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Casio Smartwatch WSD-F10 im Test Kompromiss am Handgelenk

Casios erste Smartwatch, die WSD-F10 ist ein kompetentes Outdoortool. Aber auch diese Version der immerwährenden Erreichbarkeit am Handgelenk erfordert Kompromisse – vor allem in grellem Sonnenlicht.

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Casios Smartwatch ist groß, aber leidet am gleichen Problem wie ihre kleineren Kollegen: Im Sonnenlicht ist das Display schwer abzulesen. (Foto: M. Kölling)

Tokio Der Platz am Handgelenk ist einer der wertvollsten Plätze für eine Marke, hat mir Casios Vorstandsvorsitzender Kazuo Kashio einmal erklärt. Da waren Wearables schon absehbar. Doch Casio druckste noch herum, allerdings mit starkem Selbstbewusstsein. Denn die Firma ist ja eigentlich einer der Pioniere von smarten Uhren.

Legendär sind Casios kleine Taschenrechneruhren aus der Zeit vor mehr als 30 Jahren, für die sich noch heute Käufer finden. Oder die extrataffen G-Shock-Modelle, die die Radiowellen von Atomuhren empfangen und auf Wunsch auch Kompass, Höhenmesser und Barometer haben.

Nun macht Casio den nächsten Schritt und verbindet eine dieser Schweizer-Taschenmesser-Uhren mit dem Handy und seiner Action-Kamera EX-FR100. Casio Smart Outdoor Watch WSD-F10 heißt die erste moderne Smartwatch des Konzerns. Und sie kommt gleich als unübersehbares Markenstatement am Handgelenk daher.

Mit 6,2 Zentimeter Höhe will sie sich nur mit Zwang unter der Manschette des Businesshemds verstecken. Aber als waschechte – und wasserdichte – Outdoor-Uhr ist sie halt so groß entworfen, dass sie über dem Wanderhemd oder der Jacke getragen werden kann. Jedenfalls fällt man auf. „Tolle Uhr hast Du da“, sagte ein Freund. Die wolle er auch. Aber will man sie wirklich? Das ist genau die Frage, die ein Test stellt. Und da habe ich gemischte Gefühle. Zu denen nun im Detail.

Beginnen wir mit der Technik: Die Uhr ist 93 Gramm schwer, wasserdicht bis zu 50 Metern, stoßfest nach dem MIL-STD-810 des US-Militärs und hat mich im Smartphone-Modus ohne Aufladen durch den Tag begleitet.

Ein kleiner Clou: Die Uhr hat zwei Flüssigkristallbildschirme. Einer ist farbig und stellt die Ziffernblätter auf 1,3 Zoll Diagonale mit 320 mal 300 Bildpunkten dar. Der andere ist schwarz-weiß. Dies ist der stromsparende „Timepiece“-Modus, für alle, die die Uhr nicht jeden Tag an die Steckdose anschließen wollen.

In diesem Modus werden die smarten Funktionen ausgeschaltet und die Uhrzeit wie bei einer klassischen Digitaluhr angezeigt. Das heißt, dass der Bildschirm nicht leuchtet, sondern das Zifferblatt durch das Umgebungslicht mehr oder weniger deutlich abzulesen ist. Je heller die Sonne, desto klarer das Bild. Dies ist ein Pluspunkt gegenüber anderen smarten Uhren, die nur ein Flüssigkristall- oder OLED-Display verwenden. Bei denen leidet die Ablesbarkeit mit zunehmendem Sonnenlicht.


Eine Uhr für Outdoor-Fans

Als Betriebssystem benutzt Casios Smartwatch Googles Android Wear. Und damit kommen Funktionen wie Gmail, Google Maps und Googles Spracherkennung auf die Uhr. Und es funktioniert: Ich führe die Uhr Richtung Mund, sage „Ok, Google“ und lass die Uhr dann per Sprachbefehl den Ort suchen, zu dem ich gehen will. Der Text wird auf dem Display angegeben. Und dann ploppt schon der Zielort auf der Karte auf.

