App HomeKit Apple wird Hausmeister

Mit der App HomeKit macht Apple das iPhone zur Schaltzentrale für die eigenen vier Wände – und setzt einen Standard für den Markt der Hausautomatisierung.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Smart-Home-Systeme im Sicherheitstest
Gigaset Elements Quelle: Screenshot
RWE Smart Home Quelle: Screenshot
Qivicon Quelle: Screenshot
iComfort Quelle: Screenshot
tapHome Quelle: Screenshot
iConnect Quelle: Screenshot
Xavax Max! Quelle: Screenshot

Nach Apples Produktvorstellung vor einigen Monaten schossen die Kritiker mal wieder scharf: Nichts Neues habe der Konzern gezeigt, schrieben sie, nichts Revolutionäres, und die ganze Show sei eine einzige Enttäuschung. Dabei haben sie eines übersehen. Apple muss nicht gleich ein neues Gerät herausbringen, um einen ganzen Markt umzukrempeln – manchmal genügt auch eine neue App. Zum Beispiel das HomeKit.

Die in San Francisco vorgestellte Handy-Software kommt mit dem neuen mobilen Betriebssystem iOS 8 gratis auf den Markt. Sie soll intelligente Hausgeräte miteinander verbinden. Wie eine Art digitaler Hausmeister schließt sie künftig das Garagentor vom US-Hersteller Chamberlain ab, dimmt die Glühbirnen vom Lampenhersteller Cree oder öffnet das elektronische Türschloss des Start-ups August.

Mehr als 500 Millionen iPhones und 200 Millionen iPads haben die Kalifornier bis dato verkauft. Wer sie auf die neue Version des Betriebssystem iOS updated, macht sie automatisch zur intelligenten Zentrale für alle Hausgeräte, die Apple künftig dazu zertifiziert.

Für welche Smart-Home-Technologien sich deutsche Internetnutzer interessieren

Damit könnte Apple erreichen, was zahlreiche Hersteller lange versucht haben: Einen Standard für die Hausvernetzung durchzusetzen. „Apples HomeKit kann der Hausautomatisierung endlich den Durchbruch bringen“, sagt Fred Potter, CEO und Gründer des französischen Start-ups und Smart-Home-Anbieters Netatmo, im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. „So wie vor mehr als zehn Jahren der iPod die Musikindustrie umgekrempelt hat.“

Netatmo stellt vernetzte Geräte her und ist eines von mehr als einem Dutzend Unternehmen, mit denen Apple bereits eine Partnerschaft für die HomeKit-Software vereinbart hat. Dazu zählen auch die US-Hersteller August und iDevices, die sich aber verschlossen geben. Auf Anfrage reagierten sie mit identischen, gerade zwei Sätze langen Antworten; der Anbieter Chamberlain wollte keinen Kommentar geben; andere antworteten gar nicht.

„Apples Schritt ins Smart-Home-Geschäft ist eine gute Nachricht für uns“, sagt Netatmo-Gründer Potter. „HomeKit wird uns helfen, unsere Produkte zu vermarkten.“ Netatmo werde ein neues Produkt herausbringen, das mit der App von Apple funktioniert. Denn damit könne etwa ein smartes Thermostat, das Netatmo verkauft, bald via iPhone mit anderen Hausgeräten kommunizieren – und werde dadurch noch nützlicher.

Angriff auf Silo-Systeme

So erstaunlich es im Internet-Zeitalter klingen mag: Bisher ist eben das nicht möglich. Denn auf dem Hausgerätemarkt herrscht buchstäblich babylonische Sprachverwirrung. Zahlreiche Anbieter haben eigene geschlossene Systeme entwickelt, die mal mit Zigbee-Funk, mal mit dem Protokoll KNX-RF oder mal mit dem Telefonprotokoll Dect arbeiten. Die Folge: Das Heizthermostat des einen Herstellers kann sich nicht mit dem Fensteröffner des anderen Herstellers verständigen.

Diese Silo-Systeme könnte Apple nun durch seine Technik ersetzen, die offen ist für verschiedene Hersteller. Der Konzern setzt auf Wlan und auf den Bluetooth-Funk. Das ist schlau: Einen Wlan-Router haben die meisten Internet-Nutzer daheim installiert. Und Bluetooth ist in allen modernen Mobiltelefonen und Tablets integriert.

Zwar gibt es für viele vernetzte Hausgeräte schon eigene Apps. Aber Apple bündelt ihre Funktionen nun in einem Programm für das iPhone und das iPad. Damit können Nutzer persönliche Aufgabenpakete schnüren: Abends schließt mit einem Fingerdruck in der App die Tür, geht das Licht aus und die Heizung fährt herunter.

