Zentralbanken in der Kritik Die große Angst vor der Geldflut

Seite 3/4

Desaströse Wirkung

Angesichts der desaströsen Wirkungen, die das Teilreserve- Bankensystem entfaltet, suchten Ökonomen schon in den Dreißigerjahren nach Wegen, die Geschäftsbanken zu bändigen. 1933 legten die in Chicago lehrenden Ökonomen Frank Knight, Henry Simons und Aaron Director einen als Chicago-Plan bekannt gewordenen Entwurf für ein neues Bankensystem vor. Auf diesen Plänen baute der Ökonom Irving Fisher seinen berühmt gewordenen Vorschlag eines 100-Prozent-Geldes auf. Um die „perverse Elastizität des Kreditgeschäfts“ (Henry Simons) zu beenden, sollten die Banken für ihre Sichteinlagen Reserven in gleicher Höhe bei der staatlichen Zentralbank unterhalten. Dadurch hätte die oberste Währungsbehörde die vollständige Kontrolle über die Kredit- und Geldschöpfung der Banken. Doch die Geschäftsbanken, die um ihre Pfründe bangten, liefen Sturm gegen den Chicago-Plan. Mit massiver Lobbyarbeit verhinderten sie dessen Umsetzung.

Die Grafik zeigt den Goldanteil an den Währungsreserven (in Prozent).

Den Ökonomen der Österreichischen Schule ging selbst der Chicago-Plan noch nicht weit genug. Sie misstrauten dem Staat und seiner Zentralbank. Daher plädierten Mises und Rothbard für eine radikale Reform des Geldwesens durch die Einführung eines reinen Goldstandards. Dieser unterscheidet sich allerdings fundamental von dem Teilreserve-Goldstandard unter Führung staatlicher Zentralbanken, der bis in die Dreißigerjahre herrschte. Weil staatliche Zentralbanken nie wirklich unabhängig sind und dazu neigen, die Wünsche der Politiker zu bedienen, forderten Mises und Rothbard, die Zentralbanken abzuschaffen und alle Banknoten und Sichteinlagen zu 100 Prozent mit Gold zu decken. Die Kredit- und Geldschöpfung aus dem Nichts wäre mit einem Schlag beendet, die Geldmenge legte nur noch so stark zu wie die geförderte Goldmenge. Bank-Runs sowie destruktive Boom-Bust-Zyklen gehörten der Vergangenheit an, und die Schuldenexzesse von Staat und Bürgern wären gestoppt.

Problem Umstellung

Doch so klar die Vorteile des reinen Goldstandards sind, so schwierig dürfte seine Umsetzung heutzutage sein, nachdem die Zentralbanken die Welt mit Papiergeld geflutet haben. Deckte man die aktuelle Euro-Geldmenge M1 (Bargeld und Sichteinlagen) zu 100 Prozent mit den Goldreserven der Euro-Zone von insgesamt rund 346 Millionen Feinunzen, katapultierte dies den Goldpreis von derzeit rund 1200 auf rund 16 400 Euro in die Höhe. Dies hat Thorsten Polleit, Chefökonom der Degussa, ausgerechnet. Der damit verbundene Vermögenszuwachs der Gold- und Goldminenbesitzer würde wohl hitzige Umverteilungsdebatten auslösen.

Zudem drohte ein vorübergehender Inflationsschock. Denn der höhere Goldpreis verstärkte die Goldförderung und löste so eine massive Ausweitung der Geldmenge aus. Um den Umstellungsschock abzumildern, schlägt Ökonom Huerta de Soto einen Stufenplan vor. Dieser sieht vor, die Sichteinlagen der Banken in einem Zwischenschritt zunächst durch das Bargeld aus den Kellern der Zentralbank zu decken. Diese sollte die Geldmenge vorübergehend um einen konstanten Prozentsatz pro Jahr ausweiten, indem sie Gold erwirbt. So bewegte sich der Goldpreis allmählich nach oben, der Höhenflug beim finalen Übergang auf die volle Golddeckung könnte abgemildert werden. Nach der Umstellung müsste die Zentralbank abgeschafft und freier Währungswettbewerb eingeführt werden. So müsste sich die neue Goldwährung ständig im Wettbewerb behaupten, und die Gesellschaft hielte sich die Option auf neue Geldarten offen.

Der Gedanke, das beste Geld im Wettbewerb zu ermitteln, prägt auch den Vorschlag des Wirtschaftsnobelpreisträgers Hayek. Anders als sein Lehrer Mises wollte Hayek die staatliche Zentralbank nicht gleich abschaffen, sondern sie dem Wettbewerb mit privaten Währungen aussetzen. Der Druck des Wettbewerbs soll die Zentralbank von einer inflationären Geldpolitik abhalten. Regierungen und Banken könnten sich dann nicht mehr auf die Hilfe der Notenpresse verlassen und müssten ihre Haushalte sanieren – beziehungsweise ihre Kreditvergabe zurückfahren.

Hayeks Haken

Allerdings hat auch Hayeks Vorschlag einen Haken. Setzen sich die privaten Konkurrenzwährungen gegen das Staatsgeld durch, könnten die in Staatsgeld gehaltenen Ersparnisse der Bürger entwertet werden. Um das zu verhindern, dürfte die Regierung den privaten Konkurrenten durch Gesetze und Regulierungen das Leben schwer machen. Ein fairer Wettbewerb käme dann nicht zustande.

Währungswettbewerb und Abschaffung der Zentralbanken – für die Vertreter der Monetative sind das keine Optionen. Sie sehen das Problem des Geldwesens nicht bei der Zentralbank, sondern allein bei den Banken. Daher wollen sie wie die Ökonomen der Österreichischen Schule das Teilreservesystem abschaffen. Die Macht der staatlichen Zentralbank soll hingegen ausgebaut werden. Für ihre Ideen werben sie nicht etwa in akademischen Fachzeitschriften, sondern auf der Straße.

So wie Hansruedi Weber. Mindestens einmal in der Woche stand er in den vergangenen Monaten auf den Straßen seiner Heimatstadt Baden in der Schweiz. Baden liegt eine halbe Stunde Zugfahrt von der Hauptstadt Zürich entfernt, die wichtigste Attraktion der Stadt ist die Spielbank, es ist die größte im ganzen Land. Doch Weber kommt es so vor, als sei die Zockerei mit ungedeckten Geldbeträgen keine Badener Spezialität mehr, sondern die Realität des modernen Kapitalismus: „Wie im Kasino haben die handelnden Personen in der Realwirtschaft längst die Kontrolle über ihr Geld verloren. Die Banken vereinen alle Macht auf sich!“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%