Ob Missstände bei Haltung, Transport und Schlachtung von Schweinen und Rindern, oder zuletzt die Arbeitsbedingungen der Belegschaften in den Schlachthöfen: Die Skandale rund um das Nahrungsmittel Fleisch reißen nicht ab. Mehr und mehr Menschen verzichten daher auf Fleisch und Wurst. Selbst bei Fast-Food-Ketten wie McDonald‘s sind vegetarische oder vegane Burger mittlerweile selbstverständlich.
Fleischersatzprodukte wie Brotaufstriche, Sojabratlinge oder Tofu werden vermehrt nachgefragt und verstärkt produziert: Im ersten Quartal 2020 erhöhte sich die Menge der produzierten Fleischalternativen um 37 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Der Produktionswert für Fleischersatzprodukte stieg im gleichen Zeitraum um 36 Prozent von rund 62 Millionen Euro auf gut 85 Millionen Euro. Im gesamten Jahr 2019 erzielte die Produktion von Fleischersatzprodukten einen Wert von 272,8 Millionen Euro. Diese Summe ist im Vergleich zur Fleischproduktion verhältnismäßig gering: Der Produktionswert der Kategorien Fleisch, Geflügelfleisch sowie verarbeitetem Fleisch lag 2019 zusammengerechnet bei gut 40,1 Milliarden Euro.
Die gefühlt steigende Abneigung gegen Fleischkonsum schlägt sich daher auch in der Statistik der gewerblichen Schlachtungen in Deutschland nieder. Lag das Schlachtgewicht bei Schweinen im Jahr 2020 bei rund 5,1 Millionen Tonnen, sinkt es seit 2016 kontinuierlich.
Leidtragende des Trends zur veganen oder vegetarischen Ernährung sind nicht nur die Unternehmen aus der industriellen Fleisch- und Wurstproduktion, sondern auch Metzgereien. Gab es zur Jahrtausendwende noch fast 20.000 eigenständige Meisterbetriebe im Fleischerhandwerk in Deutschland, schrumpfte die Zahl bis zum Jahr 2019 um fast die Hälfte auf nur noch rund 11.500 Betriebe.
Obwohl allgemein über zu niedrige Preise für Fleisch und Wurst diskutiert wird, steigt der Verbraucherpreisindex seit 2015 kontinuierlich. 2020 stiegen die Verbraucherpreise für Fleisch und Fleischwaren bei vielen Schachthöfen um mehr als sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr, unter anderem aufgrund von Corona-bedingten Engpässen und der Afrikanischen Schweinegrippe.
Auch wenn Fleischverzicht ein vieldiskutiertes Thema ist: Weltweit nimmt der Konsum immer noch zu. Ganz so schnell werden sich die Verbraucher also nicht von ihrem geliebten Schweineschnitzel oder Rinderschmorbraten abwenden. Rund 88 Prozent der für den Statista Global Consumer Survey befragten Menschen in Deutschland essen Fleisch. Im Durchschnitt aller 21 von der Studie abgedeckten Länder sind es ähnlich viele. Lediglich in Indien ernährt sich die Mehrheit vegetarisch oder vegan. Um unseren Fleischhunger zu stillen wurden allein hierzulande 2019 täglich über zwei Millionen Tiere geschlachtet – darunter 1,7 Millionen Hühner und 151.000 Schweine.
Beyond Meat hat es vorgemacht: Das 2009 in Kalifornien gegründete Start-up hat Fleischersatzprodukte populär gemacht, Investoren wie Bill Gates, Leonardo DiCaprio sowie Partner wie den Wiesenhof-Konzern PHW überzeugt, und hat seit dem Börsengang im Mai 2019 mehr als 100 Prozent an Wert gewonnen. Das große Potenzial blieb auch anderen nicht verborgen: So nahm Lidl den „Next Level Burger“ ins Sortiment und Aldi seinen „Wonder Burger“.
Das Fleischersatzprodukt des Discount-Marktführers besteht aus Sojaprotein, Kokosöl und Maisstärke. Für die richtige Farbe sorgt, wie auch bei vielen Konkurrenten, ein Rote-Beete-Extrakt. In Deutschland wurden mit pflanzlichen Alternativen schon 2018 laut einer Schätzung von Barclays Research 200 Millionen US-Dollar erlöst, in den USA waren es schon mehr als eine Milliarde US-Dollar. Bis zum Ende des Jahrzehnts könnte der Umsatz mit Fleischersatz laut Berechnung der Barclays-Analysten ein Volumen von 140 Milliarden US-Dollar pro Jahr erreichen.
Die Experten der Unternehmensberatung von Kearney erwarten, dass der globale Markt für pflanzlichen Fleischersatz bis 2040 auf 450 Milliarden US-Dollar wächst und der für Invitro-Fleisch, also künstlich im Labor hergestelltes Fleisch, auf 630 Milliarden Dollar. Fleisch, für das Tiere sterben, werde dann nur noch 40 Prozent des Markts ausmachen.
Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.
Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.
Mehr zum Thema: Die Mehrheit der Deutschen isst zwar täglich Fleischprodukte. Doch ihre Erwartungen haben sich stark verändert. Neue Leitfigur ist der Flexitarier. Die Hersteller müssen reagieren, denn der Trend läuft gegen sie.