Wachstumsgesetz Etatlöcher schüren Angst vor Steuersenkungen

Riesige Löcher in den staatlichen Haushalten schüren die Angst der Länder vor weiteren Steuersenkungen. Auch die Kritik von Bundestagspräsident Norbert Lammert am Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition, sorgte weiter für Wirbel. Während die Mehrheit von Schwarz-Gelb die Kritik zurückweist, schloss sich ihr ein CDU-Minister an.

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Jens Böhrnsen: Wenn die Einnahmen der Länder schrumpfen, könnten die Länder nicht mehr in der Lage sein, die Schuldenbremse zu erreichen. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

HB BERLIN. Der Bundesratspräsident, Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD), warnte die schwarz-gelbe Koalition in Berlin im "Weser-Kurier" vor erneuten Steuersenkungen. Nach den ersten drei Quartalen lag das Staats-Defizit bei fast 100 Mrd. Euro. Vertreter von FDP und Union wiesen indessen die jüngste Kritik von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition und an dem zum 1. Januar in Kraft tretenden Steuersenkungspakt von bis zu 8,5 Mrd. Euro zurück.

Böhrnsen sagte: "Wenn durch weitere Steuersenkungsmaßnahmen der Bundesregierung die Einnahmen der Länder schrumpfen, werden diese nicht in der Lage sein, die Schuldenbremse zu erreichen." In seiner Funktion als Bremer Bürgermeister versprach er den sogenannten Geberländern "maximale" Sparanstrengungen in den kommenden Jahren. 2010 werde im kleinsten Bundesland alles auf den Prüfstand kommen.

Thüringens CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht sprach sich gegen Bildungsprogramme des Bundes für Schulen und Kindergärten aus. Der Bund müsse vielmehr den Ländern die finanzielle Souveränität geben, die zusätzlichen Bildungsaufgaben zu erfüllen. "Das bedeutet, dass die Länder mehr Anteile an der Umsatzsteuer erhalten müssen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur dpa. Sie kündigte für den Sommer 2010 harte Verhandlungen an.

FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger beharrte in der "Berliner Zeitung" auf der geplanten Steuerreform für 2011. "Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber wir werden das schaffen." Das Steuerkonzept sei solide und seriös gerechnet. Es geht von bis zu 24 Mrd. Euro Entlastung aus. Trotz der Kritik an den Entlastungen beschrieb Homburger die Stimmung in der Koalition als gut. Sie wies die Kritik Lammerts am Wachstumsbeschleunigungsgesetz zurück.

Auch Baden-Württembergs Finanzminister Willi Stächele (CDU) kritisierte Lammert für dessen Schelte an Schwarz-Gelb. Diese Äußerungen wären, wenn überhaupt, bei der Diskussion des Koalitionsvertrages oder spätestens im parlamentarischen Verfahren angebracht gewesen, sagte Stächele der Tageszeitung "Die Welt". Nach Ansicht von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt kann von einem Fehlstart von Schwarz-Gelb keine Rede sein. "Politik im Alltag fährt man nicht im Automatikgang. Da kracht's auch mal im Getriebe", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Vor allem dann, wenn die FDP nach elf Jahren Opposition wieder mit vorne sitzen darf."

Dagegen erneuerte der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl- Josef Laumann (CDU) die Kritik am Erscheinungsbild der CDU/CSU-FDP-Regierung. "Es war ein Fehler, sich so eindeutig auf das Thema Steuern zu konzentrieren", sagte er den "Westfälischen Nachrichten". In Zeiten knapper öffentlicher Kassen verstehe keiner, warum die Steuer für Hoteliers sinken müsse.

Der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, warnte gegenüber Handelsblatt Online Städte und Gemeinden, in der Wirtschaftskrise die Gewerbesteuer zu erhöhen. FDP-Fraktionsvize Carl-Ludwig Thiele sprach sich in der "Südwest Presse" gegen eine Erhöhung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung aus.

Die Wirtschaftskrise hat in die staatlichen Haushalte bis Ende September ein Loch von fast 100 Mrd. Euro gerissen. Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben - das Finanzierungsdefizit - stieg in den ersten drei Quartalen auf 96,9 Mrd. Euro. Damit lag das Defizit um 79,6 Mrd. Euro höher als im Vorjahreszeitraum (17,2 Milliarden), wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte.

Kommunen werten Konjunkturpaket II als Erfolg

Der Deutsche Städtetag zog zum Jahresende eine positive Zwischenbilanz der noch von der alten Regierung aufgelegten Konjunkturprogramme. Das Konjunkturpaket II habe zu einem fünfprozentigen Anstieg der kommunalen Investitionen geführt, erklärte der Städtetag am Dienstag in Berlin. Die Mittel seien vor allem für die Modernisierung von Schulen, Kindertagesstätten und Krankenhäusern verwendet worden. Im dritten Quartal hätten sich die kommunalen Bauleistungen um 13,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erhöht. "Das Konjunkturpaket II mit seinem Schwerpunkt auf kommunale Investitionen ist eine richtige Maßnahme mit echten Erfolgen", erklärte Städtetagspräsidentin Petra Roth.

Insgesamt stehen für kommunale Investitionen 13,3 Mrd. Euro von Bund, Ländern und Kommunen zur Verfügung. Die Mittel sind laut Städtetag überwiegend verplant. Das belegten auch die Zahlen des Bundes, wonach bereits Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von elf Mrd. Euro auf den Weg gebracht worden seien. "Tausende Unternehmen sind in die Projekte eingebunden, haben Aufträge erhalten oder können im neuen Jahr damit rechnen", erklärte Roth.

Der Städtetag rechnet damit, dass 60 Prozent der Gelder aus dem Konjunkturpaket II im nächsten Jahr ausgezahlt werden. Bis 2011 sollen alle Projekte abgeschlossen sein.

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