Doch ist das auch hilfreich? Für Google Maps lautet die Wertung „Naja“. Dass mir nur der Fußweg angezeigt wurde und nicht wie bei Google Maps im Handy auch die Zugverbindungen, lag vielleicht an meiner Ungeduld. Ich hatte schlicht keine Lust, dieses Problem zu ergründen. Doch den Bildschirm empfinde ich als zu klein, um wirklich als Navigationshilfe zu dienen.

Googles schriftliche Wegbeschreibung ist schlicht Augenpulver. Und eine Sprachausgabe hat das Smartphone nicht. Da bevorzuge ich doch weiterhin das Handy, mit dem die Uhr ohnehin verbunden sein muss, wenn man diese Funktionen nutzen will.

Immerhin bietet Casios Smartwatch auch ohne Anbindung ans Internet viele Funktionen zum Spielen. Da ist erstmal ein rundes Dutzend an Ziffernblättern, aus denen man je nach Lust und Laune wählen kann. Über die App auf dem Smartphone kann man zudem die Farbe und die Anzeigen der Zifferblätter an den eigenen Bedarf anpassen. Sehr nett: Ich ersetzte die voreingestellte Batterieanzeige durch ein Pedometer und einen Mini-Kompass.

Mit einem Linkswisch auf dem Display komme ich dann zu den Apps. Hier gibt es die Einstellungen, Google Maps (die allerdings ohne Smartphoneanbindung keinen Standort anzeigt, da Casios Uhr kein GPS eingebaut hat), die App zur Verbindung mit Casios Kameras, Fitness-Apps, Regenradar und was man sich sonst noch so alles aus dem App-Store laden kann. Platz genug ist da: Die Uhr hat vier GB Speicher eingebaut.

Auch die Verbindung zur Action-Kamera wird hier aufgebaut. Und schon mutiert die Uhr zum Display und Auslöser für Fotos und Videos. Das funktioniert einigermaßen reibungslos, wenn man es erst einmal verstanden hat, wie. Für Outdoor-Fans, die jeden Schritt und Fehltritt aufzeichnen, ist dies sicher eine reizvolle Ergänzung. Ich bevorzuge eine klassische Fotokamera. Aber das ist Geschmackssache.

Die ausgewählte App kann dann aus dem Uhrenmodus mit einem Druck auf den rechten, unteren Knopf am Uhrenrand aufgerufen werden. Ein Wisch oder ein Druck auf den mittleren Knopf bringt die Uhr zurück. Ein Druck auf den oberen Knopf ruft dann Casios eigentliche Stärke auf: die Outdoor-Funktionen, die auch ohne Smartphone funktionieren.

Es gibt einen Kompass, einen Aktivitätstracker, ein Pedometer, ein Barometer, einen Höhenmesser, einen Sonnenauf- und -untergangsanzeiger (inklusive Beginn der Morgen- und Abenddämmerung, sehr nett für Fotografen) und irgendetwas für Angler, für das ich mich schlicht nicht interessiert habe. Ein Pulsmesser fehlt. Aber die Uhr ist keine Uhr für Läufer, sondern für Outdoor-Fans.


Bewertung und Fazit

Die Pluspunkte

Die guten Seiten: Ich empfand die Bedienung von Casios Smartwatch intuitiv genug. Die Batterie trug mich zudem durch den Tag. Und besonders Outdoor-Fans werden die fest eingebauten Tools schätzen.

Wer dann noch beim Wandern oder Klettern die Uhr mit dem Handy verbindet, bekommt auch schöne Höhenprofile geliefert. Und selbst, wenn man gerade freikletternd und ungesichert im Steilhang hängt, kann man noch E-Mails empfangen, sofern das Smartphone Empfang hat. Sehr praktisch. Dass die Uhr zudem hart im Nehmen ist, buche ich als weiteren Bonus für all die, die durch die Natur streifen.

