Blick hinter die Zahlen #38 – Kaffeekonsum Wir sind Entkoffeinierungs-Weltmeister

Die Deutschen trinken jedes Jahr mehr Kaffee als Bier oder Mineralwasser. Cold Brew und Nitro Coffee liegen im Trend. Die Liebe zum Kaffee macht Deutschland gar zum weltgrößten Exporteur von Kaffeeprodukten.

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Wie viel Kaffee trinkt ein Deutscher im Jahr?

Die Deutschen lieben Kaffee. Im Schnitt hat jeder Bundesbürger im Jahr 2019 etwa 166 Liter Kaffee getrunken. Das ist viel: Im Vergleich zum Vorjahr entspreche das „rund einer Milliarde Tassen Kaffee, die mehr getrunken wurden“, sagt Johannes Hielscher, Geschäftsführer Deutscher Kaffeeverband. Und: Die Deutschen trinken damit jedes Jahr mehr Kaffee als Bier oder Mineralwasser.

Für diesen Konsum bedurfte es laut Kaffeeverband 608.744 Tonnen Rohkaffee. Dieser sei zu 469.600 Tonnen Röstkaffee und 19.200 Tonnen löslichem Kaffee verarbeitet worden, hieß es. Wirtschaftlich bedeutend sind die Sorten Arabica und Robusta. Etwa 60 Prozent der weltweiten Ernte entfällt auf Arabica und rund 40 Prozent auf Robusta.

Was sind die jüngsten Trends beim Konsum von Kaffee?

Kaffeetrinker lassen sich in zwei Lager spalten: Die einen wollen ihren Kaffee möglichst schnell und auf Knopfdruck, die anderen wollen den Konsum lieber zelebrieren. Sie bereiten ihren Kaffee vermehrt wieder von Hand zu – etwa mit dem guten, alten Porzellanfilter. Diese manuelle Brühmethode entspricht laut dem Kaffeeverband dem Wunsch des Konsumenten, sich wieder mehr Zeit für die Kaffeepause zu nehmen.

So viel Geld nimmt der Staat mit der Kaffeesteuer ein

Im Trend liegen jetzt Cold Brew und Nitro Coffee. Das erstere Getränk bereiten Fans mit kaltem Wasser zu. Dazu nimmt man grob gemahlenes Kaffeepulver und rührt es in das Wasser ein. Nach einer Ruhepause wird der Drink gefiltert und auf Eis gegossen. Feinschmecker verfeinern diesen Kaffee zudem mit Milch oder Tonic. Noch etwas fortgeschrittener ist der Nitro Coffee: Das ist ein mit Stickstoff versetzter Cold Brew. Er wird wie Bier gezapft und ist feinperlig.

Wo trinken die Deutschen ihren Kaffee?

Vorzugsweise zu Hause. Nur knapp 28 Prozent des Kaffees tranken die Deutschen laut Verband außer Haus. Neben Bäckereien, Cafés, Kaffeebars, Restaurants und Hotels umfasst der deutsche Außer-Haus-Markt auch den Konsum in Kantinen oder am Arbeitsplatz.

Insbesondere morgens wird in deutschen Haushalten viel Kaffee getrunken. Aus der Konsumstudie „So trinkt Deutschland Kaffee 2019“ wisse der Verband, dass vielen der Kaffee zu Hause auch „mit Abstand am besten schmeckt“, sagt Hielscher. Dies sei vermutlich „darauf zurückzuführen, dass er in den eigenen vier Wänden auf die persönlichen Vorlieben abgestimmt zubereitet werden kann“. Der zuhause getrunkene Kaffee werde durchschnittlich mit der Schulnote 1,6 bewertet, während jener in der Gastronomie nur die Note 1,8 erhalte. Noch unbeliebter: Der Kaffee vom Chef. Die Tasse Kaffee am Arbeitsplatz wird nur mit der Note 2,1 bewertet. 

Wie bereiten die Deutschen ihren Kaffee zu?

82,5 Prozent der deutschen Haushalte haben laut Statistischem Bundesamt mindestens eine Maschine zur Zubereitung von Kaffee. Viele Menschen haben sogar mehrere Maschinen – etwa einen Espressokocher und den Vollautomaten. Am beliebtesten aber ist der Filter: Mehr als die Hälfte hat eine Filterkaffeemaschine. Sie ist in 53,5 der deutschen Haushalte vertreten.

