Poopó-See in Bolivien Der See weicht der Wüste

Der zweitgrößte See Boliviens ist vollständig ausgetrocknet. Die Regierung macht den Klimawandel für den mangelnden Wassernachschub des Poopó-Sees verantwortlich. Eigene Fehler will sie nicht eingestehen.

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Die Satellitenbilder zeigen den Poopó-See 1986 (l.) und 2016. Derzeit beträgt der Wasserstand des Sees noch zwei Prozent seines ursprünglichen Pegels. Quelle: ap

Untavi Vom einst zweitgrößten See in Bolivien ist nicht mehr viel zu sehen: Verlassene Fischerboote liegen auf dem Trockenen in der gleißenden Sonne, Käfer machen sich über tote Vögel her, Möwen zanken um die letzten Leckerbissen. Der Poopó-See wurde im letzten Monat offiziell für ausgetrocknet erklärt.

Zwar trocknete der Salzsee auch in der Vergangenheit schon aus und erholte sich dann doch wieder. Dieses Mal rechnen Wissenschaftler aber nicht mit einer Regeneration.

„Das liefert ein Bild von der Zukunft des Klimawandels“, erklärt Dirk Hoffmann, ein deutscher Forscher am Bolivian Mountain Institute. Er untersucht, wie die steigenden Temperaturen das Abschmelzen der Gletscher in Bolivien beeinflussen. In den halbtrockenen Anden, auf einer Höhe von 3700 Metern, liegt auch der Poopó-See – oder nun der Sumpf, der noch von ihm übrig ist.

Mit den Gletschern der Anden verliert der Poopó auch seine Wasserquellen. Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle beim Verschwinden von Boliviens zweitgrößtem See nach dem Titicaca. Als wichtigster Treiber gilt die anhaltende Dürre, ausgelöst vom Wetterphänomen El Niño. Aber auch die Umleitung von Wasser aus den Zuläufen des Poopó, hauptsächlich für den Bergbau, trug zur Austrocknung bei.

Hier gibt es keine Zukunft

Und so haben in den vergangenen drei Jahren mehr als 100 Familien ihre Schafe, Lamas und Alpakas verkauft und ihre Fischernetze an den Nagel gehängt. Sie sind weggezogen aus Untavi, dem Ort, der einst am Seeufer lag und heute nur noch halb so viele Einwohner hat wie damals.

Zurückgeblieben sind nur die Alten. „Hier gibt es keine Zukunft“, erklärt Juvenal Gutiérrez, der ebenfalls wegging und nun in einem nahegelegenen Ort als Fahrer eines Motorradtaxis arbeitet.

Die Archive über die Geschichte des Sees reichen nur 100 Jahre zurück und auch genaue Daten darüber, wie viele Menschen wegen der Trockenheit ihre Heimat verließen, liegen nicht vor. Mindestens 3250 Menschen erhielten jedoch bereits Hilfe zum Überleben, wie die Behörden erklären.

Derzeit beträgt der Wasserstand des Poopós noch zwei Prozent seines ursprünglichen Pegels, wie Gouverneur Victor Hugo Vásquez sagt. Einst erreichte der See eine Tiefe von bis zu fünf Metern. Biologen berichten, 75 Vogelarten seien aus dem Gebiet verschwunden.


Dürre bedroht das gesamte Andenhochland

Unter Trockenperioden litt der See schon immer. Das Ökosystem geriet jedoch in den vergangenen drei Jahrzehnten verstärkt unter Stress. Die Temperaturen stiegen um rund ein Grad Celsius, während gleichzeitig der Bergbau die Zuflüsse schwächte. Dadurch kam es wiederum zu verstärkten Ablagerungen.

Der Biologe Mark Bush vom Florida Institute of Technology erklärt, dieser langfristige Trend aus Erwärmung und Dürre bedrohe das gesamte Andenhochland. Eine Studie von 2010, an der er beteiligt war, warnt vor einer möglicherweise katastrophalen Trockenheit in der bolivischen Hauptstadt La Paz in diesem Jahrhundert. Das würde eine Wasser- und Lebensmittelknappheit für die drei Millionen Einwohner der Stadt bedeuten.

Eine andere Studie im Auftrag der Regierung ermittelte, dass dem Poopó im Jahr 2013 rund 160 Milliarden Liter Wasser fehlten, um seinen Wasserstand zu halten. „Es könnte zu irreversiblen Veränderungen im Ökosystem kommen, die massive Wanderungsbewegungen und größte Konflikte auslösen“, hieß es weiter.

Eine örtliche Bürgerinitiative wirft den Behörden vor, Warnungen vor einer Austrocknung des Poopó ignoriert zu haben. „Man hätte etwas tun können, um die Katastrophe zu verhindern“, sagt deren Vorsitzender Ángel Flores. „Die Bergbauunternehmen leiten seit 1982 Wasser um.“

Präsident Evo Morales weist die Verantwortung von sich und setzt darauf, dass der See sich doch noch einmal erholt. „Mein Vater hat mir erzählt, er habe den trockenen See schon einmal auf einem Fahrrad überquert“, sagte er im vergangenen Monat.

Die EU soll helfen

Umweltschützer und Aktivisten vor Ort sehen die Regierung dennoch in der Verantwortung. Die Wasserressourcen seien schlecht gemanagt, die Verschmutzung durch den Bergbau ignoriert worden. Mehr als 100 Minen liegen flussaufwärts und viele von ihnen entließen ihre Abwässer ungeklärt in die Zuflüsse des Poopó, darunter auch Huanuni, die größte staatliche Zinnmine.

Ende 2014 verendeten Tausende Fische. Die Technische Universität in Oruro fand im Wasser hohe Belastungen mit Schwermetallen, darunter Cadmium und Blei. Der Präsident des Bergbauverbands, Saturino Ramos, weist dennoch die Verantwortung von sich. Jede Verschmutzung durch die Industrie sei „unbedeutend im Vergleich zum Klimawandel“, erklärt er.

Die bolivianische Regierung hat nun die Europäische Union um 130 Millionen Euro für Wasseraufbereitungsanlagen in der Region gebeten. Außerdem sollen die Zuflüsse ausgebaggert werden, darunter der Desaguadero, der vom Titicaca-See gespeist wird.

Kritiker befürchten jedoch, dass es dafür schon zu spät ist. „Ich glaube nicht, dass wir den blauen Wasserspiegel des Poopó wiedersehen werden“, sagt Milton Perez, Wissenschaftler an der Technischen Universität. „Ich glaube, wir haben ihn verloren.“

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