Adblock Plus verkauft Online-Werbung Robin Web ist tot

Ausgerechnet die Entwickler des Web-Werbefilters Adblock Plus verkaufen nun Internet-Werbung. Es ist der endgültige Bruch mit einem falschen, aber gern gepflegten Image.

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Adblock soll unerwünschte Werbung blockieren. Quelle: dpa

Kaum ein deutsches Internet-Unternehmen polarisiert so wie das Kölner Start-up Eyeo. Das kennen zwar unter seinem Firmennamen nur Insider der Netz- und Verlagswelt. Sein Hauptprodukt aber, den Werbeblocker Adblock Plus, kennt fast jeder deutsche Netz-Nutzer.

Für die einen – vorwiegend jene, die mit der Verbreitung von Werbung auf Webseiten ihr Geld verdienen – sind die Kölner Softwerker der natürliche Feind, weil sie durch das Filtern der Netz-Anzeigen ihr Geschäftsmodell zerstören.

Für die anderen – meist jene, für die das ewige Flimmern und Flackern der sich über die Webseiten spannenden Reklamebänder und Marketingbotschaften ein steter Quell des Ärgers ist – war Eyeo lange Zeit so etwas wie Robin Web, der Rächer der Genervten.

Wenn im Werbefilter Reklame erscheint

Nun aber könnte die Stimmung kippen. Denn in dieser Woche hat Eyeo, dessen Browser-Erweiterung laut Erhebungen von ComScore vergangenes Jahr mit mehr als 50 Prozent Marktanteil der mit Abstand verbreitetste Adblocker war, angekündigt, ein eigenes Werbenetzwerk zu starten.

Werbekunden können also ab sofort ausgerechnet bei jenem Dienst Online-Reklame schalten, den seine Fans dafür feierten, dass er Werbung herausfiltert. Oder, um es mit dem Tweet einer Web-Ikone, des kalifornischen Komikers Sanjay Manaktala, @smanak, auszudrücken: "Der Kondomhersteller Durex steigt ins Geschäft mit Windeln ein."

Es ist der endgültige Bruch mit dem von Eyeo lange so offensiv gepflegten Image des Vorkämpfers fürs ungestörte Surfen. Das Unternehmen ist – das macht der Start der eigenen Werbeplattform überdeutlich – eben nicht der Interessenvertreter genervter Surfer. Es ist, und das ist einem wirtschaftlich agierenden Unternehmen per se ja auch nicht vorzuwerfen, nur seinem eigenen ökonomischen Vorteil verpflichtet.

Quasi marktbeherrschende Position

Und der liegt darin, seine mittlerweile fast marktbeherrschende Stellung als Gatekeeper der Online-Werbung maximal auszunutzen. Nach eigenen Angaben läuft Adblock Plus weltweit auf rund 100 Millionen Geräten.

Schon in der Vergangenheit hatte Eyeo es zahlungswilligen Unternehmen ermöglicht, sich von der Sperre durch den Adblock-Filter freizukaufen. Blogger Sascha Pallenberg hat in seinem Portal "Mobilegeeks" unter anderem vorgerechnet, dass Google rund 25 Millionen Dollar für die „Entsperrung“ seiner Anzeigen an Eyeo gezahlt haben dürfte.

Filtern ist erlaubt - aber nicht so

Diese Praxis des sogenannten "Whitelisting" hatte das Oberlandesgericht Köln Ende Juni dieses Jahres allerdings als rechtswidrig erklärt. Der Versuch mehrerer Verlage – darunter die Verlagsgruppe Handelsblatt, in der auch die WirtschaftsWoche erscheint – Adblock Plus gerichtlich zu stoppen, war mehrfach gescheitert. Werbeblocker, so das Gericht, seien grundsätzlich legal.


Doch beim Geschäftsmodell von Eyeo selbst sprachen die Richter von "unzulässigen aggressiven geschäftlichen Praktiken" – und verboten die Strategie, Werbung im Internet zunächst komplett zu blockieren, um sie anschließend gegen Geld für einzelne Betroffene wieder freizuschalten. Kritiker sprechen bei ähnlichen Geschäftsmodellen auch schon mal von Wegelagerei oder Schutzgeld.

Mit dem offiziellen Start der Werbeplatzvermarktung will Eyeo das verbotene „Whitelisting“ nun offenbar legalisieren.

Aber klar ist damit auch: Robin Web ist tot!

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