
Vier Wochen lang hat sich Daniele Quercia Tag für Tag auf dem Fahrrad die laute, überfüllte, nach Abgasen stinkende Massachusetts Avenue hinauf gequält. Seine Navigations-App hatte ihm diese Route als kürzesten Weg zur Arbeit vorgeschlagen und er hatte nicht weiter über den Vorschlag nachgedacht. Warum sollte er auch?
Quercia, der seinen Doktor in London gemacht und danach eine Stelle an der University of Cambridge angetreten ist, war gerade neu nach Boston gezogen. Er kannte sich in der Gegend nicht aus. Aber die Empfehlung seiner App würde schon die Richtige für ihn sein, dachte er sich, schließlich zeigte sie ihm doch die schnellste Route zum Ziel. Er irrte sich.





Eines Tages, Quercia erinnert sich nicht mehr an den Grund, entschied er sich spontan für eine andere, längere Route zur Arbeit – und fand sich plötzlich in einer Gegend wieder, die im totalen Kontrast zur überfüllten „Mass Av“ stand: helle, breite Straßen, Bäume auf beiden Seiten, kaum Verkehr. „Ich fand mich scheinbar in einer anderen Welt wieder“, sagte Quercia. „Wie konnte ich nur so blind sein?“
Tag für Tag sei er nur der Stimme aus seinem Smartphone gefolgt, erzählt er weiter, für die lediglich eines zählte: ihn so schnell wie möglich von A nach B zu bringen. Effizienz statt Schönheit, das passte zum durchstrukturierten Alltag des Ingenieurs. „Mir kam es nicht einmal in den Sinn, die Straße zu genießen. Ich hatte keine Freude an der Natur, keine Möglichkeit den Menschen in die Augen zu schauen. Und warum? Um eine Minute an Weg zu sparen“, sagt Quercia.
Aus dieser Erkenntnis folgte eine Idee: Was wäre, wenn es eine Navigations-App gäbe, die nicht den kürzesten Weg zeigt – sondern den schönsten? Den an der grünen Alle entlang, der vielleicht ein paar Minuten mehr Zeit in Anspruch nimmt, dafür aber angenehm ist, entspannend, und einen Kontrast zum hektischen Alltag darstellt. Wie ließe sich eine solche Idee umsetzen?
Quercia recherchierte – und entwickelte gemeinsam mit einigen Wissenschaftskollegen die Navigations-App „Happy Maps“, die in erster Linie die Emotionen der Menschen ansprechen soll. Neben dem schnellsten Weg soll die digitale Karte auch den schönsten, den ruhigsten und den interessantesten Weg anzeigen. Die Routen sollen Orte sichtbar machen, wo sich die Leute gerne aufhalten. Geheimtipps praktisch, per Knopfdruck abrufbar.