Russland Putins Freunde

Präsidentschaftskandidat Dmitrij Medwedew will den Staatseinfluss auf die Wirtschaft zurückdrängen. Damit fordert er mächtige Gegner heraus.

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Putin und Medwedew, Quelle: dpa

Als Dmitrij Medwedew seine Vorsätze präsentierte, horchte das Publikum auf: Die russischen Staatskonzerne, sagte er vor einer Woche vor Wirtschaftsfachleuten im sibirischen Krasnojarsk, sollten künftig weniger der Politik als ihrer eigenen Wirtschaftlichkeit dienen. Solche Töne hatten die Zuhörer von dem Mann nicht erwartet, den Russlands Präsident Wladimir Putin am 2. März vom Volk zu seinem Nachfolger wählen lassen will. Die vielen „Staatsoffiziellen in den Aufsichtsräten dieser Firmen“ hätten dort nichts zu suchen, sagt der Auserkorene. Stattdessen will Medwedew mehr unabhängige Kontrolleure aus der Wirtschaft, eine umfassende Steuerreform und endlich auch ein unabhängiges Rechtssystem, das die allgegenwärtige Korruption eindämmt. So stark soll am Ende die Privatwirtschaft werden, dass Russland zu „einem der größten Finanzzentren der Welt“ aufsteigt.

Der 42-jährige Jurist, derzeit noch russischer Vizepremier und Aufsichtsratschef des größten russischen Unternehmens Gazprom, wird seine Entschlossenheit schon bald beweisen können; seine Wahl zum Präsidenten steht praktisch fest. Sowohl liberale russische Manager als auch westliche Manager, die in Russland arbeiten, sind vorsichtig optimistisch. Sie hoffen darauf, dass Medwedew realisiert, was er in Krasnojarsk und anderswo ankündigte – Rechtssicherheit und Rückzug der Politik aus der Wirtschaft.

Medwedew, Putins Vertrauter seit ihrer gemeinsamen Arbeit in der Stadtverwaltung von St. Petersburg, wird im inneren Kreis der russischen Führung zum liberalen, wirtschaftsfreundlichen Flügel gerechnet. Er ist seinem 13 Jahre älteren Mentor treu ergeben, leitete sogar Putins Wahlkampagne. Putin, so glauben die meisten Kreml-Auguren, hat ihn genau deswegen ausgewählt – zumal er keinesfalls plant, sich aus der Politik zurückzuziehen, sondern als machtvoller Premierminister neben Medwedew weiter seinen Einfluss ausüben will. Beobachter sehen in Medwedew lediglich Putins gefügigen Helfer. Trotz seiner markigen Kampfansagen an korrupte Beamte wirkt er meist farb- und konturenlos, geradezu weich, verglichen mit seinem Mentor.

Aber Medwedew hat durchaus eigene politische Ambitionen, und er wird Härte zeigen müssen, wenn er sie durchsetzen will. Auf erbitterten Widerstand wird Medwedew treffen, wenn er tatsächlich die Wirtschaft dem Einfluss der politischen Clans zu entziehen versucht. Denn die Nominierung des liberalen und weltoffenen Medwedew war auch ein Affront gegen die staatswirtschaftlichen Hardliner um Igor Setschin, den stellvertretenden Chef der Präsidialverwaltung und Aufsichtsratschef des größten russischen Ölkonzerns Rosneft. Bei ihnen dürfte Medwedews Plädoyer von Krasnojarsk alles andere als Euphorie ausgelöst haben.

Zur Setschin-Fraktion gehören der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Nikolaij Patruschew sowie Sergej Tschemesow, der Leiter des neuen Industriekonglomerats Rostechnologij. Die Setschin-Bruderschaft soll strikt gegen die Nominierung Medwedews gewesen sein und Putin gedrängt haben, entweder selbst Präsident zu bleiben oder zumindest den jetzigen Premierminister Wiktor Subkow ins Präsidentenamt zu hieven.

Subkow neigt eher den sogenannten Silowiki zu, also dem Kreis der Geheimdienstler und Militärs in Russlands politischer Elite. Aus seiner Überzeugung, die großen russischen Unternehmen müssten vor allem nationalen Interessen dienen, hat er nie einen Hehl gemacht. Unter einem Präsidenten Subkow hätte Setschin eine gute Chance gehabt, den von ihm beaufsichtigten Ölriesen Rosneft noch stärker zu machen und aus dem Schatten des noch größeren, von Medwedew beaufsichtigten Gasmonopolisten Gazprom zu lösen. Seit der Nominierung Medwedews gilt Setschin zwar als geschwächt, doch noch lange nicht als ungefährlich.

Ihre Schlagkraft bewiesen die Silowiki um Setschin und Subkow im November. Spektakulär nahm da eine dem FSB nahestehende Ermittlungseinheit den stellvertretenden Finanzminister Sergej Stortschak in Gewahrsam. Stortschak, so der Vorwurf der Ermittler, habe Staatsgelder in Höhe von 30 Millionen Dollar veruntreut. Doch nach Ansicht vieler Kreml-Beobachter war Stortschak nur ein Bauernopfer; das eigentliche Ziel war Finanzminister Alexej Kudrin – wie Medwedew ein Angehöriger des liberalen Flügels. Kudrin gebietet über zwei wichtige Staatsfonds, den sogenannten Reservefonds und den Wohlstandsfonds. Darin hat Russland mehr als 106 Milliarden Euro aus Öl- und Gaseinnahmen angehäuft, die er für wirtschaftliche Durststrecken und für Sozialprogramme aufhebt. Schon lange weckt dieses Geld die Begehrlichkeiten von Behörden und Staatsunternehmen.

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