Blick hinter die Zahlen #53 - Einfamilienhaus Warum der Traum vom Eigenheim oft unerfüllt bleibt

Hohe Preise hindern Familien am Kauf von Einfamilienhäusern. Restriktive Kommunen bremsen den Neubau. Dennoch legen sich mehr Deutsche Wohneigentum zu. Dabei gibt es große regionale und internationale Unterschiede.

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Die eigenen vier Wände sind „der wichtigste Ort der Welt“, wirbt die Bausparkasse Schwäbisch Hall. Tatsächlich wünschen sich viele Familien das Eigenheim als bevorzugten Wohnort. In der Praxis erfüllt sich dieser Wunsch immer seltener. Bundesweit hat sich die Zahl der genehmigten Einfamilienhäuser seit 1999 mehr als halbiert. Vor allem in den Ballungsräumen werden weniger Einfamilienhäuser gebaut. In Berlin beispielsweise wurden laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg von Januar bis November 2020 gerade mal 1023 Ein- und Zweifamilienhäuser genehmigt.

Wenigstens wird in Berlin noch gebaut - woanders bald nicht mehr. In Hamburg beispielsweise hat der Bezirk Nord beschlossen, künftig keine neuen Einfamilienhäuser zu genehmigen. Dieser Bezirk wird in der Diskussion um ein mögliches Neubauverbot für Eigenheime immer wieder als Beispiel genannt. Grünen-Politiker Anton Hofreiter befeuerte die Debatte mit einem Interview im Nachrichtenmagazin Spiegel. Er kommentierte darin die Entscheidung des Hamburger Bezirks Nord zu Einfamilienhäusern.

Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser in Berlin

Tatsächlich werden in Hamburg bereits jetzt kaum noch Ein- und Zweifamilienhäuser gebaut. Von Januar bis November 2020 wurden in Hamburg nur noch 867 Wohngebäude mit ein oder zwei Wohnungen genehmigt. Im Vorjahreszeitraum waren es 871. Im Bezirk Nord waren die Ämter schon im vergangenen Jahr sehr restriktiv. Gerade mal zwei Ein- und Zweifamilienhäuser wurden im November genehmigt. Im Bezirk Nord entscheiden die Grünen über die Wohnungspolitik.

Steigende Immobilienpreise

Wer sein eigenes Haus kaufen statt bauen will, kommt schnell an seine finanziellen Grenzen. Gemessen am EPX-Index stieg der Preis für Bestandshäuser in den vergangenen zehn Jahren bundesweit um 87 Prozent. In einigen angespannten Wohnungsmärkten haben sich die Häuserpreise im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt. In München beispielsweise kostet ein Einfamilienhaus in mittlerer Wohnlage laut Immobilienscout24 inzwischen 11.750 Euro je Quadratmeter. Bei 150 Quadratmeter Wohnfläche wären dies rund 1,7 Millionen Euro. Für Durchschnittsverdiener ist das nicht zu finanzieren.

Entwicklung des Hauspreisindex EPX

Wegen der gestiegenen Preise müssen Immobilienkäufer höhere Raten aus Zins und Tilgung für ihren Immobilienkredit zahlen. Der Kreditvermittler Hüttig & Rompf hat dazu folgende Zahlen ermittelt: Konnten die Kreditnehmer ihr Einfamilienhaus 2010 noch mit durchschnittlich 989 Euro pro Monat finanzieren, müssen sie jetzt 1292 Euro im Monat aufbringen. Das entspricht einem Anstieg von 31 Prozent.

Selbstnutzer zahlen höhere Raten für die Immobilienfinanzierung

Selbstnutzer finanzieren bei Hüttig & Rompf bevorzugt freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser, die rund die Hälfte aller Baukredite ausmachen. Hinzu kommen weitere 18 Prozent für die Finanzierung von Reihenhäusern. Kapitalanleger konzentrieren sich dagegen auf Eigentumswohnungen mit 73 Prozent aller Darlehen. Das Einfamilienhaus, auf das nur knapp sechs Prozent Anteil entfallen, spielt für Anleger kaum eine Rolle.

Niedrige Wohneigentumsquoten

Im europäischen Vergleich gelten die Deutschen bei Wohneigentum als unterversorgt. Ein Vorurteil? Die Statistik bestätigt den Befund. Mit einer Wohneigentumsquote von 51 Prozent der privaten Haushalte liegt Deutschland unter dem EU-Durchschnitt (28 Mitgliedsstaaten) von 69 Prozent. Wenige Staaten erreichen einen noch geringeren Wert, darunter die Schweiz mit 42 Prozent.

Wohneigentumsquoten in europäischen Staaten

Auffällig ist, dass die Anteile für Einfamilienhäuser, Doppelhäuser und Eigentumswohnungen am Wohneigentum in Europa sehr unterschiedlich verteilt sind. Im EU-Durchschnitt halten 35 Prozent der Immobilieneigentümer einzelne Häuser, 19 Prozent ein Doppelhaus und 46 Prozent eine Eigentumswohnung. In Kroatien liegt der Anteil der Einfamilienhäuser beim Wohneigentum mit 68 Prozent innerhalb der EU am höchsten. Das ist mehr als doppelt so wie hoch wie in Deutschland. Wenn die Deutschen Wohneigentum bilden, dann bevorzugt mit Eigentumswohnungen, die einen Anteil von 56 Prozent haben.

Oft hängt Wohneigentum vom Wohlstand in der jeweiligen Region ab. Viele vermuten daher innerhalb Deutschlands im wirtschaftlich potenten Freistaat Bayern die meisten Eigenheimbesitzer. Tatsächlich liegt jedoch das notleidende Saarland mit 60 Prozent Wohneigentumsquote an der Spitze. Schlusslicht ist Berlin mit 17 Prozent. Die Hauptstadt ist eine Hochburg für Mieter. Sie sind auch die wichtigste Wählergruppe für Rot-Rot-Grün. Das erklärt wohnungspolitische Eingriffe wie den Mietendeckel.

Wohneigentumsquoten in Deutschland

Auch wenn Deutschland noch Nachholbedarf beim Wohneigentum hat, ist zumindest der Trend in fast allen Bundesländern positiv. Bundesweit stieg die Quote von 41 Prozent im Jahr 1998 auf 44 Prozent im Jahr 2018. Vor allen in den neuen Bundesländern stieg der Anteil der Haushalte mit Wohneigentum. In Sachsen beispielsweise erhöhte sich die Quote von 29 auf 34 Prozent.

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