Kaffeevollautomaten besitzen laut Bundesamt 17,9 Prozent der Menschen in Deutschland. Bedenklich: 31,5 Prozent der Menschen haben Pad- oder Kapselmaschinen, die viel Müll machen. Laut Kaffeeverband lag der Marktanteil des Kapselmarktes in den letzten Jahren zwar nur bei rund 5 bis 6 Prozent. Aber angesichts der schieren Menge an Kaffee, der getrunken wird, ist das immer noch viel Müll. Zum Vergleich: Der Marktanteil von Filterkaffee lag 2019 bei 55 Prozent.

Wie viel Kaffee führt Deutschland ein und aus?

Im Jahr 2019 hat Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 1,13 Millionen Tonnen nicht entkoffeinierten Rohkaffee importiert. Doch der Kaffee bleibt nicht unbedingt im Land. Ein großer Teil wird verarbeitet – also etwa geröstet oder entkoffeiniert – und wieder ins Ausland verkauft. Deutschland ist deswegen der weltgrößte Exporteur von Kaffeeprodukten. Der meiste Kaffee verlässt das Land als nicht entkoffeinierter Röstkaffee wieder – 2019 waren das 227.034 Tonnen. Doch auch Rohkaffee mit Koffein verließ Deutschland, insgesamt 199.772 Tonnen.

Was macht Deutschland mit dem Rohkaffee?

Laut Kaffeeverband ist Deutschland für einen Teil des Rohkaffeeimports bloß der Umschlagplatz. Der andere Teil des importierten Rohkaffees werde in Deutschland verarbeitet. Er wird geröstet, entkoffeiniert und zu Löskaffee oder Kaffeeextrakten verarbeitet. Dann wird er entweder hier konsumiert oder wieder exportiert. Der meiste Kaffee wird geröstet und getrunken.

Deutschland ist weltweit gesehen der größte Exporteur von Kaffeeprodukten, also von verarbeitetem Kaffee, und „Weltmeister“ im Bereich der Entkoffeinierung. Letzteres sieht man auch an den Zahlen. So führte Deutschland zuletzt 2019 nur 1.863 Tonnen entkoffeinierten Rohkaffee ein, aber 156.487 Tonnen aus. Beim entkoffeinierten Röstkaffee waren es sogar 9.116 Tonnen.

Ein- und Ausfuhren von Kaffee

Die Zahlen zu Ein- und Ausfuhren kann man allerdings nicht eins zu eins miteinander ins Verhältnis setzen. Denn: Beim Rösten verliert der Rohkaffee Wasser und damit an Gewicht. Die Röstkaffeebohne ist in der Regel größer, aber leichter als die Rohkaffeebohne. Je nach Sorte und Art der Röstung beträgt der Gewichtsverlust zwischen 11 und 20 Prozent, sagt der Kaffeeverband.

Wieso hat sich Deutschland zum Umschlagplatz für Kaffee entwickelt?

Der Grund dafür liegt in starken Häfen, genau genommen an jenen in Bremen und Hamburg. Sie machten es möglich, den Handel im Laufe der Zeit weiter auszubauen. „Die Speicherstadt Hamburgs wurde in erster Linie für den Kaffeehandel und den Kaffeeumschlag gebaut. Früher wurde Kaffee in Hamburg sogar an der Börse gehandelt. Und auch heute noch ist Hamburgs Hafen Europas wichtigster Umschlagplatz für Rohkaffee“, sagt Hielscher.

Wer sind die wichtigsten Kaffeeakteure in Deutschland?

In der Wertschöpfungskette von Kaffee gibt es viele Akteure. Da sind vor allem die Kaffeehändler, die den Rohkaffee an Kaffeeröster verkaufen. Der Kaffeeverband schätzt die Anzahl der hiesigen Unternehmen, die hauptamtlich Kaffee rösten, auf rund 700. Der Verband geht nach aktuellen Schätzungen davon aus, dass rund 650 Unternehmen zu den kleineren Röstereien zählen. Zu den größten Kaffeeröstern in Deutschland zählen folgende Unternehmen: Aldi, Dallmayr, Jacobs Douwe Egberts, Melitta, Darboven und Tchibo.


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Wie wichtig ist die Kaffeewirtschaft für deutsche Arbeitsplätze?

Tja, das kann selbst der Verband nicht beziffern. „Eine Angabe, wie viele Personen in Deutschland für das Produkt Kaffee arbeiten, können wir nicht machen, da die Wertschöpfungskette sehr lang ist“, sagt Hielscher. Schließlich werde er erst als Rohkaffee in deutschen Häfen angeliefert. Insgesamt geht er durch zahlreiche Hände: Händler, Lagerhalter, Röster, Entkoffeinierer - bis zum Endkunden. Zur Wertschöpfungskette gehören auch Röstmaschinenhersteller, Lebensmittellabore, Kaffeemaschinenhersteller, Produzenten von Kaffeeverpackungen oder Baristas.

Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.

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