Schlecker-Pleite „Wir mussten Insolvenz anmelden wegen einer geplatzten Lastschrift“

Ab wann war das Drogerieunternehmen Schlecker insolvent? Im Prozess gegen Anton Schlecker sollte der ehemalige Finanzvorstand Klarheit bringen. Dieser gibt kuriose Einblicke in das Leben eines Managers bei Schlecker.

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Finanzvorstand Sami Sagur (links), Meike Schlecker und Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz gaben am 30. Januar 2012 die Insolvenz der Drogeriekette bekannt. Quelle: picture alliance

Stuttgart Im Januar 2012 verkündete Meike Schlecker die Insolvenz des Drogerieriesens Schlecker. Mit wächserner Haut und brüchiger Stimme sagte sie bei einer Pressekonferenz in dem verglasten Unternehmenssitz in Ehingen: „Es ist nichts mehr da.“ Neben ihr saß damals der Finanzvorstand des Unternehmens: Sami Sagur.

Über fünf Jahre später, an diesem Montag, sitzen Meike Schlecker und Sagur wieder zusammen in einem Raum – im Saal 18 des Stuttgarter Landgerichts. Meike Schlecker als Mitangeklagte im Prozess gegen ihren Vater Anton Schlecker, dem die Staatsanwaltschaft vorsätzlichen Bankrott vorwirft. Sagur als Zeuge, der bei der Klärung der Frage helfen soll: War Schlecker schon lange vor der tatsächlichen Insolvenz zahlungsunfähig?

Das ist der entscheidende Punkt in dem Prozess gegen Anton Schlecker sowie seine Mitangeklagte Frau Christa und die Kinder Lars und Meike Schlecker. Sagur soll Licht in die komplizierte Finanzkonstruktion bei Schlecker bringen, doch bei ihm ist es ähnlich wie schon bei vielen vorherigen Zeugen. Die Jahre haben die Erinnerungen getrübt, vor allem aber konnte scheinbar selbst das Führungspersonal alleine keine weitreichenden Entscheidungen treffen. Als Sagur berichtet, dass er als Finanzvorstand keinen Zugang zum Buchhaltungssystem hatte, fragt in Richter Roderich Martis etwas ungläubig: „Aber sie waren schon Finanzvorstand?“

Sagur berichtet, dass die Finanzlage des Unternehmens schon schlecht gewesen sei, als er im Juli 2010 seinen Posten als Finanzvorstand bei Schlecker antreten habe. Zwar seien ihm vor Beginn seiner Tätigkeit keine genauen Zahlen bekannt gewesen, er habe aber aus der Presse gewusst, dass es dem Unternehmen nicht gut gehe. Außerdem: „Wenn man eine Schlecker-Filiale besucht hat, konnte man sehen, dass es einen Investitionsstau gab.“ Allerdings sei er davon ausgegangen, dass die Familie Schlecker noch über ausreichend Vermögen verfüge, um neue Investitionen zu stemmen.

Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass es weitaus schlechter um Schlecker bestellt war und schon Ende 2009 die Zahlungsunfähigkeit drohte. In dem Prozess wirft die Anklage Firmenchef Anton Schlecker auch vor, dem Zugriff der Gläubiger Vermögenswerte in Höhe von mehr als 25 Millionen Euro entzogen zu haben.

„Ich hatte eigentlich ein gutes Gefühl“, sagt Sagur in Bezug auf die finanzielle Zukunft des Unternehmens. Worin dieser Optimismus begründet war, wird in der Befragung nicht deutlich. Vielmehr hing die Zukunft des Schlecker-Konzerns schon 2010 vom Wohl und Wehe des Lieferanten Markant und des Kreditwarenversicherers Euler-Hermes ab. „Am Ende mussten wir Insolvenz anmelden wegen einer geplatzten Lastschrift“, stellt Sagur die Situation da.


Der Ex-Finanzchef hielt die Lage nicht für aussichtslos

Bereits im Februar 2011 mussten Lastschriften an Markant verschoben werden, weil Schlecker sie nicht hätte bedienen können, wie Sagur bestätigt. Als im Januar 2012 Verhandlungen über die Verschiebung von vier weiteren Lastschriften in Höhe von knapp 130 Millionen Euro platzten, musste Schlecker Insolvenz anwenden.

Nach Einschätzung des Ex-Finanzchefs war die Lage aber nicht aussichtslos. So sei ein Warenhaus in Ehingen verkauft worden, um den Engpass zu überbrücken. Die 30 Millionen Euro trafen aber zu spät auf dem Konto ein. Sagur zeigt sich in der Befragung sicher, dass die Konsolidierung von Schlecker hätte gelingen können, wenn Markant und Euler-Hermes den Verschiebungen der Lastschriften zugestimmt hätten. Dabei weist er darauf hin, dass das Geld bei Schlecker üblicherweise Anfang des Jahres knapp wurde, weil neben dem laufenden Betrieb auch die Weihnachtsware bezahlt werden musste. Die Zahlen wären im Verlauf des Jahres aber immer besser geworden.

Die Zahlen, die das Gericht präsentiert, sprechen allerdings eine andere Sprache. Nachdem Schlecker schon im Jahr 2010 einen Verlust von 118 Millionen Euro einfuhr, verschlechterten sich die Zahlen im Verlauf des Jahres 2011 weiter. Alleine in den Monaten Juli bis November betrug der Verlust 189,5 Millionen Euro.

Insofern stellt sich auch die Frage, woher das Geld für das Sanierungskonzept der Unternehmensberatung Wieselhuber und Partner hätte kommen sollen. Von diesem versprach man sich bei Schlecker die Rettung. Das Konzept sah vor, etliche verlustbringende, kleine Filialen zu schließen und dafür die verbliebenen, größeren Filialen zu modernisieren. Zudem sollte das ramponierte Image mit einer frischen Marketingkampagne verbessert werden.

230 Millionen Euro hatten die Unternehmensberater als Kosten veranschlagt. Sagur berichtet, dass man dafür Teile des Unternehmens habe verkaufen wollen – etwa den Online-Handel Schlecker Homeshopping. Alternativ hätte man auch Immobilienbesitz des Unternehmens verkaufen können, beispielsweise das überdimensionierte Einkaufszentrum in Ehingen. Doch zu einem tatsächlichen Verkauf kam es nie. Konnte es auch nicht, wie Sagur eingesteht. Denn sämtliche Immobilien und Waren dienten gegenüber dem Kreditwarenversicherers Euler-Hermes als Sicherheiten in einem Treuhandvertrag.

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