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Sieben Milliarden Menschen Willkommen Danica, wie geben wir dir eine Zukunft?

Auf den Philippinen hat die kleine Danica als Mensch Nummer sieben Milliarden das Licht der Welt erblickt. Das Bevölkerungswachstum ist eine Herausforderung für den Planeten - aber eine, die bewältigt werden kann.

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Deutschland verliert nach Schätzungen bis 2060 ein Fünftel der Einwohner. Hier läuft ein Ehepaar über die Dorfstraße von Horno. Verlassene und abgerissene Häuser prägen inzwischen das Erscheinungsbild des kleinen südostbrandenburgischen Dorfes. Quelle: dpa

Genf/Berlin Das Kind Nr. 7.000.000.000 ist womöglich längst geboren, vielleicht kommt es auch erst in einigen Wochen zur Welt. Niemand weiß wirklich genau, wann und wo der Säugling entbunden wird, der die globale Bevölkerung auf die Rekordmarke von sieben Milliarden Menschen heben wird. Die Vereinten Nationen legten daher einen symbolischen Tag fest: es ist der heutige 31. Oktober.

Die rein symbolische Begrüßung fand auf den Philippinen statt. Zwei Minuten vor Mitternacht erblickte die kleine Danica May Camacho das Licht der Welt. Im Kreißsaal in einem Krankenhaus von Manila waren unter anderen Uno-Vertreter anwesend, die einen Kuchen mitbrachten. Auch der sechsmilliardste Mensch, die heute zwölfjährige Lorrize Mae Guevarra, nahm an dem Ereignis teil.

„Sie sieht so süß aus“, sagte die Mutter des Babys, Camille Dalura. „Ich kann gar nicht glauben, dass sie der siebenmilliardste Mensch der Welt ist.“ Anlässlich des Ereignisses erhielt das Kind ein Stipendium für ein späteres Studium, die Eltern bekommen finanzielle Unterstützung zum Aufbau eines Geschäfts. Das Baby ist eines von mehreren, die weltweit symbolisch zum siebenmilliardsten Mensch erklärt werden.

„Wir müssen diesem Kind und seiner ganzen Generation eine lebenswerte Zukunft geben“, mahnt Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon. Ein frommer Wunsch: Das Mädchen wird in eine Welt geboren, die schon heute nicht in der Lage ist, allen eine erträgliche Existenz zu bieten. Die Zahl der Hungernden stieg laut der Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO von 2008 bis 2010 von 850 auf 925 Millionen. Rund eine Milliarde Menschen fristen ein Leben in extremer Armut mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag.

Besonders entmutigend sind die Zukunftsperspektiven der Jungen: Nach konservativen Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) finden 75 Millionen oder 13 Prozent der Erdenbürger im Alter von 15 bis 24 Jahren keinen Job. Die Dunkelziffer liegt sehr viel höher. „Millionen Jugendliche rund um die Welt fühlen Frust und Wut“, sagt ILO-Direktor Manuel Salazar-Xirinachs.

Und die Weltbevölkerung wächst weiter. Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts lebten nach Uno-Schätzung sechs Milliarden Menschen auf der Welt. Nun werden es sieben Milliarden. Am Ende des 21. Jahrhunderts könnten sich zehn Milliarden Männer, Frauen und Kinder auf dem Planeten drängen – möglich ist auch ein Anschwellen auf 15 Milliarden.


Im Jahr 2100 könnten wir 15 Milliarden Menschen sein

„Die Bevölkerung wächst in den Ländern besonders schnell, wo die Menschen sehr arm sind“, erläutert die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung. So könnte sich die Zahl der Einwohner in den 50 ärmsten Ländern der Welt von heute mehr als 830 Millionen auf 2,7 Milliarden im Jahr 2100 mehr als verdreifachen. „Das bringt enorme Herausforderungen mit sich – der Druck auf die Gesundheits- und Bildungssysteme und auf die Ernährungslage wird steigen“, heißt es bei der Stiftung.

