Raumfahrt Rohstoffsuche auf Ryugu

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Gefahr von kosmischen Geschossen

Es ist eine Expedition in unendliche Weiten: Mascots Mutterschiff Hayabusa-2 startete im Dezember 2014 vom japanischen Weltraumzentrum Tanegashima ins All. Ein Jahr später flog sie noch einmal an der Erde vorbei, 3090 Kilometer über Hawaii, um in ihrem Gravitationsfeld Schwung zu nehmen. Die Forscher in Köln verbrachten die Wartezeit mit Trainings und Berechnungen – und checkten alle paar Monate via Funk Mascots Instrumente. „Wir operieren weit entfernt im Weltall, in einer unwirklichen Welt“, sagt Operationsleiter Krause. „Darum müssen wir gegen alles gewappnet sein.“



Am 27. Juni 2018 erreichte Hayabusa-2 ihr Ziel – nach 3,2 Milliarden Kilometern Flug. Ein Linienflugzeug bräuchte für die Strecke 406 Jahre, die Sonde brauchte dreieinhalb. Eine noch schnellere Reise hätte viel mehr Treibstoff erfordert, drastisch größere Tanks, einen teureren Raketenstart. Deshalb dürfte Weltraumbergbau zunächst allenfalls in Erdnähe möglich sein – und erst viel später im großen Gürtel jenseits des Mars.

Wie viel Wasser und wie viele Metalle enthält Ryugu wirklich? Das wollen die Forscher in Köln und Japan von Oktober an herausfinden. Seit Juni trudeln die ersten scharfen Bilder vom Asteroiden im Kölner Kontrollzentrum ein – Postkarten aus einer anderen Welt. Ende August entschied Krauses Team, dass Mascot auf der Südhälfte des Asteroiden landen soll, an einer Stelle, wo es nicht wärmer als 47 Grad und nicht kälter als minus 63 Grad Celsius wird – optimale Temperaturen für Instrumente und Akkus.

Die Schwerkraft des Asteroiden ist 60.000-mal geringer als die der Erde. Ein Astronaut, der dort einen Schritt machen wollte, katapultierte sich unvermittelt ins All und kehrte nicht mehr zurück. Ein Bohrhammer würde mit dem ersten Schlag zum kosmischen Geschoss. Zuletzt machten Forscher der Europäischen Weltraumorganisation Esa mit derlei Tücken der Physik Bekanntschaft, als die Raumsonde Philae auf dem Kometen 67P aufprallte, zurück ins All flog und schließlich einen Kilometer vom ersten Landeplatz entfernt aufsetzte. Erst Monate später fanden die Forscher Philae zufällig auf Fotos des Begleitschiffs wieder. Das sollte Mascot nicht passieren: Der Lander sollte sich etwa 60 Meter über dem Asteroiden von seinem Mutterschiff trennen und binnen einer halben Stunde langsam zu Boden sinken. Auf der Erde wiegt Mascot zehn Kilogramm. Auf Ryugu weniger als ein Blatt Papier.





Nicht mal ein voller Tag bleibt den vier Messgeräten an Bord nun nach der Landung, um Felsen zu fotografieren, die Mineralanteile des Bodens und das Magnetfeld zu vermessen. Mit einem Schwungarm katapultiert sich Mascot zwischendurch einmal in die Höhe, um meterweit an eine zweite Stelle zu hüpfen. Ein gefährlicher Moment: Geröllfelder, Hänge, Felsen könnten den Flug von Mascot unterbrechen – oder den Funkkontakt zum Mutterschiff und nach Köln.

Die Funksignale vom Kontrollzentrum bis zur Sonde und zurück, vermittelt über drei riesige Satellitenschüsseln in Japan, Kalifornien und Australien, brauchen 30 Minuten. „Wir fliegen blind“, sagt Operationsmanager Krause, „während der Mission werden wir keine Bilder haben.“ Fast alles ist darum vorprogrammiert: Beim Landeanflug erkennen Sensoren, ob Mascot schräg oder auf dem Kopf steht; ein Schwungrad richtet die Sonde dann wieder richtig aus. Nur die Kurven auf den Monitoren in Köln verraten, ob etwas schiefläuft – und Krauses Team noch eingreifen kann.


Raumstation voller Bergarbeiter

Die Sonde Hayabusa-2 wird später selbst an den Asteroiden andocken und sogar eigene Bodenproben sammeln, die in Laboren auf der Erde Aufschluss über seine Zusammensetzung geben sollen. Es ist aufgrund der geringen Schwerkraft ein kompliziertes Manöver. Ende 2020 soll eine Kapsel die Probe Richtung Erde bringen und in ihrer Atmosphäre an einem Fallschirm herabsinken. Erstmals können Geologen sich dann ein genaues Bild machen, woraus Asteroiden vom sogenannten Typ C wie Ryugu bestehen.

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