Wirtschaftswissenschaft in der Kritik Ökonomen, werdet wahrhaftige Wissenschaftler!

Wer nach den tieferen Gründen der Krisen der Gegenwart sucht, darf die Rolle der Wirtschaftswissenschaftler nicht unterschätzen. Ihr falsches Weltbild steht der Suche nach grundlegenden Reformen im Wege.

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Die Vorsitzenden des Sachverständigenrats bei Angela Merkel. Quelle: dpa Picture-Alliance

Die alltäglichen Debatten in Medien und Politik vermitteln den Eindruck, als habe man sich an unsere ökonomischen Gegenwartskrisen längst gewöhnt. Die internationale Finanzkrise wird zehn Jahre alt – ohne dass von grundlegenden Veränderungen des Finanzsystems die Rede ist. Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit destabilisieren zahlreiche Gegenwartsgesellschaften. Doch eine vollständige Beseitigung dieser Gefahren scheint niemand für realistisch zu halten. Schon der Gedanke an den Abbau der drückenden Schuldenlasten wirkt fantastisch.

Hinzu kommt eine globale Bedrohung, die in jüngster Zeit aus dem Fokus des medialen Interesses herausgerückt ist, sich aber langfristig als die gefährlichste von allen herausstellen könnte: Die schleichende und anhaltende Zerstörung der natürlichen Ressourcen unserer Erde und damit der Basis allen Wirtschaftens überhaupt. Ein Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur ist derzeit wohl eher eine utopisch-romantische Erzählung als ein ausdrückliches Ziel auf der politischen Agenda.

Was steckt hinter diesem fehlenden Willen, die großen ökonomischen Krisen unserer Zeit ernsthaft anpacken und überwinden zu wollen? Sind „die Politiker“ schuld? Oder sind es die bösen kapitalistischen Eliten, die sich schamlos auf Kosten von Mensch und Natur bereichern und sämtliche sozial-ökologischen Fortschrittsbemühungen mit Lobbyismus und Medienmacht schon im Keim ersticken? Oder ist es der gewöhnliche Bürger, der am Ende einfach nur zu bequem ist, seine konsumtive Komfortzone zu verlassen und sich privat wie gesellschaftlich um tiefgreifende Veränderungen zu bemühen?

Frank Niessen Quelle: PR

Die Mitschuld der Ökonomen

Bei diesen Fragen nach den üblichen Verdächtigen wird eines in der Regel unterschätzt: Die Verantwortung der Ökonomen. Ihrem Selbstbild nach sind sie objektive Experten. Wissenschaftler, die unverrückbare und eindeutige Erkenntnisse und Gesetze des Wirtschaftens aufdecken. Tatsächlich sind sie als Berater von Politikern und als Ausbilder von Wirtschaftsjournalisten, Wirtschaftslehrern, Managern und Unternehmern die führenden Meinungsbildner zu volkswirtschaftlichen Fragen. Ihr Weltbild prägt Generationen von Entscheidern in Politik, Unternehmen, Schulen und Medien und nimmt folglich einen massiven Einfluss auf das Denken und Handeln ganzer Gesellschaften.

Angesichts der Krisen unserer Tage drängt sich der Verdacht auf, dass die abstrakten mathematischen Modelle der Mainstream-Ökonomen keine Lösungen mehr bereithalten. Weil die meisten Ökonomen Grundstrukturen unseres Wirtschaftssystems nicht als historisch gewachsen und politisch gemacht betrachten, sondern als ahistorische, quasi-natürliche Gegebenheit anzunehmen pflegen, sind sie grundsätzlich auch nicht dazu in der Lage, jene Grundstrukturen selbst als mögliche Krisenursachen auf den Prüfstand zu stellen. Beispielsweise werden privates Produktionsmitteleigentum, der marktwirtschaftliche Allokationsmechanismus, das privatwirtschaftliche Gewinnstreben oder die Geldschöpfungshoheit der Banken in den gängigen ökonomischen Theorien nirgends kritisch hinterfragt. Damit stützt die herrschende Wirtschaftswissenschaft ganz nebenbei den gesellschaftlichen Status-Quo. Statt Wahrheit produziert sie schlimmstenfalls Rechtfertigungsideologie. Deutlich erkennbar wird dies in den großen Standard-Lehrwerken, die Jahr für Jahr Heerscharen von unkritischen Nachwuchsökonomen heranzüchten.

Laut der Entwicklungsorganisation Oxfam besitzen die acht reichsten Menschen der Welt mehr Geld als 3,6 Milliarden Menschen zusammen. Unsere Übersicht zeigt, auf wie viel Vermögen die reichsten Deutschen kommen.

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