
Frau Domscheit-Berg, endlich ein Gesetz zum E-Government - wie finden Sie das?
Anke Domscheit-Berg: Wir brauchen das Gesetz, aber es ist schlecht gemacht. Da wird nur in einer technokratischen Art und Weise an einigen wenigen Stellschrauben gedreht, anstatt das Veränderungspotenzial in Richtung eines umfassenden Kulturwandels zu nutzen.
Was ist aus ihrer Sicht der Kern des Gesetzes?
Es legt den Fokus auf interne Prozessoptimierung und vor allem auf zwei Lieblingsprojekte der Regierung, die De-Mail und den elektronischen Personalausweis. Beide sind gescheitert. Die komplizierte elektronische Signaturfunktion des ePerson hat sich bei Bürgerinnen und Bürgern nicht durchsetzen können. Bei De-Mail wurde versucht, Prinzipien aus der Zeit der Postkutsche auf unsere Zeit zu übertragen und es fehlt eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, gerade bei sensiblen Inhalten wie Steuerdaten.
Was das E-Government-Gesetz bedeutet
Bundesbehörden müssen ab 2014 einen elektronischen Kontaktweg anbieten. Eine E-Mail-Adresse haben die meisten bereits. Nun soll ein sicherer digitaler Kommunikationskanal dazukommen, über den Bürger Behördengänge erledigen und wichtige Dokumente versenden können. Dafür schreibt die Bundesregierung vor, dass Bundesbehörden online eine Identifikation mit den elektronischen Funktionen des neuen Personalausweises und eine De-Mail-Adresse anbieten. Dieses Mailformat soll die sichere Kommunikation garantieren.
Behördengänge per Mail sind nur der Anfang: Mit dem E-Government-Gesetz soll die Verwaltung grundlegen modernisiert und ins Computerzeitalter gebracht werden. Bürger sollen im Internet den Bearbeitungsstand ihrer Anfragen und aktuelle Ansprechpartner einsehen können. Bundesbehörden sollen bis 2020 ihre Akten elektronisch führen - eine Umstellung für viele Behörden, in denen Akten noch größtenteils auf Papier geführt werden.
Im Zuge der Digitalisierung soll auch überprüft werden, ob jede Beantragung mit der eigenhändigen Unterschrift bestätigt werden muss, oder ob diese Regel bei einfachen Verwaltungsakten wie dem Bestellen einer Mülltonne wegfallen kann. Dann könnten solche Vorgänge auch formlos am Telefon geregelt werden.
Nein. Denn das Gesetz gilt zunächst nur für die Bundesbehörden. Landes- und Kommunalbehörden sind lediglich verpflichtet, Dokumente elektronisch entgegen zu nehmen und digitale Bezahlmöglichkeiten anzubieten. Doch die weitaus meisten Behördenkontakte haben Bürger mit ihren lokalen und kommunalen Ämtern. Müllabfuhr, Meldebehörde oder Standesamt sind nicht direkt an die neuen Regeln gebunden. Ob und wie die Bundesländer die Vorstellungen der Bundesregierung umsetzen, ist noch vollkommen offen. Das Bundesinnenministerium erhofft sich eine Signalwirkung.
Zur Versendung sensibler Daten an Behörden sieht das E-Government-Gesetz die De-Mail vor. Das ist ein spezieller E-Mail-Dienst, der unter anderem von der Deutschen Telekom und 1&1 angeboten wird. Dazu muss man sich gesondert anmelden und seinen Personalausweis vorlegen. Dann funktioniert die De-Mail für Nutzer so ähnlich wie andere Web-Maildienste auch: Man loggt sich auf der entsprechenden Webseite ein und kann von dort verschlüsselte Nachrichten verschicken und empfangen.
Der Streit um die De-Mail schwelt seit Längerem. Die Computerkenner vom Chaos Computer Club (CCC) halten sie für ein gescheitertes Projekt, denn die Mails werden nicht von Anfang bis Ende vollständig verschlüsselt. Die Anbieter entschlüsseln die Nachricht auf halbem Weg für einen Sekundenbruchteil, um zu kontrollieren, ob damit Computerschädlinge verschickt werden. Für die Hacker vom CCC ist das eine inakzeptable Sicherheitslücke. Auch der Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar kritisierte die fehlende durchgehende Verschlüsselung.
Die Anbieter halten dagegen: Es werde alles dafür getan, dass die De-Mail sicher sei, sagte ein Sprecher der Deutschen Telekom. Telekom und 1&1 verweisen auf die hohen Sicherheitsstandards in ihren Rechenzentren. Das Bundesinnenministerium meint, die vom CCC vorgeschlagenen Verschlüsselungstechniken würden Normalnutzer überfordern. Wer seine De-Mails durchgehend verschlüsseln will, kann das allerdings mit zusätzlichen Computerprogrammen tun.
Warum ist das Gesetz nicht umfassender angelegt?
Wenn es den Zwang gibt, einen Konsens über Bund und Länder hinweg zu finden und deren Veränderungsbereitschaft so unterschiedlich ist, kommt nur der allerkleinste gemeinsame Nenner heraus und das ist dieses Gesetz. Der ursprüngliche Entwurf war mal viel weiter gefasst. Das wurde dann so lange abgeschliffen, dass jetzt nicht mehr viel übrig geblieben ist. Wir brauchen nun weiterhin deutschlandweit und auch über die Bundesländer hinweg eine ehrgeizigere E-Government-Strategie, eine Vision, die das Selbstverständnis von Verwaltung verändert, eine echte Open-Government-Strategie.