Zentralbanken in der Kritik Die große Angst vor der Geldflut

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Plädoyer für Vollgeld

Der kleine Mann mit dem schlohweißen Haar wird dann schnell ärgerlich. Mit ein paar Gleichgesinnten hat er vor sechs Jahren den Verein Monetäre Modernisierung gegründet, um seinen Ärger in die Welt zu tragen. Bald war der Zulauf so groß, dass sie daraus eine Volksinitiative machten, die „Vollgeldinitiative“.

100 000 Unterschriften brauchen sie, um zur Abstimmung zu gelangen, 25 000 haben sie beisammen, ein Jahr Zeit bleibt ihnen noch. Ihn haben die Ideen infiziert, um derentwillen er sich seit gut zwei Jahren kaum noch eine ruhige Minute gönnt. Weber war mal Lehrer, studierte nebenbei ein bisschen Philosophie und Volkswirtschaft. Irgendwann fiel ihm dabei das Buch „Geldschöpfung in öffentlicher Hand“ des deutschen Ökonomen Joseph Huber zu. „Danach konnte ich nicht mehr weitermachen wie zuvor“, sagt Weber.

Denn auch Hubers Plan zur Geldreform hat es in sich. Er sieht vor, die staatliche Zentralbank zu einer unabhängigen vierten Gewalt im Staat aufzubauen. Als „Monetative“ träte sie neben die Exekutive, Legislative und die Judikative. Die staatliche Zentralbank hat dann das ausschließliche Recht, neues Geld in Umlauf zu bringen. Bisher gilt das nur für das Bargeld, in Zukunft auch für die Sichteinlagen bei Banken.

Dabei könnte das Geld auf zwei Wegen bei den Bürgern landen. Zum einen könnte die Zentralbank dem Staat einen zinslosen ewigen Kredit gewähren und ihm den Geldbetrag auf dessen Konto bei der Zentralbank gutschreiben. Die Regierung finanziert mit dem Geld dann ihre laufenden Ausgaben, sie tilgt Schulden oder senkt die Steuern. Via Banküberweisung landet das Geld schließlich auf den Sichteinlagenkonten der Bürger und Unternehmen.

Alternativ wäre es denkbar, dass die Zentralbank jedem Bürger schlicht Geld schenkt, diese „Bürgerdividende“ landete dann direkt auf dessen Girokonto.

Spült die Zentralbank ebenso viel neues Geld in die Wirtschaft, wie neue Güter produziert werden, bleiben die Preise stabil. Das bereits vorhandene Buchgeld wollen die Vertreter der Monetative aus der Wirtschaft herausschleusen. Dazu müssten die Banken das von ihnen vor der Reform aus dem Nichts geschaffene Geld an die Zentralbank zurückzahlen, sobald ihre Kunden ihre Kredite tilgen.

Immaterieller Tresor

Künftig hätten die Finanzhäuser keine Möglichkeit mehr, eigenständig neues Geld in die Welt zu setzen. Denn die Girokonten der Kunden werden aus den Bilanzen der Banken ausgegliedert und von diesen nur noch verwaltet, so wie ein immaterieller Tresor. Wollen die Banken Kredite vergeben, müssen sie Sparer finden, die bereit sind, ihnen Geld zu leihen, das die Zentralbank zuvor in die Wirtschaft gepumpt hat. Auf diese Weise werden die Banken – ebenso wie in einem reinen Goldstandard – wieder zu dem, was sie einmal waren: reine Depotverwalter und Vermittler zwischen Sparern und Investoren. Es entstünde ein neuer Nukleus für eine gesunde Finanzwirtschaft.

Kommt die Revolution?

Es ist diese Schnittmenge zwischen den Vorstellungen der Monetative und den Anhängern der Österreichischen Schule, die den bekennenden „Österreicher“ Mayer an diesem Novembertag nach Berlin getrieben hat. Allerdings fürchtet Mayer, dass die Vorstellung, die Zentralbank könne als rechtlich unabhängige Instanz dem Zugriff der Politik komplett entzogen werden, doch ein bisschen naiv ist. „Die politische Korruption der staatlichen Zentralbank ist genau das Problem und der Grund, warum Geld entweder mit Gold gedeckt oder in Konkurrenz produziert werden sollte“, sagt der Ökonom. Mit dem Verein Monetative teile er zwar die Absicht, die öffentlich-private Partnerschaft der Geldproduktion abzuschaffen. Danach aber möchte er das Geld – ganz in der Tradition der Österreichischen Schule – privatisieren, nicht verstaatlichen.

Bleibt die Frage, ob die Reformrezepte der „Österreicher“ oder der „Monetative“ jemals verwirklicht werden können. Die Chance, das Geldwesen durch einen politisch gesteuerten Prozess auf eine gesündere Basis zu stellen, dürfte gering sein. Zu groß ist der Widerstand derjenigen, die vom Status quo profitieren. Und so könnte sich auch beim Geldwesen zeigen: Revolutionen dauern meistens etwas länger.

Aber wenn sie kommen, dann mit Macht. Vielleicht muss das alte System dazu erst am Boden liegen.

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