Blick hinter die Zahlen #39 – Gesundheit Wenn Arbeit krank macht

Corona setzt neue Maßstäbe beim Gesundheitsschutz. Was dabei fast in den Hintergrund rückt: Schon vor der Pandemie fühlte sich jeder Dritte krank – und zwar als Folge der Arbeit. Das sind die größten Belastungen.

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Die Sehnsucht nach dem Büro und der tagtäglichen Arbeitsroutine war zwischenzeitlich groß nach den ersten Monaten der Coronapandemie. Die Rückkehr wird sich wegen der ansteigenden Infektionszahlen in diesem Herbst zumindest für Büroarbeiter jedoch weiter verzögern. Das Homeoffice mag die Gefahr einer Corona-Infektion verringern, ist jedoch keine Garantie dafür, dass andere Leiden den Menschen vom Arbeitsplatz bis an den heimischen Schreibtisch folgen: Knochen-, Gelenk- oder Muskelbeschwerden und psychische Erkrankungen machen den Deutschen seit Jahren zunehmend zu schaffen.

So litten laut Destatis im Jahr 2013 17,5 Prozent der Erwerbstätigen unter Zeitdruck oder Arbeitsüberlastung. Spitzenwerte erreichten hierbei Führungskräfte mit 29 Prozent und Menschen zwischen 45 und 55 Jahren (20,2 Prozent). Die gute Nachricht: Mobbing oder Gewalt am Arbeitsplatz sind laut Destatis mit 1,3 Prozent nur für die wenigsten Deutschen ein Problem. Damit gehören sie im europäischen Vergleich zu den gesündesten Erwerbstätigen. Das ergaben Daten, die aus einer Zusatzbefragung der Arbeitskräfteerhebung von 2013 stammen.

Allerdings gehören die Deutschen neben den Schweden und den Isländern zu den Europameistern der Schwermut. So bezeichnet sich mehr als jeder fünfte Deutsche zwischen 15 und 64 Jahren als depressiv. Besonders selten leiden dagegen Italiener, Slowaken, Kroaten, Tschechen und Litauer unter depressiven Symptomen.

Anteil der Bevölkerung, der unter depressiven Symptomen leidet

Schon vor der Coronapandemie verzeichnete der DAK-Psychoreport einen Anstieg um das Dreifache bei psychisch bedingten Krankheiten unter Arbeitnehmern über die vergangenen 20 Jahre. Die Krankschreibungen von Arbeitnehmern wegen psychischer Leiden erreichten demnach im Jahr 2017 einen vorläufigen Höchststand. Experten rechnen mit weiter steigenden Zahlen durch die Coronakrise. Vor wenigen Wochen erst kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eine „Offensive für psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ an. Im August meldete eine Klinikgruppe, dass die Zahl von Führungskräften mit psychischen Leiden deutlich gestiegen sei.

Noch ausgeprägter als psychische Probleme sind körperliche Belastungen am Arbeitsplatz, die das körperliche Wohlbefinden gefährden können. 30 Prozent der Erwerbstätigen sehen sich einer Gefährdung des physischen Wohls durch Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Mit Abstand am häufigsten nennen die Befragten dabei schwierige Körperhaltung sowie schwere Lasten. Arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme sind für etwa neun Prozent der Erwerbstätigen ein Problem, wobei hier am häufigsten Knochen-, Gelenk- oder Muskelbeschwerden genannt werden. Handfeste Arbeitsunfälle erlebten drei Prozent der Befragten im zurückliegenden Jahr.

Anteil der Deutschen, die berichten, dass sie Risikofaktoren für ihr psychisches Wohlbefinden ausgesetzt waren

Wie stark die Arbeit belastet, hängt naheliegenderweise nicht zuletzt von der Art der Arbeit ab. So kommt es bei Handwerkern sowie Anlagen- und Maschinenbedienern mit rund sechs Prozent am häufigsten zu Arbeitsunfällen, während Büroarbeiter mit gut zwei Prozent vergleichsweise unfallfrei durchs (Arbeits-)Leben gehen. Auch die Gefährdung durch körperliche Belastungen am Arbeitsplatz sind ungleich verteilt: Fast jeder Zweite (46 Prozent) der Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft sieht sich davon gefährdet, aber nur 16 Prozent der Vertreter der Kategorie Akademische Berufe (etwa Informatiker und Naturwissenschaftler).

Neben der Branche scheint auch die Arbeitszeit entscheidend für den Grad der Belastung. Je mehr jemand arbeitet, desto häufiger kommt es laut Statistik zu Problemen. Besonders belastet sind demnach Nacht- und Schichtarbeiter. Sowohl bei Personen, die meist nachts, als auch bei solchen, die in Schichtsystemen arbeiten, sieht knapp jeder zweite sein Wohlbefinden durch körperliche Belastungen am Arbeitsplatz gefährdet. Das ist jeweils in etwa doppelt so viel wie der Wert bei Erwerbstätigen, die nicht in Nacht- oder Schichtdiensten arbeiten.

Arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme der erwerbstätigen Bevölkerung in Deutschland

Die Belastung dürfte dabei nicht nur durch die schiere Nachtarbeit auftreten, sondern auch durch die Art der Jobs, die nachts ausgeübt werden. So arbeiten laut Statistischem Bundesamt nur fünf Prozent der Arbeitnehmer regelmäßig nachts. Am häufigsten tun dies Beschäftigte der Industrie, die in Schichtsystemen rund um die Uhr fertigen und das in körperlich anstrengenden Tätigkeiten.

Erwerbstätige, die unter körperlichen Belastungen leiden

Und natürlich Beschäftigte des Gesundheitssystems, seien es Krankenschwestern, Ärzte oder Pfleger. Für die steht indes auch jetzt keine Rückkehr zur beschwerlichen Normalität an – die meisten von ihnen haben die komplette Coronazeit über durchgearbeitet.

Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.

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