Beste Fabrik Was die erfolgreichsten deutschen Werke auszeichnet

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Platz 2 - Aufbruch ins Unbekannte: Werksleiter Schwarz (rechts) und sein Team erproben ständig neue Ideen in der Produktion Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

Für WHU-Juror Arnd Huchzermeier ist es kein Zufall, dass zum wiederholten Male Siemens ganz oben auf dem Treppchen steht. 2009 erst belegte das Medizintechnikwerk in Forchheim Platz eins.

Der einstige Vorstandschef Heinrich v. Pierer erkannte früh, dass die deutschen Fabriken sich nur mit einer Effizienz-Revolution gegen die Billiglohn-Konkurrenz aus Osteuropa und Asien würden behaupten können, und verordnete ihnen entsprechende Fitnessprogramme: Kosten runter – Produktivität rauf, heißt es seither. WHU-Experte Huchzermeier sieht in dem knallharten Wettbewerb der Siemens-Standorte untereinander einen Schlüssel für das Wiedererstarken der deutschen Werke des Industriemultis. Er fordert Unternehmen auf, dem Siemens-Vorbild zu folgen.

Gerade die Amberger Manager zeigen, was eine Fabrik erfolgreich macht:

Sie sind auf Wachstumsmärkten wie Indien und China präsent,sie liefern beste Qualität pünktlich und schnell,sie übersetzen ihre Strategie in genau definierte Ziele für jeden Mitarbeiter,und sie spornen deren Initiative an.

Bewertung Festool

Jeder der 4300 Beschäftigten im Amberger Gerätewerk reichte vergangenes Jahr im Durchschnitt acht bis zehn Verbesserungsvorschläge ein. Die Ideen generierten Umsätze und sparten Kosten von 30 Millionen Euro, berichtet Werksleiter Gietl. „Eine schlanke Fertigung reicht nicht mehr zur Weltklasse“, sagt Juror Huchzermeier. „Erst das dynamische Zusammenspiel aller Aktionen und Innovationen erzeugt dynamisches Wachstum.“

Um genügend Spielraum für Investitionen zu haben, streben die Amberger eine Gewinnmarge von 20 Prozent vor Zinsen und Steuern (Ebit) an. „Das Ziel ist fast erreicht“, sagt Gietl. Jährliche Produktivitätsfortschritte von mehr als zehn Prozent erleichtern es dem Werkschef, Preissprünge bei Rohstoffen, Vorprodukten und der Energie aufzufangen.

Der Lohn für so viel Können: Bestnoten für die Oberpfälzer in fast allen Kategorien, die über die Güte einer Fabrik entscheiden – vom Geschäftsmodell über die Beherrschung der Wertschöpfungskette bis zum Kundenservice.

Grafik: Wettbewerber der deutschen Industrie

Kaum schlechter schnitten die Zweitplatzierten ab: der Mittelständler Festool mit seinem Werk in Neidlingen bei Stuttgart, der Akkuschrauber, elektrische Sägen und Schleifgeräte für Schreiner, Maler und Autolackierer herstellt. Sowie die Teambank aus Nürnberg, die Ratenkredite verkauft. Ihr Erfolg bestätigt die These der Experten von Insead und WHU, dass die in der Industrie bewährten Managementprinzipien auch Dienstleistern zur Weltklasse verhelfen. Auch sie sind daher für den Wettbewerb zugelassen.

Festool-Werksleiter Tilo Schwarz hat seine Fabrik zielstrebig in eine Lernorganisation transformiert, um den Standort „langfristig zu sichern“. Mittels intensiver Schulung haben alle 330 Beschäftigten gelernt, Ideen vorzuschlagen und umzusetzen, die das Unternehmen im Kleinen wie im Großen voranbringen. „Grips statt Geld“, nennt Schwarz die Methode.

„Wir wollen in unbekannte Zonen vordringen“, sagt er und erläutert das an einem Beispiel: Mitarbeiter haben selbst eine Spritzpistole entwickelt, mit der sie per Hand Gussteile aus Magnesium mit einer Schutzschicht überziehen können. Eine Maschine dafür anzuschaffen wäre unwirtschaftlich gewesen, weil sie nicht hätte ausgelastet werden können.

Auch die Führungscrew um Schwarz wagte sich auf neues Terrain. Sie führte eine Produktionsweise ein, bei der größere Bauteile komplett in einem Arbeitsgang gefertigt und montiert werden. Vorher geschah das in mehreren Etappen. Mit der Folge, dass die halbfertigen Schrauber und Schleifmaschinen immer wieder zwischengelagert wurden und Mängel oft erst am Ende auffielen.

Eine Konsequenz dieses „Einstück-Flusses“, so der Fachterminus, war es, eine Reihe an Fremdfirmen vergebener Produktionsaufgaben zurück ins Werk zu holen. Jetzt dauert zum Beispiel die Fertigung eines Elektromotors noch viereinhalb Minuten. Vor drei Jahren zog sich der Prozess über vier Tage hin.

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