
Hamburg Nicht Origin sei Schuld am Ausspähen der Nutzerrechner, Windows sei der Bösewicht. Das zumindest erklärte Olaf Coenen, der Deutschland-Vertreter des Spieleherstellers Electronic Arts (EA) in einem offiziellen Blogbeitrag. Viele Nutzer der Online-Spieleplattform hatten in Foren berichtet, beim Installieren von Origin würde sich das Programm diverse Verzeichnisse auf ihrem Rechner anschauen.
Coenen schrieb nun, damit Origin überhaupt Spiele auf den Rechner eines Nutzers laden und sie dort installieren könne, müssten zuvor „die Zugriffsrechte auf dem jeweiligen PC“ geändert werden. „Das führt dazu, dass Windows – nicht etwa Origin – auf alle Dateien in einem Verzeichnis zugreift – ein Vorgang, der leicht wie ein Scan wirken kann.“ Das Ganze sei eine „gewöhnliche Windows-Funktion“ und kein Ausspähen. Origin würde dabei keine Daten erfassen oder speichern.
Das stimmt wohl insoweit, als dass Windows tatsächlich eine solche Operation ausführen kann, wenn es von einem Installationsprogramm dazu aufgefordert wird. Die Idee: In Windows sind viele Ordner so voreingestellt, dass der Nutzer sie nicht ohne weiteres verändern, also Daten in sie hineinschreiben kann. Das soll Anwenderfehler verhindern.
Eigentlich braucht Origin des Scan gar nicht
Programme aber können das per Befehl an Windows ändern und die Ordner so einstellen, dass sie beschreibbar sind. Allerdings sollte das im Fall EA wenn überhaupt nur in den Ordnern geschehen, die auch tatsächlich mit der Installation zu tun haben.
Offensichtlich aber scannt Origin einen großen Teil der Festplatte, um vorsorglich an verschiedenen Stellen einen eventuellen Schreibschutz zu entfernen – damit Battlefield 3 und andere Games später ihre Spielstände und Ähnliches ablegen können.
Das zumindest könnte erklären, warum der Prozess origin.exe unter anderem die Excel-Einkommensteuerunterlagen eines Nutzers scannt – zumindest, wenn sie in einem der Unterverzeichnisse lagen, die eben standardmäßig auf Schreibzugriffe überprüft werden.
Doch es bleibt die Frage, was origin.exe überhaupt in dem Ordner zu suchen hat und warum das Programm auch noch die dazugehörenden Unterordner scannt. Denn eigentlich braucht Origin solche Schreibzugriffe und damit den ganzen Scan gar nicht. Die Software kann sich schließlich einen neuen, eigenen Ordner für das Spiel anlegen und dort hinein alle notwendigen Daten speichern. Sie ist also an der Stelle zumindest schlecht programmiert. Ob sich dahinter die Absicht verbirgt, Nutzer für Werbezwecke auszuspähen, wie manche Spieler vermuten, lässt sich nicht sagen.
Die Hybris des Kopierschutzes
Verständlich aber sind diese Vermutungen. Denn die Online-Spieleplattform von EA hatte in den vergangenen Tagen noch mit einem anderen Punkt für Irritation gesorgt. Die erste Version der Nutzungsvereinbarung (Eula) enthielt Klauseln, mit denen sich EA das Sammeln diverser Nutzerdaten sanktionieren lassen wollte. Die Klauseln wurden inzwischen geändert, doch ist noch immer nicht klar, welche konkreten Daten der Konzern denn nun sammeln und verarbeiten möchte.
Auch dazu hat Coenen sich inzwischen in dem Firmenblog geäußert. Allerdings ohne deutlicher zu machen, was man denn nun wirklich über die Nutzer wissen wolle. Er schrieb lediglich: „Origin erfasst in begrenztem Umfang Informationen, die notwendig sind, um Ihnen das Kaufen, Herunterladen, Zugreifen und Spielen von Games und Spiele-Inhalten zu ermöglichen. Die Informationen werden zudem benötigt, um Online-Verbindungen mit anderen Spielern herzustellen sowie Inhalte und Software-Updates direkt auszuliefern. Die Daten werden auch dazu genutzt, das Auftreten kleinerer Software-Fehler sofort zu erkennen und auszubessern.“
Lästig nur für ehrliche Nutzer
Der Fall ist ein gutes Beispiel für die Hybris des Kopierschutzes bei digitalen Medien. Um ihre Investition zu schützen, installieren die Firmen Sicherheitsprozesse, die ehrliche Nutzer im Zweifel lästig bis bedrohlich finden. Diejenigen dagegen, die sowieso nicht bezahlen wollen, genießen jede Freiheit.
Denn selbstverständlich gibt es inzwischen eine gehackte Version der PC-Ausgabe von Battlefield 3. Der Crack lässt sich ganz ohne die sonst erzwungene Anmeldung bei Origin spielen und damit auch ohne das Gefühl, ausgespäht zu werden.
Immerhin schrieb EA-Chef Coenen nun, dass nicht nur die Eula geändert wurden, sondern dass demnächst auch die Origin-Software überarbeitet wird, um dem Eindruck zu widersprechen, sie scanne den Rechner: „Wir (...) werden unsere Software in künftigen Versionen entsprechend aktualisieren, um unnötige Abläufe auszuschließen.“
Jeder Gamer ein potenzieller Krimineller?
Besser wäre es gewesen, solche „unnötigen Abläufe“ von vornherein wegzulassen, da sie ja offensichtlich unnötig sind. Offensichtlich aber war das Sicherheitsbedürfnis größer als der Wunsch, den Käufern ein gutes Produkt zu liefern, an dem sie nichts als Spaß haben. Was den Eindruck nährt, dass bei der Game-Industrie die Haltung vorherrscht, es nicht mit Kunden zu tun zu haben, sondern mit potenziellen Kriminellen.
Diese Haltung aber ist es letztlich, die nun zu den zahlreichen Protesten führt. Zitat aus einem offenen Brief von Computerspielern an EA: „Es kann nicht sein, dass Spielehersteller immer mehr Kontrolle über den privaten Rechner verlangen, sei es durch den Einsatz von Anti Cheat Tools, die den Rechner während des Spielens komplett scannen oder das Aktivieren des gekauften Spiels über das Internet.“