Es sind vor allem Länder in Afrika, die ihren Bürgern nicht genügend Nahrung, Gesundheitsdienste und Bildung bieten können. Äthiopien, Somalia oder Niger sind besonders traurige Beispiele. Die Bevölkerung Afrikas wird am rasantesten expandieren – von heute einer Milliarde auf rund 3,6 Milliarden am Ende des Jahrhunderts.

Doch auch in asiatischen und lateinamerikanischen Ländern mit enormem Bevölkerungswachstum herrscht Mangel. Im konfliktgeplagten Jemen etwa bedroht der Hunger ein Drittel der 24 Millionen Einwohner. Weit mehr als die Hälfte aller jungen Leute von 15 bis 24 Jahren haben keinen Job. Wie andere bitterarme Länder fällt Jemen durch eine hohe Geburtenrate auf: Jede Frau bringt dort im Schnitt 5,1 Kinder zur Welt.

Wie aber sollen die Regierenden auf die immer größer werdende Zahl der Menschen reagieren? Experten wie Tanja Kiziak vom Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung verbreitet trotz der ernüchternden Trends Optimismus: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.“ Die Politik müsse einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln ermöglichen. Vor allem in den armen Ländern klagen rund 215 Millionen verheiratete Frauen darüber, dass Kondome und Pille fehlen. Zudem verlangt die Expertin mehr Investitionen in die Bildung junger Frauen. Denn gebildete Frauen bekämen später Kinder, wüssten besser, wie sie die Überlebenschancen ihres Nachwuchses erhöhen.


Das gegenteilige Problem hat das Industrieland Deutschland

Eine wachsende Bevölkerung in armen Ländern muss auch nicht zwangsläufig zu mehr Elend führen. So könnte 2040 „die erwerbsfähige Bevölkerung in Gesamtafrika in absoluten Zahlen größer sein als in den heutigen Werkbänken der Welt, China und Indien“, meint Kiziak. Doch um dieses gewaltige Potenzial zu nutzen, müssten die Regierungen des Kontinents schon heute massiv in Ausbildung und Gesundheit der heranwachsenden Generationen investieren. Danach sieht es derzeit nicht aus.

Das gegenteilige Problem hat vor allem das Industrieland Deutschland, in dem die Geburtenrate nahezu konkurrenzlos niedrig ist. Nach dem jüngsten Demografiebericht der Bundesregierung verliert die Bundesrepublik bis zum Jahr 2060 bis zu 17 Millionen Einwohner – ein Fünftel der Bevölkerung. Besonders hart trifft es die neuen Länder: Dort leben in 50 Jahren voraussichtlich ein Drittel weniger Menschen als heute.

Der größte Schwund droht Sachsen-Anhalt: Hier sinkt die Einwohnerzahl voraussichtlich um 42 Prozent. Glimpflich kommen hingegen Hamburg (minus 6 Prozent), Bremen (minus 14) und Bayern (minus 15) davon.

Der Rückgang hat drastische Folgen für die Wirtschaft: Heute sind von den 82 Millionen Bewohnern Deutschlands fast 50 Millionen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 64 Jahren. Der Demografiebericht geht davon aus, dass es 2030 rund 6,3 Millionen Menschen weniger sein werden als heute. Durch die Alterung der Gesellschaft sinkt die Zahl der Arbeitenden, die Steuern und Sozialbeitrage zahlen, weit schneller als die der Gesamtbevölkerung. 2060 wird jeder Dritte mindestens 65 Jahre alt sein.

Im Jahr 2010 waren rund 2,42 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen. Die Zahl könnte dem Bericht zufolge bis 2030 auf rund 3,37 Millionen Menschen steigen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) meint, in der Herausforderung durch die Demografie liege auch „eine Chance, das Land zu modernisieren“. Wie genau das Problem erfolgreich gemeistert werden kann, dazu will Friedrich im Frühjahr eine Strategie vorlegen.

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