Die Ökonomik lehrt, dass Handel von wechselseitigem Nutzen für alle Beteiligten ist, dass Märkte für gute Verfahren sorgen, um individuelle Aktivitäten zu koordinieren – und dass es staatlicher Regulierungen und Eingriffe bedarf, um Marktversagen oder gesellschaftlich ungewollte Marktergebnisse zu korrigieren. Inwieweit der Staat und inwieweit der Markt einer Gesellschaft ermöglichen, ihre Ziele – Friede, Freiheit, Sicherheit, Gerechtigkeit, Wohlstand – zu erreichen, ist aber nicht ein für allemal und überall gleich beantwortbar. Vielmehr ändert sich die Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt von Land zu Land und Zeit zu Zeit ständig. Richtig bleibt, dass Spezialisierung, Arbeitsteilung und Tausch dazu führen können, dass es allen besser geht. So sehr können noch nicht müssen bedeutet und so unstrittig die langfristigen Handelsvorteile sind – so sehr ist auch richtig, dass Arbeitsteilung und Handel zunächst einmal dazu führen, dass es sowohl Gewinner als auch Verlierer gibt. Wirklich alle profitieren nur dann, wenn die Gewinner eines Handelsgeschäfts zumindest einen Teil ihres Zugewinns an die Verlierer abtreten, sei es, indem sie ihre Angestellten am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben lassen, oder sei es, dass sie mehr als andere zur Finanzierung öffentlicher Güter beitragen. Und wichtig bleibt, dass „besser“ ein Werturteil bleibt, das von Person zu Person unterschiedlich eingestuft wird.
Ähnlich zu relativieren sind die ökonomischen Grundprinzipien, dass Märkte mikroökonomische Aktivitäten gut koordinieren können, dass sie aber manchmal versagen – und dass deshalb Reg(ul)ierungen das Marktergebnis verbessern können. Hier ist die Frage entscheidend, was Regel und was Ausnahme ist. Für die realwirtschaftliche Sphäre, also für die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen, hat sich in den vergangenen 200 Jahren empirisch gezeigt, dass unsichtbare Hände eine auch gesamtwirtschaftlich brauchbare Arbeit leisten. Die sichtbaren Hände der Politik haben zu oft ein Staatsversagen zur Folge gehabt. Nur eine kluge Wettbewerbspolitik, Kartell- und Fusionsgesetzgebung vermag das Versagen freier Märkte zu verhindern oder zu korrigieren.
Effiziente Finanzmärkte? Welch ein Irrtum!
Ganz anders als in der realwirtschaftlichen Sphäre sieht es in der monetären Sphäre aus. Über Jahrzehnte dominierte in der Ökonomik die Überzeugung, dass auf Finanzmärkten Effizienz die Regel und Marktversagen die Ausnahme sei. Die Deregulierung der Finanzmärkte in den letzten Jahrzehnten gründete auf eben dieser Effizienzmarkthypothese: Börsenkurse würden stets alle verfügbaren Informationen rational und richtig widerspiegeln. Neue Informationen führten zu einer sofortigen Anpassung. Deshalb seien deregulierte Finanzmärkte die bestmöglichen Signalgeber für Produzenten, Warenhändler, Investoren und Sparer.
Die Finanzmarktkrise hat die Effizienzmarkthypothese mit aller Brutalität als falsifiziert entlarvt. Erwartungen über die Erwartungen anderer Akteure treiben das Verhalten auf Finanzmärkten. Daraus erwächst eine Neigung zu Herdenverhalten und selbsterfüllender Prophezeiung: Erwarten die Marktakteure einen steigenden Preis, lockt dies Spekulanten an, die erstens genau diese Erwartung provozieren, um dann zweitens auf steigende Preise zu wetten. Dadurch steigt der Preis tatsächlich, und die anfänglichen Erwartungen werden ex post gerechtfertigt – was wiederum neue Spekulanten anzieht. Wenn alle (oder viele) Akteure an (falsche, oder bewusst provozierte) Erwartungen glauben, werden diese scheinbar wahr. In der Realität führen dann Herdenverhalten, Eigendynamik, Panik, automatische Verhaltensregeln, vor allem aber Eigeninteresse und mikroökonomisches Gewinnstreben von Anlegern, Händlern, Ratingagenturen und Finanzinstituten auf zu stark deregulierten Finanzmärkten zu gesamtwirtschaftlicher Ineffizienz und schlimmstenfalls zu gesamtwirtschaftlichen Krisen.