Zahl der Erwerbslosen Die Krise erreicht den Arbeitsmarkt

Die Wirtschaftskrise erreicht nun den Arbeitsmarkt. Er zeigte sich fast das ganze Jahr hindurch erstaunlich robust. Doch Experten fürchten einen Einbruch bei den Zahlen für Dezember. Auch auf die Bundesagentur für Arbeit kommen damit härtere Zeiten zu. Die Agentur sieht sich gewappnet.

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Menschen suchen die Bundesagentur für Arbeit auf: Die Zahl der Erwerbslosen nimmt zu. Quelle: ap

HB NÜRNBERG. In dem Monat sei die Zahl der Erwerbslosen bereits deutlich stärker als im Schnitt der vergangenen drei Jahre gestiegen, betonten Bankenvolkswirte in einer Umfrage der Deutschen Presse- Agentur dpa. Die Zeit des Job-Booms sei vorbei. Die Experten rechnen zum Jahresende mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen um 70 000 bis 110 000 auf 3,06 bis 3,1 Millionen. In den vergangenen Jahren hatte der saisonbedingte Anstieg im Dezember lediglich bei knapp 38000 gelegen. Die offiziellen Zahlen will die Bundesagentur für Arbeit (BA) am 7. Januar bekanntgeben.

Rein zahlenmäßig stehe der Arbeitsmarkt trotzdem immer noch gut da. Diese liege aber auch daran, dass die Arbeitslosenstatistik derzeit nicht mehr die tatsächliche Lage auf dem Arbeitsmarkt abbilde, gab Alexander Koch von der Hypo-Vereinsbank zu bedenken. So federten derzeit noch viele Unternehmen ihre Auftragsflaute mit Sonderurlaub, dem Abbau von Leiharbeitern und Kurzarbeit ab, sagte der Experte.

Sollte sich allerdings nach den Weihnachtsferien keine grundsätzliche wirtschaftliche Besserung abzeichnen, drohe in vielen Branchen der Abbau von Arbeitsplätzen, vermutete auch DZ-Bank- Volkswirt Philipp Jäger. "Derzeit haben wir noch einen Stillstand auf dem Arbeitsmarkt mit einer unveränderten saisonbereinigten Arbeitslosigkeit, bevor im Januar der Abbau von Stellen beginnt."

Wie stark die Arbeitslosigkeit wächst, wird nach Ansicht von Stephan Bielmeier von der Deutschen Bank auch davon abhängen, wie sich die von der Krise geschüttelte Zeitarbeitsbranche verhält. "Die Frage ist, wie lange Zeitarbeitsfirmen ihre Beschäftigten noch halten können", meinte er. Im zu Ende gegangenen Jahr hatte die Zeitarbeitsbranche 700 000 Männer und Frauen unter Vertrag - so viele wie nie zuvor.

Gedämpft werden könnte der Anstieg der Erwerbslosenzahlen allerdings durch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft. Dadurch, dass mehr Männer und Frauen als früher in Rente gehen, rechnet die Bundesagentur im Jahr 2009 mit rund 130 000 weniger Menschen, die auf den Arbeitsmarkt drängten. Dies drücke auch die Arbeitslosenzahl.

Im November war die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland um 8 000 auf 2 988 000 gesunken. Die Arbeitslosenquote nahm um 0,1 Punkte auf 7,1 Prozent ab. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 8,1 Prozent gelegen. Binnen Jahresfrist war die Arbeitslosenzahl um 390000 oder zwölf Prozent gesunken. Saisonbereinigt ging die Zahl in Deutschland im November um 10 000 auf 3,15 Millionen zurück. Im Westen nahm die um jahreszeitliche Einflüsse bereinigte Erwerbslosenzahl um 4 000 und im Osten um 6 000 ab.

Sollte die Arbeitslosigkeit 2009 zunehmen, sieht sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) finanziell ausreichend gewappnet. "Wir können aus heutiger Sicht diese Wirtschaftskrise für eineinhalb Jahre gut durchstehen", sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP. Die Bundesagentur habe in den vergangenen Jahren genügend Vorsorge getroffen: "Manche, die unsere Rücklagen kritisch gesehen haben, sind jetzt dankbar dafür. Nun gelte es, gegen die Krise anzuarbeiten: "Dafür haben wir erstmal Geld."

Werde die Rezession allerdings länger als 18 Monate dauern, sei dies mit normalen Mitteln nicht durchzuhalten. "Dann müsste der Staat reagieren und aktiv Wirtschaftspolitik betreiben", sagte Weise. Die inzwischen beschlossene Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 3,3 auf 2,8 Prozent zum 1. Januar bezeichnete Weise angesichts der Wirtschaftskrise als "einen Tick zu viel".

Es sei allerdings vernünftig gewesen, die Senkung zunächst auf 18 Monate zu begrenzen. "In dieser Zeit wird man sehen, wie sich die Wirtschaft entwickelt, und dann steigt der Beitrag wieder auf drei Prozent", betonte er. Für 2008 rechnet die BA mit einem operativen Haushaltsüberschuss von 700 Millionen Euro, für 2009 mit einem Defizit von fast sechs Milliarden Euro. 2007 hatte die BA mit einem Gewinn von 6,6 Milliarden Euro abgeschlossen und 2006 mit einem Rekordüberschuss von 11,2 Milliarden Euro. Trotz des erwarteten Defizits werden sich die Rücklagen nach Einschätzung der BA Ende 2009 auf gut zehn Milliarden Euro belaufen.

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