Tanker werden zu schwimmenden Lagern Satellitenbilder zeigen: Iran wird sein Öl nicht mehr los

Ölreserven auf hoher See Quelle: LiveEO

Eine Auswertung von aktuellen Satellitenaufnahmen zeigen, dass die Öltanks im wichtigsten Ölhafen Irans nach dem Embargo prall gefüllt sind. Deshalb müssen offenbar immer mehr Tanker als schwimmende Lager herhalten.

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Geht es nach den Ölreserven, ist Iran eine der reichsten Nationen der Erde. Die Lagerstätten des Landes sind ungefähr doppelt so groß wie die von Russland, umfassen gar die vierfache Menge Öl, die in den USA lagert. Zum heutigen Ölpreis entspricht der Wert dieser nachgewiesenen Vorkommen immerhin elf Billionen Dollar – so viel wie das Bruttoinlandsprodukt von China.

US-Präsident Donald Trumps Ölembargo gegen das Mullah-Regime sorgt nun aber dafür, dass Iran mit diesem Schatz kaum etwas anfangen kann. Dutzende Satellitenaufnahmen, die die WirtschaftsWoche gemeinsam mit dem Erdbeobachtungsunternehmen LiveEO ausgewertet hatte, belegen, dass derzeit an vielen Tagen kein einziger Tanker am wichtigsten Ölhafen des Landes, der Insel Kharg im Persischen Golf, andockt. 2016, nach Abschluss des Atomabkommens und der vorübergehenden Lockerung der Sanktionen, waren es mindestens zwei Schiffe, oft sogar fünf bis sechs.

Eine tiefergehende Analyse der Aufnahmen aus dem All liefert nun Hinweise darauf, dass Iran zunehmend Probleme bekommt, das unverkäufliche Öl zu lagern. Die meisten Öltanks auf der zwei Kilometer breiten und vier Kilometer langen Insel, die zwei Schiffsterminals besitzt, sind inzwischen prall gefüllt.

Das Land muss darum offenbar immer mehr eigene Tankschiffe zu schwimmenden Öllagern umwidmen. Diese driften nun sogar in größerer Anzahl vor der Küste, als bisher von Analysten angenommen.


Die meisten Öltanks auf der Insel Kharg sind inzwischen prall gefüllt.

Erkennen lässt sich der Füllstand der Tanks am Schattenwurf. Die meisten besitzen schwimmende Dächer, die sich je nach der Ölmenge im Inneren heben oder senken. Die WirtschaftsWoche nutzte für die Analyse hochaufgelöste Satellitenaufnahmen, bei denen ein Pixel im Bild etwa 50 Zentimetern auf der Erdoberfläche entspricht.

Am 22. Mai 2016 warfen die Wände der meisten Tanks dank der Sonneneinstrahlung deutliche Schatten nach innen und außen, was einen niedrigen Füllstand signalisiert. Am 27. Juni 2019 dagegen war bei den meisten Tanks nur außen ein Schatten zu erkennen, sie sind also derzeit stark gefüllt.
Von 47 Tanks sind den Aufnahmen zufolge aktuell immerhin 36 Tanks voll, fünf etwa halbleer und nur sechs nahezu komplett leer. Im Mai 2016, als das Ölgeschäft des Landes florierte, waren nur sieben Tanks voll, 17 halbleer und 23 nahezu leer.


Am inneren Schatten der Tanks erkennt man den Füllstand.

Weiträumige Aufnahmen um die Insel deuten zudem darauf hin, dass der Iran zurzeit zunehmend Supertanker in schwimmende Lager umfunktionieren muss. Bereits während der Sanktionen vor 2016 hatte das Land dies praktiziert. Als die USA und Europa das Embargo später lockerten, setzte Iran die Schiffe nach und nach in Bewegung, um das Öl auszuliefern.

Am 16. August 2016 zeigten Satellitenaufnahmen in den Gewässern rund um die Insel nur acht Tanker. Am vergangenen Sonntag waren immerhin 16 Tanker zu erkennen, die wartend vor der Insel lagen. „Man darf schlussfolgern, dass diese Schiffe als schwimmende Lager eingesetzt werden“, sagt Svetlana Lobaciova, Analystin beim Londoner Schiffsbroker Gibson.


Am 16. August 2016 zeigten Satellitenaufnahmen in den Gewässern nur acht Tanker. Am Sonntag waren 16 Tanker zu erkennen.

Gibson hatte zuletzt elf iranische Tankschiffe gezählt, die mutmaßlich als Speicher benutzt werden. Das Unternehmen stützt die eigene Berechnung aber auf ältere Transponderdaten. So hätten diese Tanker vor mehreren Monaten ihre Transponder abgeschaltet. „Wir gehen davon aus, dass die Schiffe als Speicher dienen, wenn sie so lange vom Radar verschwinden“, erläutert Lobaciova. Ein typischer iranischer Supertanker fasst etwa zwei Millionen Barrel Öl, das entspricht etwa 300.000 Tonnen.

Das letzte Mal hatte Iran vor der Lockerung der Sanktionen 2016 schwimmende Öl-Lager eingerichtet. Im Mai 2016 umfassten diese dem Schiffsbroker Gibson zufolge immerhin 28 Tankschiffe. Bis November 2017 baute das Land diese Lager komplett ab.

Doch im Mai 2018 kündigte Trump das 2015 geschlossene Abkommen auf, das eine Lockerung der Sanktionen gegen Iran vorsah, wenn das Land sein Atomprogramm zurückfährt. Wer seitdem iranisches Öl kauft, riskiert unter anderem wieder, künftig keine Finanzgeschäfte mehr in den USA abwickeln zu dürfen. So wird es für Iran immer schwieriger, das Öl abzusetzen.

Ein Ende der Sanktionen ist derzeit nicht abzusehen. Iran plant Medienberichten zufolge deshalb, seine Speicherkapazität an Land und auf See von zurzeit 69,1 Millionen Barrel auf 79,9 Millionen Barrel zu erhöhen.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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