Automatisierung Dieses Unternehmen macht KI-Roboter so lernfähig wie Azubis

Das Robotik-Start-up Micropsi Industries hat Algorithmen entwickelt, die Roboterarme anderer Hersteller intelligenter machen. Quelle: Micropsi Industries

In Fabriken werden enorm viele Aufgaben immer noch per Hand erledigt. Ein Berliner Start-up will das ändern – und Roboter beim Menschen in die Lehre schicken.

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Wenn Ronnie Vuine eine Fabrik betritt, fällt ihm meist als erstes eines auf: „Es wird immer noch enorm viel per Hand gemacht“, sagt der Gründer des Berliner Robotik-Start-ups Micropsi Industries. Scharen von Hilfskräften, aber auch von gut bezahlten Facharbeitern sortieren in der Industrie Bauteile in Kisten, spannen Werkstücke in Maschinen.

Dabei ist Arbeitskraft knapp, überall mangelt es an Fachkräften. Und um gegen Billigkonkurrenz aus Fernost zu bestehen, muss gerade die deutsche Industrie ihre Produktivität stetig steigern. Die Lösung wäre, möglichst viele Arbeiten zu automatisieren. (Mehr dazu lesen Sie in der großen WiWo-Analyse „Die Erben der Babyboomer: Roboter gegen den Fachkräftemangel?“)

Genau hier will Vuine Unternehmen helfen. Mit seinem Berliner Start-up Micropsi Industries macht Vuine Roboter fit für wechselnde Aufgaben und das ganz normale Chaos am Arbeitsplatz. „Wir bringen Robotern bei, mit ungenauen Umgebungen umzugehen“, sagt er. 

Roboter toleriert Unordnung 

Die nötige Hardware für wechselnde, flexible Roboteranwendungen gibt es zwar inzwischen: Kleine, flexible Roboterarme, auch Cobots genannt, die Menschen nicht gefährlich werden können und dank Sensoren erkennen, ob sie irgendwo anzustoßen drohen. Ihre Verkaufszahlen haben sich seit dem Jahr 2017 verdoppelt. Doch mit 22.000 weltweit verkauften Exemplaren waren sie im vergangenen Jahr noch in der Minderzahl im Vergleich zu den 362.000 verkauften herkömmlichen Industrierobotern. Aus Sicht von Gründer Vuine müssen die Maschinen noch smarter werden als bisher.

Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, der Fachkräftemangel verschärft sich. Roboter könnten die Lücke schließen – unter bestimmten Bedingungen.
von Sophie Crocoll, Karin Finkenzeller, Martin Fritz, Andreas Menn, Dominik Reintjes

Bislang, sagt Vuine, lohnten sich Roboter vor allem dort, wo jahrelang vorhersehbar die gleiche Aufgabe zu erledigen ist und jeder Arbeitsschritt millimetergenau geplant werden kann. Aber: „Oft kommt das Material eben nicht so geordnet und vorhersagbar am Arbeitsplatz an.“ Gerade in kleinen Betrieben kämen häufig Teile in Kisten auf Trolleys herangerollt, und nur ein Mensch könne sie greifen und in die Maschine legen. „Die offensichtliche Lösung ist eben nicht, die Welt um die Roboter herum genauer zu machen“, sagt Vuine, „sondern den Maschinen beizubringen, in eine ungenaue Welt hineinzuschauen und damit umzugehen.“

Sein Team von inzwischen 40 Mitarbeitern hat Algorithmen entwickelt, die Roboterarme anderer Hersteller intelligenter machen. Mit Aufnahmen aus einer Kamera registriert die KI, was im Umfeld des Roboters passiert – und zieht selbständig ihre Schlüsse. 

Die Maschine lernt, die Mitarbeiter machen Mittag

Vuine hält sein Smartphone hoch: Wolle ein Roboter ein Ladekabel in dessen Buchse stecken, müsse die Position des Smartphones heute millimetergenau bekannt sein. Mit der KI der Berliner dagegen könne das Handy an verschiedenen Stellen im Raum liegen – trotzdem bewege sich der Roboterarm mit dem Kabel auf die Buchse zu, mache kleine Korrekturbewegungen – und finde die Buchse.



Einzige Voraussetzung: Ein Mensch müsse dies dem Roboter vorher ein paar Mal gezeigt haben. Den Roboter also per Hand zum Kabel führen, es ihn greifen lassen, ihn dann zum Smartphone führen, das mal hier auf dem Tisch liegt, mal dort drüben.  

Auf diese Weise sollen Roboter künftig viele Arbeiten übernehmen, für sie bisher zu teuer zu trainieren oder ungeeignet waren: Material von A nach B sortieren, Teile in Maschinen legen, Stecker in Steckdosen platzieren. 

Dass das wirklich ohne Programmieraufwand geht, zeigt Vuine möglichen Kunden gerne vor Ort. Er baut einen Roboterarm auf dem Konferenztisch auf, die Fabrikmanager führen den Roboterarm in einen Arbeitsschritt ein. Dann rechnet die KI. „Wenn wir aus der Kantine zurückkommen, erledigt der Roboter die Arbeit von selbst“, sagt Vuine.

Ein Stahlarm übernimmt die Qualitätskontrolle 

Beim Autozulieferer ZF in Friedrichshafen hilft die KI der Berliner, eine Frässtation zu automatisieren, in der Zahnräder in großen Stückzahlen hergestellt werden. Die Rohlinge, Metallringe von der Größe von Klebebandrollen, werden dort in Pappkartons gestapelt angeliefert. 

Die Form des Kartons, seine Position, die Lage der Ringe darin variieren stets um ein paar Zentimeter. Mit der KI kann ein Roboterarm sie nun aber einen nach dem anderen greifen und auf ein Förderband legen, das sie in die Fräse transportiert.

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Ronnie Vuine will mit seiner KI den Einsatz der Helfer aus Stahl und Kunststoff vorantreiben. Dieses Jahr hat er so viele Vertriebler eingestellt wie nie – und jedem einzelnen eine Aufgabe mitgegeben: „Wenn ihr an einer Fabrik vorbeifahrt, schreibt euch den Namen auf und fahrt beim nächsten Mal dort hin.“ Denn für Vuine gibt es keine Fabrik, in der sich nicht noch etwas automatisieren ließe.

Mehr zum Thema: Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, der Fachkräftemangel verschärft sich. Roboter könnten die Lücke schließen. Lesen Sie hier die große WiWo-Analyse: Die Erben der Babyboomer: Roboter gegen den Fachkräftemangel?

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