
Herr Mayer H., in Kürze wird im Beisein des Königs von Spanien in Sevilla Ihr Entwurf „Metropol Parasol“ eingeweiht – ein Konstrukt aus riesigen, pilzartigen Schirmen, mit dem Sie einen Platz überbauen. Ist das zeitgemäße Architektur?
Mayer: Unsere Architektur denkt nach vorne. Die Pilzschirme beschatten den Platz, reflektieren so die klimatischen Bedingungen der Region. Es wird Platz geben für Restaurants, Konzerte, auch die frühere Markthalle kehrt in neuer Form auf den Platz zurück. Der wird dadurch wieder zu einem attraktiven Zentrum, in dem die Bürger Sevillas sich begegnen können. Ein archäologisches Museum zeigt Fundstücke aus der Stadtgeschichte und erinnert so an die Bedeutung des Ortes. Dieser Platz hat durch seine Neugestaltung das Potenzial, zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt zu werden und sich somit zu einem touristischen, wirtschaftlich bedeutsamen Magnet mit weltweiter Ausstrahlung zu entwickeln.
Ein Platz, der aussieht wie das Ergebnis eines Drogenrauschs, soll exemplarisch für die Zukunft unserer Städte stehen?
Mayer: „Metropol Parasol“ bietet weit mehr als auffällige Äußerlichkeiten. Wir haben bei diesem Projekt zentrale ökologische, soziale und ökonomische Aspekte berücksichtigt – und genau diese Aufgabe hat Architektur heute. Wir müssen die Themen, die in unserer Gesellschaft brodeln, nach vorne denken: Fragen zum Verhältnis zwischen Körper und Umwelt, Natürlichkeit und Technologie, Fragen zur Nutzung von Räumen im digitalen Zeitalter, zur Computersteuerung im Design und in Produktionsprozessen. Fragen an die visuellen und ästhetischen Kontexte von Gebäuden. So wird Architektur zur Kommunikation im öffentlichen Raum.
Wie diese Kommunikation eskalieren kann, wissen wir spätestens seit den Demonstrationen gegen „Stuttgart 21“. Und auch, dass es in Deutschland kaum noch möglich ist, auch nur den Bahnhof einer Großstadt unter die Erde zu verlegen...
Mayer: Wenn man Architektur als Kommunikation versteht, muss man natürlich auch überlegen, wie solche Ideen vermittelt werden. Und frühzeitig öffentlich über Eingriffe in den öffentlichen Raum informieren. In Sevilla hat das gut funktioniert: Alle zehn Finalisten mussten ihre Projekte öffentlich vorstellen – vor der Jury und in der Öffentlichkeit. Und zwar noch vor der Entscheidung durch die Jury. Alle Entwürfe, alle Texte waren im Internet zugänglich, da musste man auch genau erklären, wie man zu dieser oder jener Lösung kam. Und jeder in und außerhalb Sevillas konnte sich äußern.
Und die Aufgabe der Busendhaltestelle hat keiner beklagt?
Mayer: Die Buslinien werden erst mal durch Straßenbahnen, langfristig durch eine U-Bahn ersetzt. Denn ähnlich wie andere europäische Städte ist auch Sevilla daran interessiert, seine Innenstadt autofrei zu halten. Das mündet in die generelle Frage: Inwieweit ist Autoverkehr in Innenstädten überhaupt noch machbar? Und wo liegt die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Verkehr?
Können wir uns privaten Verkehr in Städten überhaupt noch leisten?
Mayer: Eigentümer eines Automobils zu sein ist vor allem in Städten ein völlig überholtes Modell. Es gibt Möglichkeiten, auf privaten Autobesitz zu verzichten und trotzdem individuell unterwegs zu sein.