Stichwahl in Ghana Kenianische Verhältnisse in Ghana?

Mit Spannung erwartet Ghana den Ausgang der Stichwahl um das Präsidentenamt. Die Reaktion des Verlierers wird zeigen, ob sich die Demokratie in den vergangenen 16 Jahren festigen konnte und Afrikas Musterstaat seinen Ruf verdient. Zwar haben Beobachter den Verlauf der Wahl gelobt - doch die Angst vor einem zweiten Kenia ist nicht gänzlich unbegründet.

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Bisher zählt Ghana zu den wenigen stabilen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent - die Zeit nach der Wahl wird Aufschluss über die Stabilität der Demokratie geben. Quelle: dpa

KAPSTADT. Im westafrikanischen Ghana zeichnet sich der zweite demokratische Machtwechsel seit Einführung des Mehrparteiensystems im Jahr 1992 ab. Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt führte Oppositionskandidat John Atta Mills gestern nach Medienberichten ganz knapp vor dem Regierungskandidaten Nana Akufo-Addo. Das amtliche Endergebnis wird frühestens für heute erwartet.

Ghana, das 1957 als erstes Land Schwarzafrikas unabhängig wurde, galt lange als Musterstaat und zählt zusammen mit Mosambik und Tansania zu den wenigen politischen Stabilitätsankern auf dem Kontinent. Die Wahl für das höchste Staatsamt ist ein Lackmustest, ob Ghana seiner Vorreiterrolle auch heute noch gerecht wird.

Wie der Sender Joy FM unter Berufung auf inoffizielle Ergebnisse meldete, lag Atta Mills, der für den sozialdemokratisch ausgerichteten NDC ins Rennen geht, nach Auszählung von 205 der 230 Wahlkreise mit 51,4 Prozent knapp vorn. Auf seinen Kontrahenten Akufo-Addo von der liberal-konservativen Regierungspartei NPP entfielen 49,4 Prozent der Stimmen. Bei der ersten Runde am 7. Dezember hatte der Regierungskandidat noch gut einen Prozentpunkt vor Atta Mills gelegen, die nötige absolute Mehrheit aber verfehlt.

Ghana hat im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten des Schwarzen Kontinents eine lebendige Opposition und eine wache Zivilgesellschaft. "Vielerorts gibt es den Wunsch, sich nicht so destruktiv wie in anderen Staaten Afrikas zu verhalten", sagt Emmanuel Gyimah-Boadi vom Zentrum für demokratische Entwicklung in der Hauptstadt Accra. Dennoch ist die Stimmung seit dem ersten Wahldurchgang vor drei Wochen äußerst angespannt.

Zwar haben die internationalen Beobachter den Verlauf der Wahl ausdrücklich gelobt, doch erst die Zeit nach der Stichwahl wird zeigen, ob das Land seine Demokratie in den vergangenen 16 Jahren tatsächlich gefestigt hat. Zu frisch ist die Erinnerung an die Wahl vor einem Jahr in Kenia, die unter ähnlich guten Voraussetzungen stattfand, aber am Ende in blutigen Stammeskämpfen versank.

Nach Ansicht von Beobachtern ist die Angst vor einem zweiten Kenia nicht gänzlich unbegründet. Ein Indiz dafür findet sich in einer Studie des Kofi-Annan-Zentrums, wonach es in Ghana ein "weit verbreitetes Potenzial für politische Gewalt" gebe. Schlimme Folgen für das Land werden vor allem dann befürchtet, wenn die Kandidaten im Fall einer Wahlniederlage die ethnische oder religiöse Karte spielen sollten.

Bedenklich stimmt zudem, dass die Spannungen zwischen NPP und NDC in den vergangenen Monaten zugenommen haben. Vor allem im infrastrukturell vernachlässigten Norden ist es bereits zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Der erwartet knappe Wahlausgang hat zudem zur Folge, dass die beiden verfeindeten Hauptparteien um jede Stimme kämpfen und einen Anreiz zum Betrug haben. Zudem glaubt die Opposition, nach zehn Jahren wieder Anspruch auf die Macht zu haben. Umso mehr wird davon abhängen, wie der Verlierer mit seiner Niederlage umgeht.

Polizei und Militär sind bereits für den Ernstfall gewappnet. Daneben haben sich prominente Vertreter des öffentlichen Lebens seit Wochen mit Friedensappellen an die Öffentlichkeit gewandt - zumal ein weiteres Debakel nach der Wahlfarce in Kenia, Nigeria und Simbabwe alle Hoffnungen auf eine Demokratisierung Afrikas noch weiter zurückwerfen würde.

Allerdings gibt es auch positive Anzeichen: Dass viele hochrangige Parlamentarier aller Parteien in der ersten Runde ihren Sitz verloren haben, gilt gemeinhin als Hinweis darauf, dass die Wähler das Versagen von Politikern auch bestrafen. Zudem ist der ethnische Faktor in Ghana weniger ausgeprägt als in anderen Teilen des Kontinents. Und schließlich deutet die im Vergleich zur letzten Wahl eher geringe Wahlbeteiligung von 70 Prozent im ersten Durchgang darauf hin, dass die Wahllisten diesmal von einer großen Anzahl gar nicht vorhandener Wähler gesäubert wurden.

Dass Ex-Außenminister Akufo-Addo als Regierungskandidat trotz einiger wirtschaftlicher Erfolge nicht automatisch mit einem Sieg rechnen kann, liegt daran, dass Ghanas Aufschwung an der großen Mehrheit seiner fast 23 Millionen Einwohner vorbeigegangen ist. Enttäuscht sind viele vor allem darüber, dass der Kampf gegen die Korruption nach ersten Anfangserfolgen der Regierung von Amtsinhaber John Kufuor wie so oft in Afrika inzwischen fast gänzlich verpufft ist. Schließlich hat die Entdeckung größerer Ölvorkommen dazu beigetragen, dass bei dieser Wahl besonders viel auf dem Spiel steht: Der Gewinner kann womöglich schon ab 2010 mit zusätzlichen Staatseinnahmen in Höhe von drei Mrd. Dollar pro Jahr rechnen - ein besonderer Anreiz, gerade diesmal mit allen Mitteln um die Macht zu kämpfen.

Weshalb Ghana im Westen noch immer als Vorzeigemodell dient, ist vielen Beobachtern allerdings ein Rätsel: Denn auch 50 Jahre nach seiner Unabhängigkeit exportiert das Land fast nur die Rohstoffe Gold und Kakao. Sein marktwirtschaftlicher Kurs mag ihm ein bescheidenes Wachstum von zuletzt rund sechs Prozent beschert haben. Doch gemessen am globalen Standard ist das Land mit einem Bruttoinlandsprodukt von knapp 300 Dollar pro Kopf bitterarm. Noch immer finanzieren die Geberländer rund 40 Prozent des Staatshaushalts.

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