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Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen hat die Bundesregierung das öffentliche Leben weiter erheblich eingeschränkt. Quelle: dpa

Die Wirtschaft muss wieder hochgefahren werden

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Genauso besonnen, wie Deutschland sich auf Corona vorbereitet hat, sollte es auch das Hochfahren der Wirtschaft angehen.

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Das Virus hat eine zerrissene Gesellschaft befallen. Die Fähigkeit zum ruhigen Diskurs scheint abhanden gekommen. Verschwörungstheorien geistern durch die Welt, wer eine andere Meinung hat, wird außerhalb seiner Filterblase in eine Schublade gesteckt und social-medial erledigt. In Sachen Corona stehen sich zwei Lager gegenüber: die Mehrheit, die den Shutdown akzeptiert, gegen diejenigen, die das Herunterfahren der Wirtschaft Selbstmord aus Angst vor dem Tod nennen, die Herdendenken anprangern, den Vergleich mit der Influenza ziehen, die auch Hunderttausenden das Leben kostet. Die Statistik bemühen, nach der jeder Tote, bei dem das Virus nachgewiesen wird, als Coronatoter gilt, auch wenn er an Krebs verstorben ist. Unter dem Diktat der Virologen werde die Ratio erstickt, sagen sie. Da kommt Misstrauen hoch, Erfahrungen aus dem Streit um Klima, Flüchtlinge und Atomausstieg, in dem Politik immer als alternativlos verkauft wurde und Kritik nicht verboten war, aber zu Ausgrenzung führte.

Zweifel sind legitim und müssen offen debattiert werden. An einer Tatsache kommen die Kritiker nicht vorbei: den überfüllten Krankenhäusern von Bergamo über Straßburg bis New York, den nach Luft ringenden Menschen, denen keiner helfen kann, an verzweifelten Ärzten und ausgepowerten Pflegekräften. Entscheidend im Kampf gegen die Seuche ist Zeit, weil das Land nur mäßig vorbereitet war, weil Politiker gezögert haben.

Die gewonnene Zeit hat Deutschland gut genutzt: diszipliniert, sogar hilfsbereit gegenüber EU-Nachbarn. Kliniken konnten sich vorbereiten. Nach anfänglichen Beschaffungsproblemen wurden Masken organisiert, Intensivbetten aufgestellt, mögliche Engpässe identifiziert. Die Industrie stellt sich um, produziert: Masken, Beatmungsgeräte, Sauerstoffflaschen, Schnelltests, am Ende hoffentlich den Impfstoff und wirksame Therapien. Ärzte konnten sich mit Kollegen aus China, Italien, Frankreich austauschen. So wächst die Hoffnung, dass das tödliche Chaos an den Kliniken ausbleibt.

Erste Erfolge, und sei es nur Zeitgewinn, sollten wir nicht gering schätzen. Jetzt gilt es, wirtschaftliche Härten fair abzufedern – vor allem aber Schritte zu planen, die Ökonomie und Gesellschaft wieder anschieben: Risikogruppen zu Hause lassen, Millionen Menschen schnell testen, um Infizierte zu isolieren und möglichst viele zu finden, die bereits immun sind und die Alten betreuen können. Und dann die Wirtschaft koordiniert wieder hochfahren.

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