Biomedizinische Forschung Opus Dei: Katholische Stammzellen

Wie Opus Dei seine Grundsätze über Bord wirft und mit einem biomedizinischen Forschungszentrum im spanischen Pamplona am Boom der Biomedizin kräftig mitverdient.

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Wie passen katholische Kirche Quelle: dpa

In dem lichtdurchfluteten Labor läuft laute Musik, schrilles Lachen ist durch die Glasscheibe zu hören. Eine junge Forscherin scherzt über die Reagenzgläser hinweg mit einem Kollegen, dann küsst sie ihn leidenschaftlich. Jugend forscht? Erst als Gäste eintreten, lässt die Doktorandin von ihrem Gegenüber ab und dreht das Radio leiser.

Von moralischen Zwängen ist im Biomedizin-Labor am renommierten spanischen Centro de Investigación Médica Aplicada (Cima) in Pamplona nichts zu spüren – obwohl der Träger der Einrichtung Opus Dei heißt. Die etwa 87.000 Mitglieder starke katholische Laienorganisation ist bekannt für strenge Regeln. Verhütung, Abtreibung oder die Forschung an Embryonen lehnt sie strikt ab. Umso mehr verwundert es, dass die Opus-Dei-eigene Universität in Pamplona, die Universidad de Navarra, 2004 das Cima gründete – mit klarer biomedizinischer Ausrichtung.

Das ist weltweit einmalig und neu: Eine katholische Organisation, die dem Vatikan sehr nahesteht, investiert in Biotechnologie, Stammzellforschung und Gentherapie. Dass das „Werk Gottes“, so die Übersetzung der lateinischen Bezeichnung Opus Dei, gezielt auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen Einfluss nimmt und gegen Profit nichts einzuwenden hat, hat dagegen Tradition. Nur diesmal muss Opus Dei sich ein wenig verbiegen. Denn eigentlich ist die 1928 von dem spanischen Priester Josemaria Escrivá gegründete Organisation gegen jede Manipulation der göttlichen Schöpfung und des göttlichen Willens – und sei es nur durch Verwendung eines Kondoms. Bei der Forschung machen die Sittenwächter Gottes aber offensichtlich Ausnahmen. Denn im Cima wird die Schöpfung manipuliert, um mit Gentherapien Menschen zu heilen, und sogar an Stammzellen geforscht – wenn auch nur an adulten.

Ethische Konflikte ergeben sich daraus für die Opus-Jünger nicht. „Für den wissenschaftlichen Erfolg brauchen wir keine embryonalen Stammzellen“, sagt Biochemiker Matías Avila Zaragozá. Er manipuliert Viren und schleust sie in den Körper ein, um den Leberzerfall bei Hepatitiskranken zu stoppen. Er ist überzeugt: „Auch wenn die Forschung mit embryonalen Stammzellen in Spanien erlaubt ist – sie bringen keinen Vorteil.“ Er teilt die Meinung einiger Wissenschaftler, dass Therapien mit embryonalen Zellen möglicherweise sogar Tumore verursachen könnten.

Noch weiter geht sein Vorgesetzter, Cima-Direktor Francisco Errasti Goenaga: „Embryonale Stammzellen haben wissenschaftlich noch nicht ein einziges nützliches Resultat erbracht.” Diese Aussage würde wohl kaum ein anderer Forscher mittragen. Doch die Linie für die Cima-Forscher ist klar: Geforscht wird an adulten Zellen. Sie sollen beispielsweise abgestorbene Herzzellen nach einem Infarkt ersetzen oder im Kampf gegen Parkinson tote Gehirnteile wieder beleben. Auch mit der Manipulation von Genen tut sich die Organisation, anders als viele Katholiken, offenbar nicht schwer. Gentherapie ist einer der fünf Schwerpunkte des Cima. Sie wird vor allem bei der Bekämpfung von Darmkrebs angewandt.

Therapeutisches Klonen ist unter den 400 internationalen Forschern in Pamplona zwar offiziell tabu. „Aber es ist ja nicht klar definiert, was darunter genau zu verstehen ist”, sagt Zaragozá – und lässt damit viele Fragen offen. Etwa wie ernst Opus Dei die eigene Lehre nimmt, wenn es darum geht, am Bio-Boom mitzuverdienen.

Ganz gleich, ob das „Werk Gottes“ in Pamplona die eigenen Grenzen überschreitet, das Forschungszentrum ist ein Erfolgsmodell. „Unabhängig von ihrer ethischen Einstellung hat die Universität von Navarra mit Cima ein sehr interessantes und effizientes Modell für die bessere Zusammenarbeit von Universitäten und Unternehmen geschaffen”, findet Rubén Henríquez, Chef des Biotechunternehmens Apoteknos in Madrid und verantwortlich für den Biotech-Master an der Business-Schule Instituto de Empresa. Die Opus-Dei-Universität vernetze auf sehr intelligente Weise ihre renommierte Uniklinik mit dem Cima und der zugehörigen Biotechfirma Digna Biotech.

Digna, zu Deutsch „würdige“ Biotech, steigt gerade zum Hoffnungsträger der spanischen Bio-Szene auf. Sieben Patente sind bereits angemeldet, 38 weitere in Vorbereitung. Medikamente, die darauf basieren, werden erprobt. In einem Jahr hofft Digna mit dem ersten Mittel auf den Markt zu kommen, einer Salbe gegen eine seltene Art des Hautzerfalls. Danach soll das Digna an die Börse gehen. Opus Dei wolle sich daran nicht bereichern, beteuert Uni-Sprecher Jesús Díaz: „Sämtliche Einnahmen werden wieder in die Forschung gesteckt.”

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