Nach Säuglingstoden Rösler will schärfere Hygiene-Regeln

Die Infektion von elf Babys mit Fäkalbakterien in einer Infusion und der dritte Säuglingstod an der Uniklinik Mainz haben in der Politik eine Debatte über Hygiene in deutschen Krankenhäusern entfacht. Gesundheitsminister will mit den Bundesländern nun neue Hygiene-Regeln aufstellen.

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Keime können im Krankenhaus lebensgefährlich werden. Nach dem Tod dreier Säuglinge in Mainz sehen Koalitionspolitiker nun dringenden Handlungsbedarf. Quelle: dpa

HB BERLIN/MAINZ/OSNABRÜCK. Nach dem Mainzer Infusionsskandal strebt Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zusätzliche Regelungen für bessere Hygiene an. Rösler verwies am Dienstag in Berlin darauf, dass Maßnahmen und Kontrollen der Krankenhaushygiene Sache der Bundesländer seien. Deshalb wolle er die Initiative ergreifen und das Thema bei der nächsten Gesundheitsministerkonferenz zur Sprache bringen. Den Angehörigen der gestorbenen Säuglinge drückte Rösler sein volles Mitgefühl aus.

Angesichts der Infektion von elf Säuglingen mit Darmbakterien in Flüssignahrung, von denen drei starben, hatten zuvor Politiker der schwarz-gelben Koaltion in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" neue Hygiene-Regeln für die deutschen Krankenhäuser gefordert. In einem Gespräch mit der Zeitung (Dienstag) sagte FDP-Bundestagfraktionsvize Ulrike Flach: "Wir haben auf dem Gebiet der Krankenhaus-Hygiene ein großes Problem, auf das der Gesetzgeber dringend reagieren muss." Bis zu 600 000 Menschen würden sich in deutschen Kliniken jährlich mit Krankheitserregern infizieren. "Bis zu 40 000 Patienten sterben jedes Jahr an diesen Infektionen."

Die FDP-Fraktion werde deshalb nach der Sommerpause die Initiative für eine bundesweite Regelung ergreifen, kündigte die gesundheitspolitische Sprecherin der Liberalen an. Flach kritisierte, die eigentlich für diesen Bereich zuständigen Länder hätten bisher bis auf wenige Ausnahmen keine Hygiene-Verordnungen für Krankenhäuser erlassen.

Ähnlich äußerte sich der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), in der Zeitung: "Es ist höchst unbefriedigend, dass trotz lange bekannter Defizite bei der Hygiene in Krankenhäusern bisher wenig passiert ist." Sowohl die zuständigen Länder als auch die Kliniken hätten ihre Hausaufgaben nicht ausreichend gemacht.

Eine bundesweite Verordnung verlangte auch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaus-Hygiene. "Föderalismus hat an der Stelle nichts zu suchen. Bakterien kennen keine Grenzen", sagte der Sprecher der Organisation, Klaus-Dieter Zastrow, im Deutschlandradio. Die Hälfte der 40 000 Todesfälle durch Krankenhaus-Infektionen wäre bei sachgerechter Hygiene vermeidbar. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts hat eine Expertenkommission Empfehlungen für die Keimfreiheit in Kliniken erarbeitet. Ihre Umsetzung sei Ländersache. "Entscheidend für die Hygiene ist letzten Endes die Krankenhausleitung", sagte eine Institutssprecherin.

An der Mainzer Universitätsklinik war ein drittes Baby nach der Abgabe verschmutzter Infusionen gestorben. Das teilte eine Sprecherin am Dienstagmorgen mit. Das Kind sei ein sehr kleines Frühgeborenes aus der 24. Schwangerschaftswoche, bei dem man mit "dem Allerschlimmsten rechnen" musste. Das Baby war unter den fünf Säuglingen in kritischem Zustand. Es starb am Montagabend.

Am Wochenende gab es bereits zwei tote Säuglinge auf der Intensivstation zu beklagen. Sie hatten ebenfalls die mit Darmbakterien verunreinigte Nährlösung bekommen. Ob diese Keime den Tod verursachten, ist noch unklar. Insgesamt erhielten elf Kinder die belastete Flüssignahrung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung. Am Vormittag wollte die Universitätsmedizin auf einer Pressekonferenz in Mainz nähere Einzelheiten zum Tod des dritten Kindes mitteilen.

Möglicherweise kam es durch verunreinigte Schläuche zur Kontamination der Nährlösung. Die Klinik habe den speziellen Reinraum geschlossen, in dem die verschmutzten Lösungen hergestellt wurden, hatte der Leitende Oberstaatsanwalt Klaus-Peter Mieth am Montag gesagt. "Die Schläuche sind die einzige Stelle an den Geräten, an der Mitarbeiter direkt eingreifen und so Bakterien eintragen könnten." Die Klinik selbst hält es für möglich, dass es in der hauseigenen Apotheke zur Verschmutzung gekommen ist.

An diesem Dienstag erwartet die Staatsanwaltschaft die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung. Damit könnte unter anderem geklärt werden, ob die Verunreinigung bereits in einer der neun Komponenten für die Nährlösung enthalten war, als diese von externen Herstellern angeliefert wurden. Bislang ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt. "Wenn wir den Keim isoliert haben, dann haben wir auch eine Chance, den tatsächlichen Verursacher zu erwischen", sagte Mieth.

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