US-Präsident Der Retter braucht gute Freunde

Die Erwartungen an Barack Obama sind riesig. Ob sich Amerika in der Welt wieder mehr Gehör verschaffen kann, wird in großem Maße von der Außenpolitik des neuen Präsidenten abhängen. Gerade der außenpolitische Alltag wird grau, schwierig und häufig enttäuschend sein. Wie so oft steckt der Teufel im Detail.

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Der Popstar Barack Obama. Im tristen Regierungsalltag könnte sich die Vergötterung Obamas schon bald dem Ende zuneigen. Quelle: ap

WASHINGTON. Von Beginn an war es die Außenpolitik, die Barack Obamas politischen Höhenflug beflügelte. Obamas Ablehnung des Irak-Krieges, seine angekündigte diplomatische Offensive gegenüber Gegnern der USA, sein Bekenntnis, Amerikas Verbündeten wieder mehr Gehör zu schenken. Mit der Finanzkrise hat sich diese Agenda zwar verschoben. Obamas Start in die Präsidentschaft wird nun vor allem daran gemessen werden, wie er mit den wirtschaftlichen Herausforderungen umgeht. Aber nicht erst der Terroranschlag im indischen Bombay hat gezeigt, dass der neue Präsident sich keineswegs allein darauf konzentrieren kann.

Denn nach acht Jahren George W. Bush wird mit den USA außenpolitisch nicht nur der Irak-Krieg in Verbindung gebracht, sondern ebenso Begriffe wie Abu Ghraib, Guantanamo, Unilateralismus, Geringschätzung internationaler Organisationen sowie eine massive Ausweitung staatlicher Gewalt zum Zweck der Terrorabwehr. Ein Ergebnis dieser Politik ist, dass die USA heute weitaus weniger Möglichkeiten der Einflussnahme haben als früher.

Stärker denn je werden die USA in der Welt als Hegemonialmacht wahrgenommen. Und entsprechend ist auch der Widerstand gegen amerikanische Führungsansprüche gewachsen. Es wird deshalb viel von der Außenpolitik des neuen Präsidenten abhängen, ob und wie sich Washington in der Welt wieder mehr Gehör verschaffen kann.

Einige symbolische Handlungen mit Signalwirkung werden schnell erfolgen wie etwa die Schließung des Internierungslagers Guantanamo auf Kuba. Dazu würde es genügen, wenn Obama eine Präsidentenverfügung unterschreibt. Allerdings muss er zuvor wissen, was mit den immer noch über 200 Gefangenen geschehen soll. Werden sie in Gefängnisse in den USA transferiert, dann haben sie das verfassungsmäßige Recht, innerhalb einer bestimmten Frist einen Prozess zu bekommen. Dann jedoch stellt sich die Frage, ob gegen die mutmaßlichen Terroristen tatsächlich genügend Beweismaterial vorliegt und ob die USA bereit sind, bislang geheimes oder klassifiziertes Material in einem Prozess offenzulegen. Dabei käme auch ein anderes Problem zum Tragen, das Obama von seinem Vorgänger erbt: die Verschärfung der Verhörmethoden, die seit den Anschlägen vom 11. September 2001 bei den US-Terrorfahndern Einzug gehalten hat. Wie belastbar sind Aussagen und Beweise, die möglicherweise unter Druck oder Foltermethoden wie dem "Waterboarding" zu Stande kamen? Wie das amerikanische Strafrecht mit solchen Sachverhalten umgehen kann, ist völlig offen. Wenn also Obama schon kurz nach seiner Vereidigung das Ende von Guantanamo verfügen sollte, dann muss er bis dahin einen Plan in der Tasche haben, wie er mit den rechtlichen Folgen verfahren will. Skeptiker glauben deshalb, dass Obama Guantanamo nicht völlig schließen wird, sondern die Zahl der Insassen lediglich auf einen harten Kern reduziert.

Guantanamo ist dabei eng verknüpft mit den anderen geheimen CIA-Gefängnissen, die außerhalb der USA unterhalten werden. Obama hatte auch hier eine Änderung der Praxis angekündigt, mutmaßliche Terroristen oder Terrorhelfer quasi zu kidnappen, in CIA-Gefängnisse zu transportieren und dort zu verhören. Sollen diese Verdächtigen freigelassen oder in US-Haftanstalten überführt werden? Dann stünde die US-Justiz dort vor dem gleichen Problem wie mit ehemaligen Guantanamo-Gefangenen. Es ist auch hier gut möglich, dass Obama auf die Hilfe der Verbündeten hofft. Denn diese könnten zumindest einen Teil der Inhaftierten bei sich aufnehmen, zumindest die eher unproblematischen Fälle. Dazu gehören jene Internierten, die eigentlich schon vor geraumer Zeit hätten freigelassen werden können, deren Heimatländer aber ihre Aufnahme verweigerten oder denen dort Bestrafung droht. Dazu zählt etwa die Gruppe der Uiguren, die man aus humanitären Gründen nicht nach China abschieben will.

