Andere sind da weniger entscheidungsschwach. Peter Carlsson etwa. Der Ex-Tesla-Manager will ausgerechnet im Hochlohnland Schweden eine riesige Batteriezellenfabrik bauen. Die drei großen europäischen Konzerne Vattenfall, ABB und Scania investieren in das Zellprojekt mit dem Namen Northvolt. Ab Mitte dieses Jahres will Carlsson mit dem Bau der Fabrik in der nordschwedischen Stadt Skelleftea loslegen. Die Produktion soll im Jahr 2020 mit rund 2000 Mitarbeitern und einem jährlichen Produktionsvolumen von acht Gigawatt in Betrieb gehen. Für Schweden hat sich Carlsson aus mehreren Gründen entschieden. Die Stadt Skelleftea ist Teil eines Rohstoff- und Bergbau-Clusters in Nordschweden, sodass Northvolt auch Zugang zu wichtigen Rohstoffen hat, die für die Zellproduktion notwendig sind. Schweden verfügt außerdem über einen großen Anteil an günstiger Energie aus Wasserkraft. Das ist ein Vorteil für die energieintensive Zellproduktion und für den ökologischen Fußabdruck der Produktion. Zusätzlich will Northvolt auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für Batteriefertigung aufbauen.
Mit dem Nutzfahrzeug-Hersteller Scania hat Ex-Tesla-Manager Carlsson eine Vereinbarung für die gemeinsame Entwicklung und Vermarktung von Batteriezellen speziell für schwere Lastwagen vereinbart. Die schwedische Scania investiert 10 Millionen Euro in die Partnerschaft mit Northvolt. Die Kooperation mit der VW-Tochter umfasst außerdem einen Abnahmevertrag für die Zellen.
Auch der Schweizer Technologiekonzern ABB leistet eine Anschubfinanzierung für die Zellfabrik von Northvolt in Höhe von 10 Millionen Euro. Die Schweizer beteiligen sich aber auch an der Entwicklungsarbeit für die Zellfabrik und bringen ihr Know-how beim Aufbau einer industriellen Fertigung ein. ABB hat enge Verbindung zu Schweden. Ende der 80er Jahre ist ABB aus der Fusion der schwedischen Firma Asea und der Schweizer Brown, Boveri & Cie. entstanden. ABB betreibt in dem schwedischen Bergbaucluster auch Fabriken und eine Forschungseinrichtung. Das, sagt ein ABB-Manager, war ein wesentlicher Grund, warum das Unternehmen Schweden als Standort für eine Zellfabrik begrüßt. Für den Schweizer Konzern ist die Elektromobilität ein wichtiger Wachstumsmarkt. Schon heute betreiben die Schweizer 6500 E-Ladesäulen in 57 Ländern. Die Nachfrage nach Zellen, nicht nur für E-Autos, sondern auch für E-Busse, für elektrifizierte Fähren und Kreuzfahrtschiffe, werde weiter ansteigen, sagt Johan Soderstrom, Landeschef von ABB in Schweden. Bisher sind auch die Schweizer bei Zellen komplett von asiatischen Lieferanten abhängig. Das soll sich mit Northvolt ändern.
Technische Hintergründe zu Akkus
Eine Batterie hat die Aufgabe, beim Aufladen möglichst viele Elektronen aufzunehmen und diese mit möglichst wenigen Verlusten zu speichern. Beim Entladen gibt sie die Elektronen dann wieder ab, um mit diesem Strom zum Beispiel einen Elektromotor oder ein Handy zu betreiben.
Im Akku übernehmen die sogenannten Lithium-Ionen diese Speicheraufgabe: Diesen Atomen fehlt ein Elektron. Daher sind sie elektrisch positiv geladen. Beim Aufladen strömen negativ geladene Elektronen in den Akku und sammeln sich in einem dichten Geflecht aus dem leitfähigen Kohlenstoff Graphit. Dorthin wandern dann auch die positiv geladenen Lithium-Ionen. Jedes von ihnen bindet ein Elektron – man könnte auch sagen, dass jedes Ion ein Elektron festhält, um die Ladungsneutralität zu gewährleisten. Beim Entladen des Akkus verlassen die Elektronen das Graphit nach und nach wieder. Damit wandern auch die positiv geladenen Lithium-Ionen aus dem Graphit-Netzwerk heraus. Später kann der Ladezyklus dann von neuem beginnen.
Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden. Daher arbeitet Bosch schon länger unter anderem daran, den Graphit-Anteil zu reduzieren oder ganz auf das Graphit zu verzichten. Dies würde die Energiedichte des Akkus deutlich steigern. Das scheint jetzt dem Start-up Seeo, das Bosch gekauft hat, gelungen zu sein.
Auch die asiatischen Oligopolisten haben erkannt, dass es für sie sinnvoll ist, in Europa zu produzieren. Samsung SDI baut in Göd nahe Budapest ein Werk aus, LG Chem in Breslau. Damit sind sie zwar näher an den europäischen Kunden, aber eben immer noch ein Oligopol. „Die Autoindustrie sollte ein hohes Interesse daran haben, dieses aufzubrechen und daran mitarbeiten, dass weitere unabhängige Zellproduzenten entstehen“, sagt Sauer von der RWTH. „Andernfalls besteht die Gefahr, dass große Teile des Know-hows und der Wertschöpfung langfristig in Deutschland verloren gehen.“
Das ist keine nebulöse Schwarzmalerei, sondern folgt einer bestechend einfachen Logik: Um die Zelle herum ist es für einen Zellhersteller relativ einfach, das Know-how entlang der Wertschöpfungskette zu erweitern; den Zusammenbau der Zellen zu Packs und Akkus beherrschen die Zellhersteller ohnehin. „Dann benötigt man nur noch ein wenig Leistungselektronik und Software, und man ist schnell beim gesamten E-Antriebsstrang für das Elektroauto“, sagt Sauer.