Steuersenkungen Weder Plan noch dicke Brieftasche

Die zum 1. Januar in Kraft tretenden Steuersenkungen der schwarz-gelben Regierung stehen erneut in der Kritik: "Wie die Koalition Steuersenkungen in diesem Umfang finanzieren will, bleibt ihr Geheimnis", sagte der Wirtschaftsweise, Wolfgang Franz. Auch den Vorwurf eines mangelnden Kurses muss sich Berlin gefallen lassen.

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Die Steuersenkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes geraten immer wieder unter Beschuss. Quelle: AP Quelle: handelsblatt.com

BERLIN. "Durch die Steuersenkungspolitik entsteht ein massiver Druck auf die öffentlichen Haushalte", kritisierte Verdi-Chef Frank Bsirske. Der Vorsitzende im Rat der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, sagte dem "Tagesspiegel": "Wie die Koalition Steuersenkungen in diesem Umfang finanzieren will, bleibt ihr Geheimnis."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte die Bürger in ihrer Neujahrsansprache: "Manches wird gerade im neuen Jahr erst noch schwieriger, bevor es wieder besser werden kann." Sie sicherte zu, die Bundesregierung werde "alles tun, um Wachstum zu schaffen". Zudem müssten sich Politik und Wirtschaft in den kommenden Monaten weiter um die Sicherung der Arbeitsplätze kümmern.

Bsirske sagte: "2011 kommt die nächste Steuersenkungsrunde auf uns zu: 24 Milliarden Euro Entlastung bei gleichzeitigem Konsolidierungsbedarf von 10 bis 15 Milliarden Euro, um den Maastricht-Vertrag und die Schuldenbremse einzuhalten." Dem "steuerpolitischen Chaos" in der schwarz-gelben Koalition liege die Annahme zugrunde, dass sich die Politik selbstfinanzieren könne. Dies sei aber eine "Illusion", was Versuche in den USA oder in Deutschland unter Rot-Grün belegten.

Franz sagte mit Blick auf die geplanten Entlastungen: "Ich halte derartige Summen für beinahe utopisch." Allein wegen der Schuldenbremse werde der Bund bis 2016 auf 37 Milliarden Euro verzichten müssen ­ die Kosten für das Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht eingerechnet. "Die Bürger müssen wissen, dass es schwere Belastungen geben wird. Ohne einschneidende Kürzungen bei den Ausgaben wird es nicht gehen."

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, forderte Bund und Länder auf, die Staatsverschuldung gemäß den Verfassungsvorgaben einzudämmen. "Einnahmen und Ausgaben müssen künftig in der Regel ohne Kreditaufnahme ausgeglichen sein", sagte er dem "Hamburger Abendblatt" (Donnerstag). Ansonsten könnte das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Zugleich forderte der Gerichtspräsident mehr Finanzautonomie für die Länder. "Man könnte etwa den Bundesländern in stärkerem Maße originäre Einnahmequellen verschaffen, zum Beispiel eigene Steuern", sagte er.

Der Wirtschaftswissenschaftler Henrik Enderlein kritisierte, es sei völlig unklar, wie die Regierung ihren wirtschaftspolitischen Kurs gestalten wolle, wenn der Schuldenberg weiter wachse und Hotelketten Steuergeschenke gemacht würden. Mit den zusätzlichen Steuerentlastungen von bis zu 8,5 Milliarden Euro im neuen Jahr "hätten wir den Bildungs- und Forschungsetat einfach fast verdoppeln können", sagte Enderlein im Deutschlandradio Kultur.

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