Die Inflation im Euroraum dürfte nach Einschätzung von Finanzmarktexperten noch jahrelang hoch bleiben. Sie rechnen zwar in den kommenden Jahren mit einem Rückgang, das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte aber demnach frühestens ab 2025 erreicht werden, wie eine Umfrage des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW zeigt.
Die befragten 181 Finanzexperten erwarten insbesondere, dass steigende Löhne zu Druck auf die Inflation im Euroraum führen. Gefallene Energiepreise und die straffere Geldpolitik der EZB mit Zinserhöhungen in Serie sorgten hingegen bei einigen Experten für sinkende Inflationserwartungen.
Die Finanzmarktexpertinnen und -experten rechnen in der Umfrage vom Mai für die Jahre 2023, 2024 und 2025 im Schnitt mit Inflationsraten von 5,8 Prozent, 3,5 Prozent bzw. 2,5 Prozent. Im Februar hatten die Experten die Inflationsrate für dieses Jahr etwas höher auf 6 Prozent geschätzt. Zum Vergleich: Die EZB sieht ihr Ziel stabiler Preise mittelfristig bei einer Inflationsrate von zwei Prozent erreicht.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
EZB zeigt sich optimistischer
„Erstmalig seit Beginn der Erhebung sinken die Inflationserwartungen der Finanzmarktexpertinnen und -experten leicht“, sagte Ökonom Frank Brückbauer vom ZEW-Forschungsbereich Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte. Sie stabilisierten sich aber auf hohem Niveau.
Mit ihren Schätzungen sind die befragten Finanzexperten pessimistischer als die EZB, die dieses Jahr eine Inflationsrate von im Schnitt 5,3 Prozent erwartet. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist die hohe Inflation ein großes Problem: Sie zehrt an ihrer Kaufkraft, die Menschen können sich für einen Euro weniger leisten.
Nach Jahren mit Null- und Negativzinsen hat die EZB mit einer Serie von sieben Zinserhöhungen seit Juli 2022 auf die hartnäckig hohe Inflation im Euroraum reagiert – aus Sicht ihrer Kritiker zu spät. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, liegt nun bei 3,75 Prozent.
Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohe Teuerungsraten dämpfen kann. Bis der Mechanismus der Geldpolitik wirkt, vergeht aber Zeit. Im April hatte die Inflationsrate im Euroraum laut Statistikbehörde Eurostat bei 7 Prozent gelegen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich zuletzt entschlossen im Kampf gegen die Inflation gezeigt.
In der ZEW-Umfrage gab eine Mehrheit von 70 Prozent der Finanzexperten an, dass sie ihre Inflationsprognosen seit Februar wegen der Lohnentwicklung erhöht haben. Auch die grüne Transformation der Wirtschaft wird überwiegend als Inflationstreiber betrachtet. Knapp die Hälfte der Experten haben ihre Vorhersage daher angehoben. Die Entwicklung der Energiepreise sowie die Geldpolitik der EZB wirkt nach Ansicht von 48 bzw. 39 Prozent indes dämpfend auf die Inflation.
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