In all diesen außenpolitischen Fragen steckt der Teufel im Detail, weshalb Enttäuschungen mit der künftigen Obama-Politik beinahe programmiert sind. Der Neue im Weißen Haus soll quasi im Handstreich das schwere Erbe, das er am 20. Januar übernimmt, abschütteln. Doch gerade dem Juristen Obama wird es schwerfallen, dies so einfach zu tun. Er wird deshalb gute Ideen, guten Rat und tatkräftige Hilfe der Freunde Amerikas brauchen.

Schon der enge außenpolitische Terminkalender gibt Obama vor, wie schnell von ihm als neuem Präsidenten Antworten erwartet werden. So wird mit den Regionalwahlen Ende Januar das Thema Irak brandaktuell. Die Stärkung der Rolle des irakischen Premierministers Nuri el-Maliki bei den Wahlen ist für Obama eine Voraussetzung, damit er mit dem Abzug von Kampftruppen aus dem Irak beginnen kann.

Obama hatte sich mit seinem Zeitplan zwar etwas Spielraum gelassen, da er eine endgültige Entscheidung über den Umfang des Abzugs erst nach Rücksprache mit seinen Generälen treffen will. Zudem hat der gewählte Präsident offengelassen, wie genau sich die Kampftruppen definieren, die er aus dem Irak zurückholen will. Doch für seine Glaubwürdigkeit kommt es darauf an, dass er ein grundsätzliches Ende des Irak-Engagements einleitet. Immerhin war es seine frühe Opposition zu diesem Krieg, die ihn innerparteilich überhaupt zum Rivalen von Hillary Clinton aufsteigen und am Ende auch gewinnen ließ. Insbesondere dem linken Flügel bei den Demokraten ist Obama deshalb Resultate schuldig.

Ein wichtiges erstes Eckdatum ist die Nato-Gipfelkonferenz im April in Straßburg und Kehl. Mit Spannung dürfte dort registriert werden, welche Haltung die neue US-Führung zum weiteren Vorgehen in Afghanistan einnimmt und ob die europäischen Partner bereit sind, mehr Verantwortung am Hindukusch zu tragen. Obama hat seit längerem deutlich gemacht, dass er im Vergleich mit dem Irak den Krieg in Afghanistan für die Bekämpfung des Terrors als den wichtigeren Schauplatz betrachtet. Der neue Präsident will mehr Truppen an den Hindukusch verlegen und baut dabei auf die Unterstützung durch die Verbündeten. Nach den Anschlägen in Indien hat das Thema noch größere Priorität erlangt, denn nun droht sich der Terror von Afghanistan und Pakistan weiter in den südasiatischen Raum auszubreiten.

Aus europäischer Sicht ist kaum weniger bedeutend, wie sich die USA zu Russland und einer möglichen Mitgliedschaft Georgiens in dem westlichen Militärbündnis stellen. Im Wahlkampf hatte Obama zwar zunächst vorsichtige Kritik am russischen Verhalten in der Georgienkrise im August geübt. Später jedoch hatte sich seine Wortwahl gegenüber Moskau verschärft. Dennoch ist zu erwarten, dass der neue US-Präsident sehr wohl die Empfindlichkeiten kennt, die zur russischen Überreaktion in Georgien beigetragen haben.

Moskau nimmt bis heute für sich in Anspruch, dass eine informelle Absprache mit dem Westen existiere, nach der ein Vordringen der Nato in direkte Nähe Russlands einst ausgeschlossen wurde. Diese Vereinbarung ist nach Auffassung Moskaus bereits mit der Nato-Erweiterung gebrochen worden. Mehr noch aber werde dies durch die Aufstellung des Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien verletzt. Dass es zu dieser - aus russischer Sicht imperialen - amerikanischen Machtausdehnung kommen konnte, sei ein Ergebnis der eigenen Schwäche nach dem Zerfall der Sowjetunion. Unter dem früheren Präsidenten und heutigen Premier Wladimir Putin wurde deshalb die politische Kehrtwende eingeleitet. Moskau demonstriert seit Jahren wieder mehr Stärke - mit dem Höhepunkt in der Georgienkrise.

Obama weiß aber auch - vielleicht besser als sein einstiger republikanischer Gegner John McCain -, dass für die Georgienkrise nicht allein Russland verantwortlich zu machen ist. Der georgische Präsident Micheil Saakaschwili hatte Moskau herausgefordert und sich dabei gründlich verkalkuliert. Nach Auskunft unterschiedlicher Quellen hatte die georgische Führung auf die Unterstützung durch die Nato gehofft, sollte es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Russland kommen. Dass Saakaschwili dieser Illusion erlag, dürfte aber nicht nur mit dem zuweilen überschäumenden Temperament des georgischen Staatschefs zu tun haben. Die USA müssen sich vielmehr fragen, ob sie falsche oder undeutliche Signale nach Tiflis gesandt haben. Ob hier Fehler auf der Seite des Westens gemacht wurden, ist bislang jedoch kaum diskutiert worden.

