Blick hinter die Zahlen #13 – Sanierungsbedarf Welche Wohnungsmängel in Deutschland am häufigsten sind

Mehr als jeder dritte deutsche Haushalt leidet nach eigenen Angaben unter Mängeln. Ein Problem ist dabei besonders verbreitet – und zwar noch deutlich stärker als in den anderen europäischen Ländern.

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Deutschland ist in vielen Bereichen der Statistik in Europa ganz vorne dabei, seien es Wirtschaftsleistung, Exporte, Kaufkraft oder Beschäftigungsquote. Doch auch in einem anderen Bereich ist Deutschland Spitzenreiter, der so gar nicht zu den zuvor genannten passen mag: bei Wohnungsmängeln. Mehr als jeder dritte Haushalt gab 2018 laut Statistischem Bundesamt (Destatis) an, unter solchen Mängeln zu leiden.
Am verbreitetsten ist dabei die Klage über Lärmbelästigung. 28 Prozent der Haushalte leiden nach eigenen Angaben unter Verkehrs- oder Nachbarschaftslärm. Auch Feuchtigkeitsschäden kommen mit 13 Prozent aller Haushalte vergleichsweise häufig vor. Ein eher geringes Problem scheinen in Deutschland hingegen zu dunkle Wohnungen zu sein: Nur vier Prozent der Haushalte klagen über zu wenig Tageslicht.

Anteil der Haushalte, die 2018 in einer Wohnung oder einem Haus mit Mängeln lebten

Wie stark ein Haushalt unter Mängeln leidet, ist dabei je nach Haushaltstyp innerhalb Deutschlands sehr ungleich verteilt. So wird der Wohnraum von Eigentümern seltener bemängelt als der von Mietern: Während nahezu jeder zweite Mieter ins einer Wohnung Mängel wahrnimmt, ist es bei Eigentümern nur gut jeder Vierte. Ob die Wohnungen von Mietern tatsächlich in derart schlechterem Zustand sind oder Eigentümer einfach grundzufriedener, kann die Statistik indes nicht beantworten. Sie misst nicht den objektiven Zustand einer Wohnung, sondern nur, wie die Bewohner ihn wahrnehmen.
Unterschiede gibt es auch zwischen den einzelnen Haushaltstypen. So nehmen Paar-Haushalte, von denen mindestens einer älter als 65 Jahre ist, am seltensten Mängel in ihrer Wohnung wahr (28 Prozent). Dieser Wert korreliert freilich mit dem zuvor genannten, wohnen ältere Menschen doch häufiger im Eigenheim als jüngere.

Am meisten Mängel stellen hingegen Alleinerziehende fest: Mit 47 Prozent wohnt nahezu jeder Zweite – der eigenen Wahrnehmung nach – in einer Wohnung mit Mängeln. In dieser Gruppe ist der Anteil der Mieter wiederum besonders groß.

Arten der Mängel in Haushalten

Richtet man den Blick nun statt nur auf Deutschland auf ganz Europa, so zeigt sich, dass die einzelnen Mängel sehr ungleich verteilt sind (oder wahrgenommen werden). Probleme mit Feuchtigkeit scheint es vornehmlich in Südeuropa zu geben. So klagen laut Eurostat 30 Prozent der zypriotischen und 27 Prozent der portugiesischen Haushalte über Feuchtigkeitsschäden. Auch im nicht ganz so südländischen Lettland ist Feuchtigkeit mit 24 Prozent ein Problem, während in Finnland und der Slowakei nur je fünf Prozent damit zu kämpfen haben.

Anteil der Haushalte, die 2018 in einer Wohnung oder einem Haus mit Feuchtigkeitsschäden lebten

Anders sieht das Bild beim Thema Lärmbelästigung aus. Hier teilen sich zwei Länder den ungewünschten Spitzenplatz, nämlich Malta und Deutschland. Jeweils 28 Prozent der Haushalte klagen hier über Lärm, wobei nicht erhoben wird, ob es um Lärmquellen innerhalb des Hauses geht, also etwa Nachbarn, oder etwa um Verkehrslärm. Besonders wenig Lärmprobleme haben nach eigenem Bekunden Estland, Ungarn und Kroatien.

Anteil der Haushalte, die 2018 nach eigenen Angaben unter Verkehrs- oder Nachbarschaftslärm gelitten haben

Über die zitierten Daten hinaus gibt es leider kaum belastbare Informationen über Wohnungsmängel, also beispielsweise weder für die Bundesländer noch für die Städte. Auch neuere Daten als 2018 fehlen bislang. Sobald sich das ändert, könnte eine der großen Thesen des Wohnungsmarktes endlich an handfesten Daten überprüft werden: Ob nämlich der massive politische Eingriff in die Mietpreise in Berlin tatsächlich zu mehr Sanierungsstau – und damit Mängeln – führt.

Ältere Daten von Wirtschaftsinstituten deuten darauf hin. So hat etwa das IW Köln voriges Jahr untersucht, welche Vermieter es am ehesten zu Sanierungsstaus kommen lassen. Mit Abstand am häufigsten gaben hier Mieter kommunaler Wohnungsgesellschaften an, dass ihre Wohnungen renovierungsbedürftig seien. Mieter mit extra niedrig gehaltenen Mieten aus staatlicher Hand also und damit ebenjene Mietverhältnisse, die neuerdings als Blaupause gelten.

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Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.

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