonomen-Generation den Mut aufbringen kann, die ideologischen Scheuklappen ihrer Disziplin gegen alle inneren und äußeren Widerstände aufzubrechen. Gelingt ihr das nicht, wird die Mainstream-Ökonomik wohl weiterhin dazu beitragen, den krisenhaften Status-Quo zu zementieren.