Mehr noch – intelligente Hausgeräte lassen sich bald mit Apples Spracherkennung Siri steuern. Wer etwa das ganze Haus in den Nachtmodus versetzen möchte, muss nur noch sagen: „Hey Siri, Zeit, ins Bett zu gehen“. Sofort löst das Telefon die gespeicherten Befehle aus. Dazu muss der Nutzer das Telefon nicht einmal in die Hand nehmen, denn Siri hört künftig zu, sobald der Nutzer es anspricht.

Wo bleiben Telekom und RWE?

Die App könnte die Hausautomatisierung also noch einmal deutlich komfortabler machen als heute. Und viele Hersteller von Hausgeräten und Vernetzungstechnik könnten davon profitieren. „Apples Vorstoß zeigt, wie spannend der Markt ist“, sagt Martin Vesper, Chef des Schweizer Hausvernetzungsunternehmens Digitalstrom. Auch für sein Unternehmen könne er sich eine Zertifizierung bei Apple vorstellen, sagt Vesper. „Wir sind sehr für offene Schnittstellen.“

Und doch dürfte es Verlierer geben: Die Betreiber geschlossener Systeme, deren Geräte nur mit einer speziellen Basisstation funktionieren, die auf einer eigenen Welle funkt. Sie dürften den Druck von Apples Marktmacht bald zu spüren bekommen.

Möglich ist auch, dass Apple sogar eine Smart-Home-Zentrale für das Wohnzimmer herausbringt – vielleicht einen vernetzten Fernseher. So ein Gerät könnte ständig Kontakt mit Fenstersensoren, Lichtschalter und anderen Geräten halten, die nicht auf der Wlan-Welle funken können, weil das zu viel Strom verbrauchen würde.

Mit diesen Produkten können Sie Ihre Heizung steuern
Tado Quelle: PR
AlphaEos Quelle: PR
Mobilcom-Debitel Quelle: PR
Qivicon Quelle: PR
RWE Heizungssystem Quelle: PR
System Easy Control Quelle: PR

Derzeit versucht die Deutsche Telekom, eine solche Hauszentrale mit ihrem System Qivicon auf dem Markt zu etablieren. Die vernetzte Box erkennt verschiedene Funkstandards und verbindet so unterschiedliche Systeme. Sollten nun immer mehr Hersteller auf Apples Standard setzen, könnte dieser Ansatz langfristig überflüssig werden. „Wir begrüßen jede Initiative, die dem Wachstumsmarkt für Hausautomatisierung weitere Impulse verleiht“, schreibt der Konzern auf Anfrage. „Wir sind überzeugt, in diesem Markt eine wichtige Rolle zu spielen und uns im Wettbewerb zu behaupten.“

Apple tritt auch in Konkurrenz zum Smart-Home-System des Essener Energiekonzerns RWE. Der will seine eigene Basisstation zur Schaltstelle für Heimgeräte machen. „Wir haben unterschiedlichste Partner in unserem Netzwerk, darunter Miele, Buderus und Phillips hue“, schreibt der Konzern auf Anfrage. „Dieses Netzwerk werden wir weiter ausbauen.“ RWE beobachte den Markt intensiv, heißt es weiter, und reagiere flexibel auf neue Marktanforderungen.

Derzeit sieht es danach aus, das nur ein Konzern Apple das Wasser reichen kann: Google mit seinem Handybetriebssystem Android. Mit dem Kauf des amerikanischen Thermostat-Herstellers Nest für 3,2 Milliarden Dollar hat Google im Januar schon gezeigt, wie wichtig dem Konzern das Geschäft mit den vernetzten Geräten ist.

Apple hat obendrein mit seinem iBeacon-Funkstandard, der auf dem energiesparendem Bluetooth-Funk basiert, einen weiteren Joker auf der Hand. Mit ihm lassen sich Smartphones in Geldbörsen verwandeln – und zudem auf den Meter genau orten, auch in Gebäuden. Das Startup Airfy aus München will mit iBeacon-Sendern Hausgeräte steuern: Sobald etwa ein Handy im Wohnzimmer geortet wird, gehen das Licht und Musikanlage an.

Künftig könnten Objekte aller Art mit Beacon-Sendern ausgestattet sein. Das japanische Start-up Tzukuri etwa will Anfang 2015 eine Sonnenbrille mit eingebautem Beacon-Funk verkaufen. In einer derart vernetzen Welt könnte Apple spielend ein globales Fundbüro starten – indem der Konzern sämtliche Handys weltweit in tragbare Suchmaschinen für Objekte verwandelt.

Für das Internet der Dinge, das steht fest, ist Apple jetzt bestens gerüstet. Und das ist dann doch ein ziemlich großes Ding.

Dem Autor auf Twitter folgen:

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%