Cybercrime "Digitalisierung macht Verbrechen effektiver"

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Diese digitalen Gefahren werden unterschätzt

Wie sieht es dann Ihrer Meinung nach ganz allgemein mit der Sicherheit von Alltagsgegenständen aus, die sich künftig sogar selber navigieren sollen?

Alle Maschinen sind letztlich Angriffsziele, Flugzeuge inbegriffen. Bei Autos reicht schon das Manipulieren der fahrerunterstützenden Systeme, beispielsweise beim Spurwechsel, um seine Insassen zu schädigen.

Welche digitalen Gefahren werden unterschätzt?

Das Verfälschen von Daten. Ich kann mich in das Polizeisystem einhacken und Sie zur Fahndung ausschreiben; Ihnen illegales Material auf den Computer schleusen oder Sie anhand falscher Informationen bewegen, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen. Klar ist: Wir müssen nicht nur den Datenzugriff besser sichern, sondern auch die Integrität der Informationen.

Gestohlene Firmenlaptops, gehackte Netzwerke, Erpressung mit Computerviren: Die vernetzte Welt ermöglicht Verbrechen in neuer Dimension. FBI-Berater Marc Goodman über die Zukunft der Kriminalität.
von Matthias Hohensee

Welche großen Trends sehen Sie bei Verbrechen?

Zunächst ihre Größenordnung, die gewissermaßen Moores Law folgt – immer schneller und leistungs­fähiger. Früher gab es Grenzen, wie viele Menschen ein Verbrecher pro Tag ausrauben konnte, weil er physisch vor Ort sein musste. Heute kann er über
den Computer im großen Stil Leute weltweit schädigen, Tausende, Zehntausende oder gar Millionen wie im Fall des Sony-Playstation-Hacks. Dann die Automatisierung von Cybercrime, das mittels moderner Software rund um die Uhr laufen kann. Schließlich das Eindringen in alle Lebensbereiche, weil mehr und mehr digitalisiert und miteinander vernetzt­ wird.

Was muss deswegen geschehen?

Wir müssen endlich eingestehen, dass wir Cybercrime niemals durch Verhaftungen in den Griff bekommen. Wir nutzen zwar medizinische Begriffe wie Computerviren oder Infektionen, um es zu beschreiben. Aber wir nutzen nicht die Methoden der Medizin zur Bekämpfung. Wenn jemand Ebola hat, verhafte ich ihn ja auch nicht. Ich isoliere die Patienten, damit sie nicht noch mehr Leute anstecken, und behandele sie. Wir brauchen eine Art Weltgesundheitsorganisation für Cybercrime. Heute können Kriminelle mittels digitaler Werkzeuge jeden von uns sozusagen anstecken. Wir haben immer noch nicht die richtigen Methoden entwickelt, um diese Epidemie zu stoppen.

Wer muss die Initiative ergreifen?

Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, Interpol, Industrieverbände, Regierungen, Universitäten oder gemeinnützige Organisationen – am besten alle gemeinsam. Je enger diese zusammenarbeiten, umso besser. Wir sind heute sehr geschickt darin, die Welt zu digitalisieren. Doch wir haben enorme Defizite, das auf sichere Art und Weise zu tun. Laut einer Studie von Juniper Research werden Unternehmen im Jahr 2019 durch Cybercrime rund zwei Billionen Dollar an Schäden entstehen. Der finanzielle Anreiz ist also mehr als groß genug, dagegen vorzugehen.

Sind Sie nach der Analyse des Potenzials von künftigen Verbrechen noch vorsichtiger geworden?

Ja. Aber am Ende steht die Erkenntnis, dass jedes vom Menschen geschaffene System manipuliert werden kann und wird.

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