Vor diesem Hintergrund werden die USA daher nicht an einer schnellen Aufnahme Georgiens in die Nato interessiert sein. Rein formal schon wegen Artikel 5 des Nato-Vertrags, der im Falle eines Angriffs auf ein Bündnisland den Beistand aller anderen Vertragspartner auslöst. Wäre Georgien bereits im vergangenen August Nato-Mitglied gewesen, dann hätte sich die Nato mit Russland im Krieg befunden. Das sicherheitspolitische Team um Obama, seinen designierten Sicherheitsberater James Jones und die künftige Außenministerin Hillary Clinton sind sich dieser Gefahren sehr wohl bewusst. Obama wird deshalb das Thema einer Nato-Mitgliedschaft Georgiens - und gleichzeitig auch der Ukraine - vertagen, dabei aber die Tür grundsätzlich offen lassen. Manche werden dies als Zugeständnis gegenüber Moskau interpretieren. Doch die Realität ist, dass Obama gar keine andere Wahl bleibt als abzuwarten.

Eine weitere außenpolitische Wegmarke sind die Präsidentschaftswahlen im Iran im Juni, nur zwei Monate nach dem Nato-Gipfel. Obama will im Umgang mit Teheran einen neuen Kurs finden, hat dafür jedoch nicht allzu viel Zeit. Nach Meinung von Experten könnte der Iran bereits bis zum Jahresende 2009 genügend Uran und Plutonium besitzen, um mindestens eine Atombombe zu bauen. Wollen die USA Teheran davon abhalten, müssen sie entweder auf den Erfolg einer Dialogstrategie setzen oder noch mehr Druck auf die politische Führung ausüben als bereits unter der scheidenden US-Regierung. Nach Auffassung des ehemaligen Sonderbotschafters unter Bill Clinton für den Nahen und Mittleren Osten, Dennis Ross, reagiert Teheran durchaus auf Druck. So sei das iranische Gesprächsangebot an Washington 2003 vor dem Hintergrund der militärischen Anfangserfolge Amerikas im Irak zustande gekommen. Allerdings schlug die US-Führung seinerzeit die Signale aus Iran, übermittelt durch den Schweizer Botschafter in Teheran, in den Wind. Doch so wie in der Folge die Probleme der USA im Irak zunahmen, wuchs auch wieder das Selbstbewusstsein des Nachbarn.

Ross, der als einer der Autoren von Obamas äußerst wohlwollender Rede Mitte 2008 vor der israelischen Lobbyvereinigung AIPAC gilt, ist Anhänger einer harten Linie gegenüber Iran. Er setzt dabei vor allem auf Sanktionen. So sieht Ross die Möglichkeiten, Iran ökonomisch zu verwunden, noch lange nicht als ausgeschöpft. In einem Beitrag für die Zeitschrift "Newsweek" wies er kürzlich darauf hin, dass die Abhängigkeit Irans von Ölimporten - das Land muss mangels ausreichender Raffineriekapazitäten sein eigenes Öl teuer im Ausland veredeln lassen - ein Ansatzpunkt für weitere Strafmaßnahmen sei. "Wenn man die Volkswirtschaft direkter treffen könnte, dann wären die Mullahs dazu gezwungen, sich zu entscheiden", glaubt Ross, der sowohl Clinton wie zuvor schon George H. W. Bush diente. Welchen Einfluss Ross auf Obamas Iran-Politik haben wird, ist allerdings noch nicht abzuschätzen.

Auf der anderen Seite des Spektrums findet sich John Mearsheimer, dem auch Nähe zum Obama-Team nachgesagt wird. Der Politik-Professor an der Universität Chicago empfiehlt, dass sich die USA auf eine Rolle an der Seitenlinie des Geschehens rund um den Irak und Iran beschränken. Mearsheimer, der 2006 als Ko-Autor eines kritischen Aufsatzes und später eines Buches über den Einfluss der Israel-Lobby in den USA eine Kontroverse ausgelöst hatte, rät dazu, die Regionalmächte stärker ins Spiel zu bringen. Iran, Irak und Saudi-Arabien sollten untereinander eine Machtbalance finden. Die USA sollten nur dann eingreifen, wenn eine Eskalation drohe. Der Ansatz von Mearsheimer käme einer radikalen Abkehr von der bisherigen Linie der USA gleich. Von der Vorstellung von George W. Bush, den Mittleren Osten zu demokratisieren, bliebe nichts übrig.

Mearsheimers Analyse basiert im Grundsatz jedoch auf einem ganz anderen Gedanken. Der Politikwissenschaftler ist nicht der Einzige, der glaubt, dass gerade die massive amerikanische Einmischung im Mittleren Osten den Hass auf die USA auslöst. Je weniger die USA als militärischer Faktor und mit imperialer Macht sichtbar seien, desto weniger werde sich der Unmut - und der Terror - gegen Amerika richten. Richtig daran ist, dass sämtliche einzelnen außenpolitischen Herausforderungen von dem Problem des negativen amerikanischen Images überwölbt werden. Und von Obama wird nicht weniger erwartet, als dass er dieses Imageproblem löst.

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