Auch für urbane Wanderer wie mich ist die Uhr nicht schlecht, wenn man es mag aufzufallen. Irgendwann empfand ich sogar die Größe als angemessen. Die Farbe meiner Test-Uhr – orange – gefiel mir auch sehr gut.

Zudem hat mir gut gefallen, dass Casios Uhr die Zeit immer anzeigt, wenn auch meist gedimmt, und das Display somit nicht erst mit einem Fingertipp geweckt werden will. Der Fingertipp oder die Drehung des Arms aktivieren dann die Hintergrundbeleuchtung und lassen das Zifferblatt heller leuchten.

Die Minuspunkte

Doch es gibt auch eine Reihe an Kritikpunkten. Der größte Nachteil ist wie bei fast allen Smartuhren dieschlechte  Lesbarkeit des Displays in hellem Sonnenlicht. Das Bild wirkt recht blass und ist nur noch direkt von oben abzulesen. Die fettigen Fingerabdrücke vom Touchdisplay erschweren einen klaren Blick auf die Anzeige zudem.

Es gibt eine Boost-Funktion für die Beleuchtung. Aber die ist im Menü versteckt und muss anscheinend jedes Mal neu aktiviert werden. Und dann funktioniert sie nur für ein paar Sekunden. In jedem Fall ist die Ablesbarkeit an hellen Tagen ein Kompromiss – vor allem verglichen mit analogen Uhren.

Ein anderer Punkt der mich irritiert hat: Im Stand-by-Modus wird nicht nur das Display gedimmt, sondern auch die Anzeige geändert. Bei einem Zifferblatt mit Zeigern wurden beispielsweise sich schnell bewegende Elemente wie der Sekundenzeiger oder die kleine Kompassnadel ausgeblendet. Bei der Digitaluhr-Anzeige tauschten Nummern und Hintergrund die Farben, je nachdem, ob die Hintergrundbeleuchtung aktiviert war oder nicht.

Das alles hilft wohl beim Strom sparen beziehungsweise bei der Ablesbarkeit der Uhr. Aber mich irritiert dieses andauernde Wechselspiel am Handgelenk.

Manchmal ist es sogar richtig hinderlich. Ich wollte beim Training die Ruheintervalle im von mir bevorzugten Zifferblattmodus ablesen. Aber nach etwa zehn Sekunden schaltete sich die Hintergrundbeleuchtung aus und damit verschwand der Sekundenzeiger immer wieder.

Fazit

Wer eine smarte Outdoor-Uhr wünscht oder braucht, der sollte sicherlich einen Blick auf die Casio werfen. Aber auch sie löst das Grundproblem dieser Gadget-Gattung nicht: die verbesserungswürdige Ablesbarkeit bei hellem Sonnenlicht. Displays mit elektronischem Papier tun dies zwar, aber sie können höherwertigen, farbigen Funktionen wie Kompass, Karten oder das Kameradisplay nicht darstellen. Auch Casios Smartwatch bleibt daher in Sachen „Sicht“ ein Kompromiss.

Meine größte Erkenntnis des Tests betrifft smarte Uhren im Allgemeinen. Als Instrument sind sie vielleicht ok. Doch generell mag ich sie nicht besonders. Ich fühle mich schon manchmal abhängig von meinem Smartphone. Und der Computer am Handgelenk wäre nur ein weiterer digitaler Unruheherd in meinem Leben. Zudem brauche in der Nacht noch eine Steckdose mehr, um meinen nächsten digitalen Tag aufzuladen.

Wichtiger noch: Ich schätze es, wenn eine Uhr auch im Sonnenlicht ihre Hauptaufgabe erfüllt: Mir mühelos ablesbar die Zeit anzuzeigen. Doch am Wichtigsten: Ich habe noch keine smarte Uhr gesehen, die so mein Herz und meinen ästhetischen Sinn anspricht wie meine analogen Armbanduhren, diese zeitlosen Zeitmesser, die man vererben möchte. Für mich ist auch die Casio Smartwatch ist letztlich nur ein Gadget mit kurzer Halbwertszeit.

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